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Politik

Der Krieg in der Ukraine: Was Jugendliche wissen und wie sie sich informieren

Eine aktuelle bundesweite Befragung von 181 Jugendlichen zur Wahrnehmung
der gegenwärtigen Ereignisse in der Ukraine zeigt, dass die meisten
Jugendlichen über das grundlegende Geschehen informiert sind. Die
Erstinformationen zu den Ereignissen holten sie sich vor allem über
traditionelle Medien wie Fernsehen und Radio als auch über das Internet,
Social Media, Zeitung und Apps.

München, 25.2.2022 – Das Internationale Zentralinstitut für das Jugend-
und Bildungsfernsehen (IZI) beim Bayerischen Rundfunk befragte am 23.
Februar 2022, einen Tag vor dem Angriff, und am 24. Februar 2022, dem Tag
des Kriegsbeginns, n=181 Jugendliche (84 Jungen, 96 Mädchen, 1 Divers)
zwischen 13 und 17 Jahren zu ihrem Informationsverhalten, ihrem Wissen und
ihren Einschätzungen zur aktuellen Lage in der Ukraine.

Was Jugendliche zu diesem Zeitpunkt über den Konflikt wissen

Neun von zehn der befragten Jugendlichen können den Konflikt und die
Bedrohungslage wiedergeben: „Es geht darum, dass die Russen in das Gebiet
der Ukraine einmarschieren wollen“ (Junge, 14 Jahre, 23.2.2022). Am Tag
des Kriegsbeginns: „Die Ukraine wird von Russland bedroht und angegriffen“
(Mädchen, 14 Jahre, 24.2.2022). Das Verständnis der Lage ist bei gut der
Hälfte der befragten Jugendlichen eher einfach und auf den Fakt „Russland
greift die Ukraine an“ (Junge, 13 Jahre) begrenzt.
Der Beginn des Angriffs war nur bei der Hälfte der Befragten Thema im
Schulunterricht
Obwohl die Bedrohungssituation schon am 23.2. deutlich sichtbar war, gaben
nur knapp drei von zehn Befragten an, dass sie in der Schule thematisiert
worden sei. Am 24.2. stieg dieser Wert auf rund jede*n Zweite*n. Thema in
der Familie oder mit Freund*innen war es bis dahin nur bei gut jedem/jeder
fünften Jugendlichen. Viele der befragten Jugendlichen waren in der
Informationssuche zu den aktuellen Ereignissen auf sich gestellt,
entsprechend bedeutsam waren Medien, um sich über die Situation zu
informieren.

Die meisten Jugendlichen haben sich über Fernsehen, Radio und Apps wie
BR24 informiert

Ihre medialen Informationen holten sich 45 % der Befragten über das
Fernsehen (genannt insbesondere Tagesschau, aber auch MOMA, logo!,
ZDFheute). Ein Viertel der Jugendlichen bezog seine Informationen „übers
Internet“, wie die Befragten es etwas ungenau formulieren. Knapp jede*r
Fünfte gab an, die Information aus dem Radio bekommen zu haben, zum
Beispiel nebenbei beim Frühstück. Nachrichten-Apps (genannt wurden u.a.
n-tv, BR24) spielten zu diesem Zeitpunkt noch eine untergeordnete Rolle,
soziale Medien wie Instagram oder TikTok waren zu diesem Zeitpunkt noch
keine relevante Informationsquelle.  Genutzt wurden vor allem die Inhalte
der öffentlich-rechtlichen Anbieter und der großen Tageszeitungen wie die
Süddeutsche Zeitung oder die Thüringer Allgemeine. Dies zeigt:
Erstinformation in dieser weltpolitischen Krisensituation findet über
traditionelle Medien statt.

Wie Jugendliche Putin einschätzen

Die meisten befragten Jugendlichen beschreiben Putin als bösen und
schlimmen Menschen mit viel Macht und zahlreichen negativen Eigenschaften
(gefährlich, aggressiv, machtbesessen, geldgierig, arrogant, unehrlich,
brutal …), als „Diktator, der Krieg will“ (Junge, 16 Jahre) oder
„Zerstörer der Demokratie“ (Junge, 15 Jahre). Er wird als „gefährlich und
unehrlich“ (Mädchen, 14 Jahre), als „ein böser Mensch und ein Diktator,
der Menschen tötet“ (Mädchen, 15 Jahre) beschrieben. In den Beschreibungen
pathologisieren viele Jugendlichen ihn, beschreiben ihn als „Spinner“ oder
„abgerückt von der Realität, größenwahnsinnig“ (Mädchen, 16 Jahre) oder
beschimpfen ihn als „Idiot“, „machtgierigen Penner“ oder „Arschloch, was
denkt, es kann sich alles erlauben“ (Mädchen, 15 Jahre). Seine Handlungen
werden als nicht nachvollziehbar beschrieben, was auch als beängstigend
wahrgenommen wird: „Er (ist) ein gemeingefährlicher Mensch, vor dem man
Angst haben kann.“ (Mädchen, 13 Jahre)
In Einzelfällen verteidigen Jugendliche mit russischer
Zuwanderungsgeschichte die Aggression von Seiten Russlands als den
einzigen Weg, einen angeblichen Genozid zu verhindern. Diese Deutung hat
z.B. ein befragter 16-jähriger Gymnasiast vermutlich aus einem Bericht des
russischen Fernsehens übernommen. Einzelne bewundern Putin: „Ich finde ihn
sehr selbstbewusst und er kämpft für Frieden und Gerechtigkeit in der
ganzen Welt“ (Mädchen, 15 Jahre, 24.2.2022) und fordern Respekt ein, denn
„er gehört zu den mächtigsten Menschen der Welt“ (Junge, 15 Jahre). Einige
zweifeln in diesem Zusammenhang an der ausgewogenen Berichterstattung über
ihn: „Er wird immer schlecht dargestellt hier in Deutschland, aber ich
habe Zweifel, dass das alles stimmt.“ (Mädchen 17 Jahre)

Was Jugendliche sich von der Bundesregierung wünschen

Fast alle der befragten Jugendlichen wünschen sich von der
Bundesregierung, dass sie in dieser Situation die Ukraine unterstützt und
„sich entschlossen gegen ihn (Putin) stellt“ und „die Ukraine zusammen mit
der NATO verteidigt“ (Mädchen, 15 Jahre) und dass sie starke Sanktionen
gegen Russland einleitet. Einzelne Stimmen fordern ein hartes, durchaus
auch militärisches Eingreifen. Die große Mehrheit wünscht sich, die
Bundesregierung solle „weiterhin versuchen, mit Russland diplomatisch ins
Gespräch zu kommen“ (Mädchen, 14 Jahre). Ein Junge (15 Jahre) schlägt vor,
dass alle friedlichen Sanktionen ausgeschöpft werden sollen, „um Russland
die finanziellen Mittel für den Krieg zu nehmen.“ In Einzelfällen werden
aber auch Zweifel deutlich, ausgelöst durch Wladimir Putins Drohgebärden:
„Ich habe gerade gehört, wie Putin sagte, dass alle, die ihm im Weg
stehen, es bereuen werden und das macht einem dann schon Angst.“
Die Befragung zeigt: Die meisten Jugendlichen sind über die aktuelle
Situation in groben Zügen informiert und positionieren sich eindeutig
gegen Putin. Die notwendigen Erstinformationen zur Lage holen sie sich
eher aus traditionellen Medien, was sich im weiteren Fortschreiten der
Krise vermutlich auf soziale Medien verlagern wird. „Im weiteren Verlauf
der Ereignisse wird es immer wichtiger werden, dass Jugendliche
hinsichtlich ihrer Informationskompetenz geschult werden“, so
Medienpädagogin und Studienleiterin Dr. Maya Götz.

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„Die Invasion der Ukraine durch die russische Armee markiert eine Zeitenwende in Europa“

Der Kriegsbeginn in der Ukraine schockiert die Welt. Für Konfliktforscher
Professor Dr. Nils-Christian Bormann von der Universität Witten/Herdecke
ist die Invasion der vorläufige Höhepunkt eines aggressiven Nationalismus
durch den russischen Präsidenten.

„Die Invasion der Ukraine durch die russische Armee markiert eine
Zeitenwende in Europa. Sie stellt den ersten Angriffskrieg in Europa seit
dem 2. Weltkrieg dar. Russland verfolgt spätestens seit dem Einmarsch in
Georgien 2008 Außenpolitik wieder mit militärischen Mitteln. Der Einmarsch
heute wird die russischen Militärinterventionen der Vergangenheit in Bezug
auf das menschliche Leid und die Zerstörung, die sie anrichten wird,
jedoch in den Schatten stellen”, so Nils-Christian Bormann,
Konfliktforscher und Professor für International Political Studies an der
Fakultät für Wirtschaft und Gesellschaft an der Universität
Witten/Herdecke.

„Putins Angriffskrieg ist der vorläufige Höhepunkt eines aggressiven
Nationalismus, der im vergangenen Jahrzehnt wieder an Bedeutung gewonnen
hat. Dieser Nationalismus spricht anderen Volksgruppen und Ländern, wie
jetzt der Ukraine das Existenzrecht ab und führt unweigerlich zu
politischer Gewalt. Putin wählt bewusst historische Zeitpunkte, die mit
der größten territorialen Ausbreitung Russlands zusammenfallen, um seine
Invasion zu rechtfertigen. Der erkennbare Wille zur Rückkehr in sogenannte
goldene Zeitalter führt jedoch direkt zu Tod und Zerstörung.”

„Vor diesem Hintergrund müssen die politischen Entscheidungsträger
Deutschlands und Europas nicht nur sofortige Sanktionen verhängen, sondern
auch die außenpolitischen Grundsätze der letzten 30 Jahre kritisch
hinterfragen. Zu Diplomatie und Verhandlungen gehören immer zwei
Parteien.“

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Mit diesen Sanktionen trifft der Westen Russlands Wirtschaft am stärksten

Berechnungen des IfW Kiel zeigen, mit welchen Handelssanktionen der Westen
die russische Wirtschaft am härtesten treffen würde. Demnach hätte ein
Handelsstopp mit Gas einen Einbruch der russischen Wirtschaftsleistung um
knapp 3 Prozent zur Folge, ein Handelsstopp mit Öl einen Einbruch um gut 1
Prozent. Für Deutschland und die EU wären die wirtschaftlichen Schäden in
beiden Fällen äußerst gering.

Simulationsrechnungen im Handelsmodell KITE des Kiel Instituts für
Weltwirtschaft (IfW Kiel) zeigen, wie sich ein Handelsembargo gegen
Russland für bestimmte Produktgruppen mittelfristig auswirken würde.
Simuliert wurde ein völliger Stopp aller Importe und Exporte für die
jeweilige Produktgruppe durch die westlichen Verbündeten (alle in den
Berechnungen enthaltenen Länder sind am Ende der Medieninformation
aufgeführt).

Demnach hätte ein Embargo mit Gas die wirtschaftlich gravierendsten
Folgen, Russlands Bruttoinlandsprodukt (BIP) würde dabei um 2,9 Prozent
einbrechen. Deutschlands BIP dagegen würde sogar leicht um 0,1 Prozent
zunehmen, ebenso würde das BIP der EU minimal steigen. Die Berechnungen
gelten ebenso für den Fall, dass ein Gasembargo von Seiten Russlands
verhängt würde.

Grund für das Plus ist, dass die westlichen Verbündeten die fehlenden
Importe Russlands durch Produkte der Bündnispartner ersetzen würden und
hier Deutschland besonders wettbewerbsfähig ist. Im Falle eines
Gasembargos hätte Deutschland beispielsweise bei der energieintensiven
Produktion bzw. Verarbeitung von Metallen einen Kostenvorteil, weil sein
Energiemix nur zu verhältnismäßig geringen Teilen aus russischem Gas
besteht.

Ein Handelsembargo mit Öl hätte für Russland einen Rückgang der
Wirtschaftsleistung um 1,2 Prozent zur Folge, in Deutschland und der EU um
jeweils 0,1 Prozent. Ein Embargo für Maschinen und Maschinenteile ließe
Russlands Wirtschaft um 0,5 Prozent schrumpfen, ein Embargo auf Fahrzeuge
und Fahrzeugteile um 0,3 Prozent. Für Deutschland und die EU hätten beide
Maßnahmen nur minimal negative Effekte.

„Unsere Berechnungen sind exemplarischer Natur, aber sie zeigen klar, dass
die mittelfristigen wirtschaftlichen Folgen von Handelsembargos Russland
sehr viel härter treffen würden als die westlichen Verbündeten. Aus diesem
Grund wäre zum einen die Drohung Russlands mit einem Lieferstopp für Gas
und/oder Öl wenig glaubhaft. Auf der anderen Seite ist ein Stopp von Nord
Stream2 durch die Bundesregierung absolut nachvollziehbar. Hierdurch wird
Russlands geopolitische Position nicht noch weiter gestärkt, und es
bedeutet nicht per se, dass russische Gaslieferungen weiter zurückgehen
müssen“, sagte Hendrik Mahlkow, Handelsforscher am IfW Kiel, der die
Berechnungen durchführte.

Zur Gruppe der westlichen Verbündeten wurden in den Modellrechnungen
folgende Länder gezählt: Albanien, Australien, Belgien, Bulgarien,
Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Georgien,
Griechenland, Irland, Italien, Japan, Kanada, Kroatien, Lettland, Litauen,
Luxemburg, Malta, Montenegro, Neuseeland, Niederlande, Norwegen,
Österreich, Polen Portugal, Schweden, Slowakei, Slowenien, Rumänien,
Spanien, Tschechische Republik, Ungarn, Ukraine, Vereinigte Staaten,
Vereinigtes Königreich, Zypern.

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„Ist nach der Invasion vor der Invasion?“: Online-Diskussion zum Ukraine- Konflikt am 24. Februar

Wie lässt sich der Ukraine-Konflikt aus geschichts- und
politikwissenschaftlicher sowie völkerrechtlicher Perspektive einordnen?
Antworten bietet ein öffentliches Online-Gespräch mit Gwendolyn Sasse
(ZOiS Berlin) und Expert*innen des IOS Regensburg am Donnerstag,
24.2.2022, um 17 Uhr.

Regensburg/Berlin. Mit der Anerkennung der sogenannten Volksrepubliken
Donezk und Lugansk durch Russland und der Entsendung russischer Truppen
hat der Konflikt um die Ukraine eine neue Eskalationsstufe erreicht.
Wladimir Putin hat diesen Schritt medienwirksam inszenieren lassen und mit
einer Rede im staatlichen Fernsehen eingeleitet. Nimmt man den russischen
Präsidenten beim Wort, dann hat er dabei das Existenzrecht der Ukraine als
souveräner Staat in Geschichte und Gegenwart in Frage gestellt. Wie lassen
sich die aktuellen verbalen, politischen und militärischen Eskalationen
Russlands aus geschichts- und politikwissenschaftlicher sowie
völkerrechtlicher Perspektive einordnen? Wird es zum Krieg kommen? Welche
Schlüsse lassen sich für den aktuellen und zukünftigen Umgang mit Russland
ziehen?

Um Fragen wie diese geht es am Donnerstag, 24.2.2022, um 17 Uhr in der
Online-Diskussionsrunde „Ist nach der Invasion vor der Invasion? Russlands
Aggression gegen die Ukraine – Aktuelle Einschätzungen“. Mit dabei sind
namhafte Osteuropa-Expert*innen:

• Prof. Gwendolyn Sasse, Wissenschaftliche Direktorin am Zentrum für
Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS), Berlin

• Prof. Guido Hausmann, Leiter des Arbeitsbereichs Geschichte am Leibniz-
Institut für Ost- und Südosteuropaforschung (IOS), Regensburg

• Dr. Cindy Wittke, Leiterin der Politikwissenschaftlichen
Forschungsgruppe am IOS

• Moderation: Prof. Ulf Brunnbauer, Wissenschaftlicher Direktor am IOS

Veranstalter ist das Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung
in Regensburg in Kooperation mit dem Zentrum für Osteuropa- und
internationale Studien in Berlin. Der Online-Zugang ist kostenlos.
Zugangsdaten unter: www.ios-regensburg.de/Ukraine2022.html

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