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Politik

Brexit: Die EU sollte sich nun bewegen

Die EU sollte nicht riskieren, dass der Streit über den sogenannten
Backstop für die Grenzregelung in Irland einen No-deal-Brexit verursacht,
der für alle Seiten große Schäden brächte. Deshalb sollte Brüssel jetzt
einen Kompromiss vorschlagen, der den Briten ein Kündigungsrecht für den
Backstop einräumt, argumentieren die IfW-Forscher Gabriel Felbermayr und
Ulrich Stolzenburg in einem neuen „Kiel Focus (https://www.ifw-
kiel.de/index.php?id=13148&L=1)“. Damit würde die Klippe eines chaotischen
„No-deal-Brexit“ für lange Zeit und womöglich dauerhaft umschifft. Für
eine Übergangsphase könnte die EU einen Zollverein mit den Briten
vereinbaren.

„Der Brexit-Prozess war von Anfang an falsch aufgesetzt, weil er die
Einigung über ein Austrittsabkommen vor die Regelung der künftigen
Beziehungen gesetzt hat. Inzwischen hat sich gezeigt, dass beide Themen zu
eng verwoben sind, um sie getrennt zu verhandeln“, so Gabriel Felbermayr,
Präsident des IfW Kiel. Die EU solle sich jetzt auf die Briten zu bewegen,
um einen No-deal-Brexit zu verhindern.

„Würde die EU dem Vereinigten Königreich ein einseitiges Kündigungsrecht
für den Backstop mit einer Kündigungsfrist von zwei Jahren einräumen,
könnte sie der Regierungsmehrheit im britischen Parlament eine Zustimmung
zum Austrittsabkommen deutlich erleichtern“, so Ulrich Stolzenburg,
Forscher im Prognosezentrum des IfW Kiel. Damit wäre eine unerwünschte
Zollgrenze in Irland mindestens bis zum Jahr 2023 ausgeschlossen. Das
Vereinigte Königreich verbliebe zunächst bis Ende des Jahres 2020 im
Europäischen Binnenmarkt. Falls sich bis dahin keine Lösung für die
Ausgestaltung der zukünftigen wirtschaftlichen Beziehungen mit der EU
herausbilden sollte, blieben die Briten in der Zollunion bis eine
einvernehmliche Lösung für ein neues Arrangement gefunden wäre.

Eine unilaterale Kündigung des Backstop mit der Folge eines späteren
Verlassens der Zollunion – und damit die Wiederauflage der ungelösten
irischen Grenzfrage – wären zwar immer noch möglich, aber es wäre dann
nicht mehr eine Klippe, auf die das Vereinigte Königreich derzeit quasi
unaufhaltsam als automatisches Ereignis zusteuert. „Damit würde die EU dem
austretenden Staat lediglich die Souveränität zugestehen, die
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für das komplette eigene Staatsgebiet
selbst festlegen zu können und nicht auf die Zustimmung der EU angewiesen
zu sein“, so Stolzenburg.

„Würde die EU dem austretenden Staat gegenüber statt einer harten Haltung
ein einigermaßen kooperatives Verhalten zeigen, würde das Vereinigte
Königreich mit hoher Wahrscheinlichkeit niemals einseitig den Backstop
aufkündigen“, argumentiert Felbermayr. Für die Übergangsphase könne die EU
die Bildung eines Zollvereins vorschlagen, der den Briten Mitsprachrechte
in der Handelspolitik gäbe. Oder die EU schlüge eine Vereinbarung nach dem
Modell vor, wie sie mit Kanada oder der Ukraine besteht, die eine weniger
enge Anbindung an die EU bedeuten würde, aber sicher besser als ein „No-
deal“ wäre.

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Gefährliche Eskalation des US-chinesischen Konflikts

Statement zu den jüngsten Entwicklungen am Devisenmarkt und den Reaktionen
der US-Regierung

Dr. Klaus-Jürgen Gern, Experte für globale Wirtschaftsentwicklungen,
Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW Kiel):

„Die aktuelle Yuan-Abwertung und die Bezeichnung von China als
‚Währungsmanipulator‘ durch die US-Regierung sind eine gefährliche
Eskalation des US-chinesischen Handelskonflikts. Diese Schritte deuten
darauf hin, dass erst einmal keine der beiden Seiten bereit ist, klein
beizugeben. Es ist vielmehr damit zu rechnen, dass die Spannungen anhalten
und sich möglicherweise noch verschärfen. Gleichzeitig mit dem Schritt,
eine Abwertung des Renmimbi gegenüber dem Dollar über die Schwelle von 7
RMB/$ zuzulassen, hat die chinesische Regierung offenbar den Import von
US-Agrarprodukten gestoppt, was die US-Landwirte empfindlich treffen
würde, wenn es Bestand hätte.

Zumindest was den Einsatz von Zöllen im Handelskrieg angeht, sitzen die
USA am längeren Hebel. Die US-Regierung dürfte weitere Zollanhebungen in
Betracht ziehen, um die chinesische Wirtschaft zu schwächen. Allerdings
wäre diese Politik mit immer größeren Kosten auch für die US-Wirtschaft
verbunden. Die Preise für Waren aus China für US-Konsumenten und
Unternehmen steigen, ebenso die Kosten für Unternehmen, die chinesische
Importe als Vorprodukte benutzen oder die Endfertigung nach China
ausgelagert haben. Auch die chinesische Regierung riskiert, die heimische
Wirtschaft zu belasten, sollte der Stopp von US-Agrareinfuhren nicht
vollständig durch andere Importe vom Weltmarkt ausgeglichen werden können
und es in China in der Folge zu Angebotsengpässen und Preisanstiegen bei
Nahrungsmitteln und Futtermitteln kommt.

Die Unsicherheit über den Fortgang des Konflikts belastet die weltweiten
Konjunkturaussichten und damit auch die internationalen Börsen. Die
ohnehin bereits geschwächte deutsche Konjunktur wird zusätzlich gedämpft.
Die gedrückte Stimmung in der Industrie beginnt inzwischen auf andere
Wirtschaftsbereiche auszustrahlen und zeigt auch schon erste Spuren am
Arbeitsmarkt. Demgegenüber sind positive Wirkungen nachrangig, die sich
insbesondere für Konsumenten als Folge sinkender Importpreise chinesischer
Güter ergeben könnten.“

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Soziale Spaltung durch wachsende Armutsgefährdung

Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen, dass die regionalen Armutsgefährdungsquoten weiter steigen. Der BDH Bundesverband Rehabilitation e.V. fordert Korrekturen in der Sozialpolitik und bessere Unterstützung für Alleinerziehende und Rentner. Dazu erklärt die Vorsitzende des Sozialverbands, Ilse Müller:

„Wir dürfen die Augen vor der Tatsache nicht verschließen, dass unsere Gesellschaft wirtschaftlich auseinanderdriftet. Die steigenden Armutsgefährdungsquoten belegen dies eindeutig. Und diese sozial gefährliche Entwicklung ist ungebrochen. Vor allem Alleinerziehende und Senioren tragen ein wachsendes Armutsrisiko. Wirksame Sozialpolitik muss soziale Verwerfungen identifizieren und begradigen. Wir plädieren dafür, den Mindestlohn auf 12 Euro anzuheben und an die Preis- und Lohnentwicklung zu koppeln. Das wäre für viele Menschen eine unmittelbare Unterstützung. Im Bereich der Rentenpolitik droht die Diskussion um die Einführung einer Grundrente erneut zu versanden, was angesichts des sinkenden Rentenniveaus für eine wachsende Zahl von Senioren und angehenden Rentnern ein Grund zu Beunruhigung sein dürfte. Auch mit Blick auf den boomenden Niedriglohnsektor müssen wir klar sagen: Die Rente ist nicht mehr armutsfest und es ist höchste Zeit gegenzusteuern!“ 

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Stiftung Kindergesundheit: Kinderrechte gehören ins Grundgesetz!

30 Jahre UN-Charta für Kinderrechte auf Gesundheit und Bildung:
Kinderärzte beklagen Mängel in der Umsetzung in Deutschland

„Unser Grundgesetz kennt keine Kinder. Es schützt zwar seit 2002 auch
Tiere und Natur, Kindern bleibt aber dieser besondere Schutz verwehrt.
Ihre Rechte sind im Grundgesetz nicht verankert und auch nicht einklagbar.
Das muss anders werden!“ Klingt vertraut? Nicht ohne Grund: Mit dieser
Forderung eröffnete Professor Dr. Berthold Koletzko vor fünf Jahren eine
Tagung der Stiftung Kindergesundheit über die UN-Charta für Kinderrechte
auf Gesundheit und Bildung. Was hat der Weckruf seither bewirkt? Die
Antwort fällt enttäuschend aus, bedauert die Stiftung Kindergesundheit in
einer aktuellen Stellungnahme: Die Interessen der Kinder und Jugendlichen
spielen in Deutschland noch immer eine Nebenrolle.

Die Umsetzung der Kinderrechtskonvention in Deutschland ist bis heute
Stückwerk geblieben, kritisiert der Münchner Kinder- und Jugendarzt und
Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit Professor Koletzko: „Kinder und
Jugendliche unter 18 Jahren stellen zwar mehr als 13 Prozent unserer
Bevölkerung, aber im politischen Alltag werden sie nach wie vor oft
übersehen. Bei Entscheidungen im öffentlichen Leben sowie in Politik,
Justiz und Verwaltung werden ihre Stimmen kaum gehört“.

Die UN-Kinderrechtskonvention wurde am 29. November 1989 verabschiedet und
im Laufe der folgenden Jahre von allen Nationen der Erde, mit Ausnahme der
USA, ratifiziert. Nach der Konvention hat jedes Kind

O das Recht auf freie Meinungsäußerung,

O einen Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit,

O ein Recht auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit,

O ein Recht auf Bildung sowie

O ein Recht auf Ruhe, Freizeit und Spiel.

Vorrang für das Wohl des Kindes

Die Konvention legt fest, dass Kinder ein Recht auf das „erreichbare
Höchstmaß an Gesundheit“, sowie auf Inanspruchnahme von Einrichtungen zur
Behandlung von Krankheiten und zur Wiederherstellung der Gesundheit haben.
Ihre wichtigste Forderung lautet, dass bei allen Maßnahmen, die Kinder
betreffen, das Wohl des Kindes vorrangig zu berücksichtigen ist.

In den Verfassungen vieler anderer europäischer Staaten, aber auch in den
meisten Landesverfassungen der deutschen Bundesländer sind die Rechte von
Kindern bereits festgeschrieben. Auch im aktuellen Koalitionsvertrag von
CDU, CSU und SPD ist die ausdrückliche Verankerung von Kinderrechten im
Grundgesetz mit einem Kindergrundrecht ein wichtiges Vorhaben. Über die
entsprechende Änderung des Grundgesetzes berät eine Bund-Länder-
Arbeitsgemeinschaft, die am 06. Juni 2018 das erste Mal getagt hat. Sie
will, so die bisherige Planung, spätestens bis Ende 2019 eine Formulierung
vorlegen.

Mängel, Versäumnisse und ökonomische Zwänge

Auch 30 Jahre nach Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention gibt es
auch in Deutschland noch Mängel und Versäumnisse in der Umsetzung ihrer
fundamentalen Prinzipien, unterstreicht die Stiftung Kindergesundheit:

O Deutschland gibt nur 5,3 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für
Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen, z. B. Kindertagesstätten,
Schulen und Universitäten aus und liegt damit unter dem OECD-Durchschnitt,
der bei 6,3 Prozent liegt.

O Immer noch sind im reichen Deutschland zu viele Kinder und Jugendliche
von Armut und von dadurch bedingten schlechteren Gesundheits- und
Bildungschancen betroffen. Kinder in schwieriger sozialer Lage haben
häufiger Bewegungsmangel und Übergewicht, leiden unter
Entwicklungsstörungen, weisen häufiger Depressionen, ADHS,
psychosomatische Beschwerden und Suchtprobleme auf und sind öfter durch
Unfälle und von Karies betroffen. Somit erweist sich Armut als das größte
Gesundheitsrisiko für Kinder in Deutschland.

O Besonders erschwert wird die Umsetzung von Kinderrechten im
medizinischen Alltag durch finanzielle Zwänge in den Kliniken und Praxen.
Professor Berthold Koletzko: „Die Ökonomisierung des Gesundheitswesens
schlägt immer mehr auch auf die Kinderheilkunde durch. Die Behandlung von
Kindern kostet erheblich mehr als die von anderen Patientengruppen, wird
aber durch das Fallpauschalen-System nicht hinreichend ausgeglichen. Die
Unterfinanzierung der Kinder- und Jugendmedizin hat bereits zu einem
dramatischen Rückgang der Kinderabteilungen in Deutschland geführt.
Dadurch hat der Ansturm auf die verbliebenen stationären Einrichtungen und
insbesondere die universitären Kinderkliniken zugenommen. Diese können
aber dem Bedarf aufgrund der chronischen Unterfinanzierung nicht gerecht
werden. Dies führt zu einer unerträglichen Verschlechterung in der
medizinischen Versorgung und zu unnötigem Leiden für die Kinder“.

Kinder- und Jugendärzte verstehen sich seit je als Interessenvertreter
ihrer kleinen Patienten, erinnert Professor Koletzko. Die Deutsche
Akademie für Kinder- und Jugendmedizin DAKJ, die Dachorganisation der
kinderärztlichen Fachverbände, hat deshalb bereits 2015 eine Petition für
die Einsetzung eines „Kinder- und Jugendbeauftragten beim Deutschen
Bundestag“ gestartet. Bundesweit hatten sich der Petition mehr als 116.000
Unterstützer angeschlossen, mit einer der höchsten Unterstützerzahlen, die
jemals von einer Petition beim Deutschen Bundestag erreicht wurde.

Der Erfolg: Viel Lob, aber formelle Ablehnung

Trotz der beeindruckenden Zahl der Unterstützer wurde die Petition der
DAKJ vom Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unter Verweis
auf bereits bestehende parlamentarische und administrative Gremien und
deren Zuständigkeiten formell abgelehnt. Der Ausschuss begrüßte jedoch
ausdrücklich das Anliegen der Petition, die Rechte von Kindern und
Jugendlichen zu stärken. Nach Beratung hat sich der Deutsche Bundestag der
Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses angeschlossen und unter
Hinweis auf die grundsätzliche Wichtigkeit der mit der Petition
verbundenen Thematik beschlossen, die Petition den Fraktionen des
Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben.

Anlässlich des 70. Jahrestages der Verkündigung des Grundgesetzes haben
die kinderärztlichen Verbände ihre Forderung nach Kinderrechten erneuert:
„Es ist geboten, die in den letzten Jahrzehnten erfolgte Rechtsentwicklung
in Bezug auf Kinderrechte auch im Text des Grundgesetzes nachzuvollziehen
und Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Das wäre nicht zuletzt auch
für eine weitere kinderfreundliche Entwicklung der Rechtsprechung von
großer Bedeutung“, heißt es in der Stellungnahme der DAKJ vom Mai 2019.

Die Akademie der Kinderärzte unterstreicht: „Bei der Diskussion um eine
verfassungsrechtliche Verankerung der Kinderrechte geht es nicht um
Symbolik, sondern um elementare Ansprüche wie beispielsweise den Vorrang
des Kindeswohls bei allen das Kind betreffenden Entscheidungen, das Recht
auf freie Entwicklung, Entfaltung, Förderung und Bildung, das Recht auf
Beteiligung sowie die Verpflichtung des Staates, Chancengerechtigkeit und
kindgerechte Lebensbedingungen zu gewährleisten“.

Professor Berthold Koletzko: „Die bestehenden Gesetze haben im Bezug auf
Kinder und Jugendliche oft erhebliche Defizite, sind nicht immer klar
formuliert und benötigen Veränderungen im Sinne des Kindeswohls. Die
Stiftung Kindergesundheit schließt sich deshalb der Stellungnahme der DAKJ
an und unterstützt nachhaltig die in den Koalitionsvertrag aufgenommene
Forderung nach einer ausdrücklichen Verankerung der Kinderrechte im
Grundgesetz“.

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