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Politik

Corona-Pandemie: Unter populistischen Regierungen ist Risiko zu sterben höher

Populistische Regierungen während Covid-19  IfW Kiel
Populistische Regierungen während Covid-19 IfW Kiel

Populistische Regierungen schneiden bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie
und ihrer Folgen schlechter ab als nicht populistische Regierungen. Dies
betrifft etwa Länder wie Großbritannien, Ungarn oder Indien. Die
Übersterblichkeit – also die Anzahl an Todesfällen oberhalb der auch ohne
die Pandemie erwartbaren Todesfälle – ist in populistisch regierten
Ländern im Durchschnitt mehr als doppelt so hoch wie in nicht-populistisch
regierten Ländern. Dies zeigt ein jetzt erschienenes Forschungspapier
unter Mitwirkung des IfW Kiel.

„Die Zahlen sind eindeutig – Populisten sind in der Corona-Pandemie die
klar schlechteren Krisenmanager und für viele vermeidbare Tote in den von
ihnen regierten Ländern verantwortlich“, sagt Michael Bayerlein, der am
Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) zu Populismus forscht.
Gemeinsam mit einem internationalen Team an Forscherinnen und Forschern
wertete er das Krisenmanagement während der Corona-Pandemie im Jahr 2020
von 42 Ländern aus, die Mitglied der OECD sind oder zu den BRICS-Staaten
gehören.

Ziel war es, Unterschiede zwischen populistischen und nicht-populistischen
Regierungen herauszufinden (Bayerlein et al.: Populism and COVID-19: How
Populist Governments (Mis)Handle the Pandemic/https://www.ifw-
kiel.de/de/experten/ifw/michael-bayerlein/populism-and-covid-19-how-
populist-governments-mishandle-the-pandemic/
). Insgesamt 13 Regierungen
stuften die Autoren dabei als populistisch ein, darunter die in Polen, der
Slowakei, Tschechien, Ungarn, Großbritannien, Brasilien und Indien.

Laut Studie sterben unter populistischer Führung im Durchschnitt
prozentual deutlich mehr Menschen durch die Corona-Pandemie als in nicht
populistisch geführten Ländern. Die so genannte Übersterblichkeit – also
die Anzahl an Todesfällen oberhalb des Wertes, der auch ohne die Pandemie
zu erwarten gewesen wäre – liegt in nicht populistisch geführten Ländern
bei gut 8 Prozent, in populistisch geführten bei knapp 18 Prozent.

Bei sonst 100 Todesfällen verursacht die Corona-Pandemie also in nicht
populistisch geführten Ländern 8 zusätzliche Tote, in populistisch
geführten Ländern 18 zusätzliche Tote, mehr als doppelt so viele. Im
Durchschnitt aller betrachteten Ländern liegt die Übersterblichkeit bei 10
Prozent – statt sonst 100 Sterbefälle sind durch die Pandemie 110
Sterbefälle zu verzeichnen.

Ursächlich für die deutlich höhere Übersterblichkeit ist die bei
vergleichbaren Infektionszahlen höhere Bewegungsaktivität der Bevölkerung
in populistisch regierten Ländern. Zur Messung nutzen die Autorinnen und
Autoren Mobilitätsdaten von Google, die zeigen, wie stark bestimmte Orte
wie Lebensmittelgeschäfte oder Parks während der Pandemie besucht waren.
Die Daten zeigen, dass der Bewegungsindex in populistischen regierten
Ländern mit einem Wert von 20 doppelt so hoch ist wie der Wert in nicht-
populistisch regierten Ländern mit 10.

Für die höhere Mobilität macht das Autorenteam zwei Gründe aus. Zum einen
erlassen populistische Regierungen weniger Maßnahmen zum Infektionsschutz,
insbesondere zur Kontaktbeschränkung. Zum anderen ist die Kommunikation
populistischer Regierungen darauf ausgelegt, die Gefahren durch das Virus
zu verharmlosen und wissenschaftliche Erkenntnisse zu diskreditieren, was
die Bevölkerung davon abhält, ihre Bewegungsaktivität von sich heraus
einzuschränken.

„Unsere Studie belegt erstmals, dass Populisten bei der Bekämpfung der
Corona-Pandemie schlechte Arbeit leisten, was sich auch direkt in den
Todeszahlen niederschlägt. Die hohe Übersterblichkeit wird getrieben durch
eine zu hohe Mobilität, die wiederum wird hervorgerufen durch fehlende
Beschränkungen und eine Anti-Corona-Propaganda“, so Bayerlein.

„Die einzig gute Nachricht: Der eindeutige Zusammenhang zwischen Mobilität
und Todeszahlen heißt auch, dass sich die Menschen selbst schützen können,
indem sie ihre Kontakte während der Pandemie freiwillig einschränken.“

Zur Studie: Bayerlein et al.: Populism and COVID-19: How Populist
Governments (Mis)Handle the Pandemic/https://www.ifw-
kiel.de/de/experten/ifw/michael-bayerlein/populism-and-covid-19-how-
populist-governments-mishandle-the-pandemic/

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Der Einfluss von Social Media auf die politische Kultur

Letzte Veranstaltung in der Vortragsreihe „Ethik der Digitalisierung“ zu
sozialen Medien in der Demokratie – Vorträge und Diskussion mit Prof.
Dagmar Borchers (Universität Bremen) und Prof. Sven Engesser (TU Dresden)
am 3. Februar ab 18 Uhr online

Im letzten Teil der Vortragsreihe „Ethik der Digitalisierung“ des
Sonderforschungsbereichs (SFB) „Hybrid Societies“ und der Professur
Fachdidaktik Philosophieren mit Kindern (Leitung: Prof. Dr. Minkyung Kim)
der Technischen Universität Chemnitz mit dem Titel „Digitalisierung und
politische Kultur“ stehen Fragen zu Demokratie und politischer Kultur im
Mittelpunkt. Die Veranstaltung findet am 3. Februar 2022 ab 18 Uhr online
statt. Die Zugangsdaten zur Veranstaltung erhalten Interessierte auf
Anfrage per Mail oder über das Online-Kontaktformular

Prof. Dr. Dagmar Borchers von der Universität Bremen zeigt in ihrem Impuls
zum Thema „Das Konzept der Wahrheit in der digitalen Demokratie –
Überlegungen zu einem komplexen Verhältnis“, wie Hannah Arendt in ihrem
berühmten Aufsatz „Wahrheit und Politik“ Entwicklungen vorausgesehen hat,
die insbesondere durch Internet und soziale Medien an Fahrt aufnehmen. Der
Vortrag bezieht eine klare Position für die Unverzichtbarkeit der Wahrheit
als Kategorie und Wertvorstellung für die Entwicklung und Gestaltung einer
digitalisierten Welt.

Im zweiten Vortrag des Abends mit dem Titel „Digitaler Populismus“ von
Prof. Dr. Sven Engesser von der TU Dresden geht es um den Umgang von
Populistinnen und Populisten mit Social Media, die darüber eine direkte
Verbindung zu Wählerinnen und Wählern herstellen können, die nicht länger
durch journalistische Auswahlprozesse begrenzt wird. Der Forscher fragt
sich: Was bedeutet das für die politische Kommunikation? Und: Welche
Risiken entstehen dadurch ganz konkret für unsere Gesellschaft?

Die Reihe ergänzt das Rahmenprogramm der Aktion „Eine Uni, ein Buch –
Chemnitz liest Asimov“. Die Technische Universität Chemnitz hatte sich
2021 erfolgreich um eine Förderung des Programms beworben und setzt in den
Jahren 2021 und 2022 verschiedene Aktionen um den Erzählband „Ich, der
Roboter“ von Isaac Asimov um.

Hintergrund: Ethische Fragen der Digitalisierung im Fokus

Die zunehmende Digitalisierung und insbesondere der Einzug KI-gestützter
Technologien in den verschiedensten Bereichen unseres Lebens verändern
unseren Alltag im Privaten nicht weniger als unser Zusammenleben in der
Öffentlichkeit. Dabei werden an verschiedenen Stellen ethische Fragen
aufgeworfen: Sind bestimmte Technologien begrüßenswert oder bergen sie
unannehmbare Risiken? Welche Regeln müssen für die Verarbeitung von Daten
durch künstlich-intelligente Technologien gelten, wenn sie in bestimmten
und besonders sensiblen Anwendungsbereichen wie etwa dem Gesundheitssystem
eingeführt werden sollen? Welche Rechte von Nutzerinnen und Nutzern müssen
gewahrt werden? Oder umgekehrt: Wie sollten digitale Technologien
entwickelt werden, um ihre Potentiale für eine Verbesserung menschlichen
Lebens zu nutzen?

Digitale Technologien in ihren vielfältigen Facetten

In den bislang drei Teilen der Vortragsreihe wurden ganz unterschiedliche
Bereiche und Formen der Digitalisierung thematisiert. Es ging u. a. um die
Maschine als Gegenüber, der menschliche Eigenschaften zugeschrieben werden
– bis hin zu der Frage, ob Roboter auch Freunde sein können. Ferner
beschäftigten sich die Vorträge mit dem Einfluss zunehmender digitaler
Technologien auf die Eltern-Kind-Beziehung und dem paternalistischen
Potenzial von KI-basierten Health Apps. Ein Vortrag zur Beteiligung von
Bürgerinnen und Bürgern im Rahmen partizipativer Projekte adressierte
unter anderem die Frage, wie Nutzerinnen und Nutzer Einfluss nehmen können
auf die Entwicklung und Beforschung von Technologien.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Tobias Gutmann, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur
Fachdidaktik Philosophieren mit Kindern der TU Chemnitz, E-Mail
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein..de, und Ingmar Rothe, Wissenschaftlicher
Mitarbeiter am Sonderforschungsbereich Hybrid Societies, E-Mail:
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein..de

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KIT-Experte zu aktuellem Thema: Impfpflicht nur für Risikogruppen könnte helfen, die Corona-Pandemie einzudämmen

Heute (Mittwoch, 26. Januar 2022) debattiert der Bundestag über die
Einführung der Impfpflicht in Deutschland. Dabei geht es vor allem um die
Frage, wie weitreichend sie sein soll. Der Deutsche Ethikrat hatte sich in
einer von der Bundesregierung angeforderten „Ad-hoc-Empfehlung“ im
Dezember dafür ausgesprochen, die Impfpflicht über die bereits
beschlossene für Gesundheitsberufe hinaus auszuweiten. Professor Armin
Grunwald, Experte für Technikfolgenabschätzung des KIT, gehört dem Gremium
an.

Heute (Mittwoch, 26. Januar 2022) debattiert der Bundestag über die
Einführung der Impfpflicht in Deutschland. Dabei geht es vor allem um die
Frage, wie weitreichend sie sein soll. Der Deutsche Ethikrat hatte sich in
einer von der Bundesregierung angeforderten „Ad-hoc-Empfehlung“ im
Dezember dafür ausgesprochen, die Impfpflicht über die bereits
beschlossene für Gesundheitsberufe hinaus auszuweiten. Professor Armin
Grunwald, Experte für Technikfolgenabschätzung des KIT, gehört dem Gremium
an.
Eine Impfpflicht – ob allgemein oder eingeschränkt – bedürfe einer starken
Begründung, da sie in die Persönlichkeitsrechte eingreife, so Grunwald,
der das Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse des KIT
und das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag
leitet. Ein Grund sei eine Notlage, die Grunwald mit Blick auf die
Pandemie und die daraus folgende Bedrohung vieler Menschenleben und
wirtschaftlicher Existenzen, der starken Belastung von Kindern und
Jugendlichen sowie der steigenden Ungleichheit in der Gesellschaft auch im
Grundsatz als gegeben sieht.

Entscheidend für die Einführung der Impfpflicht sei das verfolgte Ziel:
„Der in Deutschland bislang einzige Grund, Freiheitsrechte einzugrenzen,
war die Sorge vor einem Zusammenbruch des Gesundheitssystems. Dies sollte
auch das Hauptargument zur Legitimierung der Impfpflicht sein“, so der
Experte.

Zugleich weist Grunwald ausdrücklich darauf hin, dass bei der
Meinungsbildung die jeweils aktuellen Fakten und Entwicklungen
berücksichtigt werden müssen. Dazu zählten neben virologischen und
rechtlichen Aspekten auch die Verpflichtung gegenüber der Gemeinschaft,
der Schutz der Einzelnen, sowie die Praktikabilität bis hin zu möglichen
Sanktionen. „So können beispielweise eine neu auftretende Virusvariante
oder eine plötzlich stark erhöhte Impfbereitschaft in der Bevölkerung das
Ergebnis dieser Abwägungen verändern.“ Für den Experten ist daher eins
klar: „Eine Impfpflicht wäre immer nur auf Zeit zu rechtfertigen.“

Im Ethikrat hat Grunwald sich für eine bedingte Impfpflicht ausgesprochen,
die für Risikogruppen, wie die über 60-Jährigen, gilt. „Denn bei dieser
Gruppe ist die Wahrscheinlichkeit, wegen einer Corona-Infektion ins
Krankenhaus oder sogar auf die Intensivstation zu müssen, besonders hoch.“
In Deutschland seien immer noch drei Millionen Menschen aus dieser Gruppe
nicht geimpft. Dadurch drohe in jeder Infektionswelle eine Überlastung des
Gesundheitssystems. „Wenn die Impfquote in dieser Gruppe deutlich
ansteigt, steigt auch die Chance auf ein absehbares Ende der Pandemie –
ohne dafür alle Menschen ab 18 Jahren zu einer Impfung zu verpflichten.
Das wäre ein angemessener Weg“, so Grunwald.

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Statement: Politik, Wirtschaft und Gesellschaft soll Wissen zum Klimaschutz nutzen

10 Punkte-Plan für die Umsetzung von Klima- und Ressourcenschutz in
Ballungsräumen

Im Bewusstsein der Verantwortung für kommende Generationen und vom
Forschergeist getrieben, fordern die Wissenschaftler/-innen des
Frankfurter Forschungsinstituts für Architektur, Bauingenieurwesen,
Geomatik (FFin) die Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auf, das Wissen
zum Klimaschutz zu nutzen. Weil Klimaschutz zum zentralen Handlungsfeld
geworden ist, hat das FFin der Frankfurt University of Applied Sciences
(Frankfurt UAS) einen Maßnahmenkatalog erstellt. Der „Frankfurter 10
-Punkte-Plan für die Umsetzung von Klima- und Ressourcenschutz in
Ballungsräumen“ umfasst Stadt-entwicklung, Kreislaufwirtschaft,
Gebäudesanierung, Energieplus-Standard bei Neubauquartieren,
Energieerzeugung, Strom- und Wärmespeicher, Nachhaltige Mobilität, Smart
City sowie Bio-Ökonomie.

Stellvertretend für das FFin nehmen Prof. Dr. Martina Klärle, Professorin
für Landmanagement mit dem Forschungsschwerpunkt Erneuerbare Energien und
Vizepräsidentin für Forschung, Weiterbildung und Transfer der Frankfurt
UAS, und Prof. Dr. Hans Jürgen Schmitz, Professor für technische
Gebäudeausrüstung, Stellung zum 10-Punkte-Plan. „Der Plan steht
exemplarisch für die dringende Notwendigkeit, unseren Umgang mit
begrenzten Ressourcen in eine nachhaltige Urbanität zu transformieren. Er
ist für europäische Ballungsräume erstellt und orientiert sich an
Frankfurt/Rhein-Main“, so Klärle. „Eine nachhaltige Entwicklung muss die
Lebensgrundlage der Menschheit sichern und Lebensqualität im Rahmen der
ökologischen Grenzen der Erde gestalten. Die Würde des Menschen und dessen
Überleben sowie die soziale Gerechtigkeit dieser und kommender
Generationen stehen stets im Mittelpunkt“, ergänzt Schmitz. Dafür sei eine
Veränderung von Lebensgewohnheiten in allen Bereichen unerlässlich.
Menschen müssten sensibilisiert und aktiviert werden, Verantwortung für
den persönlichen ökologischen Fußabdruck zu übernehmen und Gewohnheiten zu
ändern. Individuelle Ansprüche müssen sich langfristigen,
gemeinwohlorientierten Zielen unterordnen.

Um bei der Siedlungs- und Verkehrsflächenentwicklung den
Ressourcenverbrauch für zukünftige Infrastrukturen zu minimieren, ist der
Innenentwicklung Vorrang vor der Außenentwicklung zu gewähren.
Außenentwicklung ist auf maximal 0,5 Prozent der bebauten Fläche pro Jahr
zu reduzieren. Abzuwägen ist zwischen dem dringend benötigten Wohnraum in
Städten und dem Flächenverbrauch. „Mit kompakten Stadtstrukturen, einer
verträglichen Dichte und attraktiven öffentlichen Räumen kann eine
bauliche, funktionale und soziale Vielfalt mit kurzen Wegen sichergestellt
werden“, betont Klärle. „Eine Effizienzsteigerung allein reicht nicht,
sondern muss mit erheblicher Reduzierung des Bedarfs einhergehen. Da das
Konsumverhalten die Unternehmen beeinflusst, muss den Verbrauchern die
gemeinsame Verantwortung des Tuns und Lassens vor Augen geführt werden“,
so Schmitz. Eine Kreislaufwirtschaft sei für alle genutzten Ressourcen
einzuführen. „Es müssen Anreize geschaffen werden, ressourcenintensive
Prozesse und Produkte durch nachhaltige zu ersetzen. Ein
ressourcensparender Bau und Betrieb von Gebäuden muss durch Förderungen
begünstigt werden“, betont Schmitz. Da bei Industrie, Gewerbe und Verkehr
der Energieverbrauch um ein Vielfaches höher ist als bei privaten
Haushalten, liege hier das höchste Einsparpotenzial. Konzepte zur
Reduzierung des fossilen Energieverbrauchs müssen hier umgesetzt und
vorhandene Technologien konsequent genutzt werden. Für Stadtquartiere und
öffentliche Gebäude sind ganzheitliche Konzepte zur Energiegewinnung und
-einsparung zu entwickeln. Das FFin fordert den massiven Ausbau der
Energieversorgung mit Erneuerbaren Energien in Bestandsquartieren. „Die
Energetische Gebäudesanierung ist auf fünf Prozent pro Jahr anzuheben“, so
Schmitz.

In Ballungsräumen entstehen weiterhin viele Neubauten. „Diese können durch
gute Dämmung, technisch intelligente Gebäudeenergiesysteme, energieaktive
Gebäudehüllen und gebäudeintegrierte Anlagen ohne überzogenen technischen
Aufwand mehr Energie erzeugen als sie benötigen“, erklärt Klärle. Bei der
Energiebilanz der Plusenergiegebäude kann so auch die Energie kompensiert
werden, die für die Erstellung benötigt wurde. Deshalb sollten Neubauten
in netzdienliche Quartierslösungen eingebunden und alle Neubauten im
Energie-Plus-Standard erstellt werden. Auch in Ballungsräumen müsse die
Energieversorgung auf 100 Prozent Erneuerbare Energien umgestellt werden.
Sie besäßen Potenzial insbesondere zur Produktion von Solarenergie.
Dennoch könnten sich Ballungsräume aufgrund des hohen Energiebedarfs nur
mit großem Aufwand selbst mit Erneuerbaren Energien versorgen. Deshalb
müsse in Kooperation mit den Umlandgemeinden ein regional abgestimmter
Energieleitplan erstellt werden. „Das Umland muss als Energieproduzent der
Ballungsräume fungieren und darüber hinaus die regionale Wertschöpfung
sicherstellen. Standortanalysen bilden dafür die Entscheidungsgrundlage“,
so Klärle. Speicher sind eine der Schlüsseltechnologien für den Ausbau
Erneuerbarer Energien. „Es müssen genügend Speicherkapazitäten an den
richtigen Kopplungspunkten bereitgestellt werden. In den Ballungsräumen
müssen Wärme- und Stromspeicher über ein intelligentes Lastenmanagement in
die vorhandenen Netze integriert werden“, so Schmitz. In naher Zukunft
werde auch der Bedarf an Kältespeichern während der heißen Jahreszeiten
steigen. Strom- und Wärmenetze müssen Bestandteil der Quartiersentwicklung
werden. Für den Ballungsraum sind zwei Prozent des Wärme- und Strombedarfs
als Speicherkapazität bereit zu stellen und intelligent zu vernetzen,
fordert Schmitz.

„Lebenswerte Ballungsräume brauchen Nachhaltige Mobilität. Auch im
Verkehrssektor muss sich von klimaschädlichen fossilen Energieträgern
verabschiedet und auf emissionsfreie Antriebskonzepte gesetzt werden“,
betont Klärle. Notwendig ist eine Verhaltensänderung in der Bevölkerung,
zu Lasten des noch vorherrschenden motorisierten Individualverkehrs. Zu
stärken sind Angebote für Fußgänger/-innen, Radfahrer/-innen, öffentliche
Verkehrsmittel sowie Sharing-Angebote. „Ein 100 Prozent emissionsfreies
Mobilitätskonzept mit jährlich drei Prozent weniger Autoverkehr ist zu
erarbeiten“, so Klärle.

Die teilweise widersprüchlichen Bedarfe gilt es, untereinander gerecht
abzuwägen. Durch Digitalisierung werden Energieströme zwischen Produktion
und Bedarf optimiert, was in der Energiebilanz trotz hohem Strombedarf der
Digitalisierung zu einer deutlichen Einsparung führe. Um maximale
Einsparmöglichkeiten zu erkennen, sind alle Verbrauchs- und
Produktionsdaten gebäudescharf zu erfassen und zu analysieren.
Flächendeckend seien intelligente Stromzähler zur Steuerung der
Energieströme einzuführen. „Ökonomie und eine gerechte Gesellschaft
funktionieren nur auf der Basis einer stabilen Ökologie, deshalb muss
Wachstum im Sinne einer Kreislaufwirtschaft neu verstanden werden. Nach
dem Verursacherprinzip sind alle Kosten, auch die aus Endlagerung und
Klimaschäden, zu benennen. Ein sozial gerechtes Preismodell ist zu
entwickeln, in dem alle Kosten sowie Einnahmen berücksichtigt werden“,
fordern Klärle und Schmitz.

Zur Person Martina Klärle
Prof. Dr. Martina Klärle ist seit 2019 Vizepräsidentin für Forschung,
Weiterbildung und Transfer an der Frankfurt UAS. Die Professorin für
Landmanagement mit dem Forschungsschwerpunkt Erneuerbare Energien lehrt
seit 2007 an der Hochschule. Zuvor hatte sie eine Reihe von Unternehmen
gegründet. Von 2016 bis 2019 war sie vom hessischen Wirtschaftsministerium
mit der Geschäftsführung der Hessischen Landgesellschaft mbH (HLG)
betraut. Sie ist Mitbegründerin des Frankfurter Forschungsinstituts
Architektur, Bauingenieurwesen, Geomatik (FFin) und des Center for Applied
European Studies (CAES).

Zur Person Hans Jürgen Schmitz
Prof. Dr. Hans Jürgen Schmitz ist seit 2010 Professor für technische
Gebäudeausrüstung an der Frankfurt UAS. Zuvor war er als Energieberater
tätig. Seit 2012 ist er stellvertretender Direktor des FFin. Er ist
Mitglied im hochschuleigenen Forschungslabor Baukultur und Siedlungsbau
der Nachkriegsmoderne und forscht in der Fachgruppe Kommunalpolitik als
eGaming.

Informationen zum Frankfurter Forschungsinstitut für Architektur,
Bauingenieurwesen und Geomatik (FFin) unter: <www.frankfurt-
university.de/ffin>. Der 10-Punkte-Plan ist hier öffentlich zugänglich:
<https://www.frankfurt-
university.de/fileadmin/standard/Hochschule/Fachbereich_1/FFin/Bilder
/FFin_FRA-UAS_10_Punkte_Plan.pdf
>.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Frankfurt University of Applied Sciences, Hochschulleitung,
Vizepräsidentin, Prof. Dr. Martina Klärle, Telefon: +49 69 1533-2418,
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.; Fachbereich 1: Architektur • Bauingenieurwesen
• Geomatik, Prof. Dr. Hans Jürgen Schmitz, Telefon: +49 69 1533-2766,
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.as.de

Originalpublikation:
https://www.frankfurt-
university.de/fileadmin/standard/Hochschule/Fachbereich_1/FFin/Bilder
/FFin_FRA-UAS_10_Punkte_Plan.pdf

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