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Lifestyle

SWR Symphonieorchester Teodor Currentzis, Leitung KKL Luzern, 26. Mai 2023, besucht von Léonard Wüst

SWR Symphonieorchester
SWR Symphonieorchester

Besetzung und Programm:
SWR Symphonieorchester
Teodor Currentzis  Leitung
R. Wagner * Lorin Maazel (Bearbeitung Lorin Maazel)
«Der Ring ohne Worte». Ein orchestrales Abenteuer
Das Rheingold, Die Walküre, Siegfried, Götterdämmerung

Teodor Currentzis dirigierte das SWR-Symphonieorchester, auf dem Programm standen sinfonische Opernparaphrasen von Richard Wagner, nämlich Lorin Maazels
Der Ring ohne Worte: Diese paar Fakten reichen aus, um den Ausnahmerang des Konzertes zu verdeutlichen. Wagner selbst sah sich selbst als legitimen Nachfolger Beethovens und so liegt es nahe, Wagners Musik einmal rein sinfonisch aufzufassen. Currentzis liebt solche historischen Verweise und macht sein ganz eigenes Ding daraus, wie man das vom genialen Griechen gewohnt ist.

Keine Symphonien des Musikgenies Richard Wagner?

Theodor Currentzis Dirigent
Theodor Currentzis Dirigent

Bereits Wagners Zeitgenossen beklagten, dass dieser große Musikdramatiker keine Symphonien komponiert hat und somit den nicht an Opernhäusern beschäftigen Dirigenten und Orchestern nur eine sehr schmale Auswahl an Vorspielen und Ouvertüren zu ihrer musikalischen Verfügung hinterliess. Lorin Maazel, selbst Dirigent, hat diesem Desiderat einst mit seinem Arrangement Ring ohne Worte abgeholfen, einer gut auf einer CD unterzubringenden Kompilation der vier großen Musikdramen Wagners, die in dieser Fassung im Grunde wirken wie eine lange, vielgestaltige Symphonie: eine schöne Sache für Wagnerianer, die gerade keine 16 Stunden Zeit haben, um einmal wieder (fast) alle Motive zu hören; eine feine Einführung für Einsteiger ins Wagner-Universum. Und Maazel hat hier tatsächlich ausschließlich Musik von Wagner verbaut, da er sich u.a.selbst auferlegt hatte, keine einzige Note dazu zu komponieren.

Die Musiker*innen des zahlenmässig  äusserst grossen Orchesters ca. 100 Mitwirkende auf der Konzertbühne, darunter allein vier Harfen und neun Kontrabässe, waren, wie bei Teodor Currentzis üblich und wie man es schon bei seinem Projekt «musicAeterna Orchestra» immer wieder sehen konnte, alle ganz schwarz gekleidet.

«Das Rheingold»

Dirigent Theodor Currentzis zeigt wos lang geht
Dirigent Theodor Currentzis zeigt wos lang geht

Mit Rheingold war der Start ins Abenteuer für Wagnersche Verhältnisse fast sanft, trotzdem düster mystisch, ein Genre, das Currentzis natürlich mit allen Facetten auslotete, wobei hier das ausloten am richtigen Ort steht, lotet man den Rhein ja noch immer aus, manchmal gar bei der Suche nach dem legendären Gold. So lässt er akustisch die Rheintöchter Floßhilde, Wellgunde und Woglinde auftreten. Diese naiven Naturwesen, die einen zauberhaften Schatz besitzen und in der Tiefe des Flusses hüten – das Rheingold.

Der Ausführenden Galopp durch den Konzertsaal

Dirigent Theodor Currentzis kommuniziert mit seinem Orchester sehr intensiv und persönlich.
Dirigent Theodor Currentzis kommuniziert mit seinem Orchester sehr intensiv und persönlich.

Wie Currentzis bei der «Walküre» mit seinem Orchester die Dramatik kontinuierlich aufbaute, schon der Tremolo-Auftakt zu Beginn hatte mehr Feuer als das gesamte vorherige «Rheingold». Danach legt er über die gesamte Strecke ein Tempo vor, das es in sich hatte. Da gelingen tolle Akzente und Farben zwischen den Instrumentengruppen frei nach dem Motto: gleich weiter. Und wie die Musiker*innen dann durch den Konzertsaal brausten, schlicht Extraklasse, da wurden Erinnerungen wach an: Kampfhubschrauber nähern sich einem vietnamesischen Dorf, aus ihren Lautsprechern dröhnt Richard Wagners “Walkürenritt”. Im Zusammenspiel mit den wahnsinnig anmutenden Bildern entfaltet die Musik eine bedrohliche Stimmung in Francis Ford Coppolas Antikriegsfilm “Apocalypse Now” (1979) und hat so den Ritt der Walküren zum populären Hit unter den Wagner-Kompositionen gemacht. https://youtu.be/hn37QfXw1-E?t=5  Das Auditorium fasziniert und weg vom musikalisch Gebotenen, aber auch vom Charisma und der Aura die dieser unglaubliche Spielleiter verbreitet und wie er seine Mistreiter*innen motovieren und mitreissen kann.

«Siegfried»

Etwas ruhiger gings dann weiter, alle im Saal noch irgendwie atemlos, aber nicht durch die Nacht wie bei Helene Fischer, sondern durch den Ring des Nibelungen bei Wagner und Currentzis.Die sehr hohen Tempi behält er zwar bei, aber er setzt sie gezielter ein, bündelt die Kräfte und gibt sie mit breiter Klangfarbenpalette, aber weniger Lautstärke, wieder. Bleibt das, vorläufige, Happy End: Mit Siegfried ist ein neuer Held ist geboren: Der furchtlose Siegfried fügt das zerstörte Schwert “Nothung” zusammen und erlegt den Drachen Fafner. So kommt er in Besitz des Nibelungen-Rings und gewinnt zudem Brünnhilde

Die finale «Götterdämmerung»

Dirigent Theodor Currentzis formt die Musik auch gestenreich
Dirigent Theodor Currentzis formt die Musik auch gestenreich

Wagner zitiert in der „Götterdämmerung“ viele Motive aus den andern drei Ringopern und fügt so alles zu einem schlüssigen Ganzen, eben einem Ring, wie es hier auch der Dirigent mit grossen Gesten und viel Körpereinsatz, meist in leicht gebückter Haltung, perfekt vollbrachte. Der fast unendlich scheinende dramaturgische Aufbau bis zum finalen Finale führt über viele lautstärkemässige Steigerungen, etliche abrupte tonale Schritte ins Nichts, Wiederaufbau der Spannung inklusive kurzer Solosequenzen einzelner Stimmen oder Register, Currentzis schält sämtliche Feinheiten der Partitur heraus, feilt an Nuancen, lässt uns, auch visuell an seiner Vorgehensweise teilhaben, bindet so das Publikum noch weiter als üblich ein, lässt uns fast vor Spannung platzen und schlussendlich dämmert es nicht nur den Göttern, dass Wagner uns da vorführt indem er die fast unerträgliche Spannung in einem fade out auflöst, also nichts mit finalem Donner und Getöse. Das wissen natürlich die Wagnerianer und den andern wurde es meisterlich vor Augen, respektive vor Ohren geführt.

Fazit

Einmal mehr ein hochklassiges Konzert in der Konzertreihe des https://www.migros-kulturprozent-classics.ch/

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos:  Léonard Wüst und https://www.migros-kulturprozent-classics.ch

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Die Musikerinnen geniessen die Standing Ovation

Teodor Currentzis, Leitung

Dirigent Teodor Currentzis und die Musikerinnen geniessen die Standing Ovation

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Finale for Four Igor Levit | Fred Hersch | Johanna Summer | Mert Yalniz, KKL Luzern, 21.5.23, besucht von Léonard Wüst

Johanna Summer und Igor Levit lösen sich ab bei den Waldszenen Foto Priska Ketterer
Johanna Summer und Igor Levit lösen sich ab bei den Waldszenen Foto Priska Ketterer

Besetzung und Programm
Igor Levit Piano
Fred Hersch Piano
Johanna Summer Piano
Mert Yalniz Piano
Schumann | Beethoven | Improvisationen

Ankündigung der Lucerne Festivals

Igor Levit Weltklasse am Klavier
Igor Levit Weltklasse am Klavier

Igor Levit und sein Meisterschüler Mert Yalniz spielen klassische Werke, darunter Robert Schumanns Waldszenen und Ludwig van Beethovens Sonata Appassionata. Johanna Summer und Fred Hersch antworten darauf mit Improvisationen. Am Ende musizieren sie gemeinsam: Lassen Sie sich überraschen!

Igor Levit interpretierte Schumanns hochromantische «Waldszenen»

Johanna Summer Foto  Gregor Hohenberg
Johanna Summer Foto Gregor Hohenberg

Ihm gegenüber nahm die, 1995 in Plauen als Johanna Summerer geborene, mehrmalige Preisträgerin beim Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ und „Jugend jazzt“, Platz.

Sie übernahm jeweils, nach einer kurzen Pause, wenn Levit eine der Szenen fertig gespielt hatte und improvisierte über diese, wobei sie der traditionellen Improvisation treu blieb, also nicht etwa verswingte im Sinne von verjazzte, was eher zu erwarten war.

Mert Yalniz zelebriert Beethovens «Sonata Appassionata»

Mert Yalniz intonierrt Beethoven Foto Priska Ketterer
Mert Yalniz intonierrt Beethoven Foto Priska Ketterer

Der kraushaarige Mert Yalniz, 2003 in Niedersachsen geboren, ist ein Meisterschüler Igor Levits und absolviert gerade dessen Klavierklasse an der Musikhochschule Hannover, aber er komponiert auch. An den Flügel gegenüber setzte sich  Fred Hersch, der mit seinem Jazz Trio zwei Tage vorher eine Night Session, im Rahmen des Klavier Festes, im Konzertsaal spielte.

Die «Appassionata»

Fred Hersch Avantgarde am Klavier
Fred Hersch Avantgarde am Klavier

“Leidenschaftlich-düster”, dieses Prädikat erhält die Sonate oft in den Konzertführern. Darüber mag man streiten. Nicht aber über das unbändige Temperament, das sie verströmt.

Ein Temperament, gepaart mit klarer Pointierung und  kraftvoll gesetzten Harmonien,  Yalniz demonstrierte Werkstreue und überliess andere Interpretationen seinem gegenüber Fred Hersch, der sich, so kam es mir aber rüber, bei der ganzen Sache nicht so ganz wohl fühlte.

Keine Frage, dass alle Beteiligten aussergewöhnlich gut Klavier spielen

Die vier Ausführenden bei der Zugabe Foto Priska Ketterer
Die vier Ausführenden bei der Zugabe Foto Priska Ketterer

Das Ganze aber hing irgendwie in der Luft, etwas zusammenhangslos. Eine Verbindung wäre erreicht worden, wenn der Interpret des Originals die letzten Anschläge einer Sequenz quasi fliegend übergeben hätte, die Improvisierenden, ich nenns jetzt mal so, den Ton Faden aufgenommen und weitergesponnen, damit quasi fliessend in die Improvisation überführt hätten.

Die Künstlerinnen danken für die Standing Ovation Foto Priska Ketterer
Die Künstlerinnen danken für die Standing Ovation Foto Priska Ketterer

Dem Publikum schien es aber zu gefallen, obwohl sich wahrscheinlich die wenigsten darüber im Klaren waren, was sie erwarten würde. Der stürmische, langanhaltende Schlussapplaus bewirkte dann auch, dass das geschah, was sich die meisten erhofften, nämlich, dass alle vier sich an die Flügel setzten, Hersch und Yalniz an den linken, Summer und Levit an den rechten. Zu vieler Enttäuschung zündeten  die Protagonist*innen dann aber kein Schlussbouquet, sondern begnügten sich mit ein paar Anschlägen und Takten  aus Wolfgang Amadé Mozarts zwölf Variationen über das französische Kinderlied «Ah vous dirai-je Maman». So erlebten wir halt ein aussergewöhnliches Konzert der etwas anderen Art und die Absetzung des 1998 gegründeten, 9 Tage im November dauernden und 2019 leider ersatzlos gestrichenen Lucerne Festivals am Piano wurde einem einmal mehr schmerzhaft bewusst.

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: Patrick Hürlimann  www.lucernefestival.ch

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Igor Levit spielt Schumanns Waldszenen Foto Priska Ketterer

Johanna Summer improvisiert Schumann Foto Priska Ketterer

Mert Yalniz intoniert Beethoven Foto Priska Ketterer

Fred Hersch improvisiert Beerthoven Foto Priska Ketterer

Die vier Ausführenden bei der Zugabe Foto Priska Ketterer

Die Künstler*innen danken für die Standing Ovation Foto Priska Ketterer

 

 

Igor Levit Weltklasse am Klavier

Mert Yalniz jung aber oho

Johanna Summer sensible Interpretin Foto Gregor Hohenberg

Fred Hersch Introvertierte Avantgarde am Klavier

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Lucerne Festival Fred Hersch Trio, KKL Luzern, 19.05. 23, besucht von Léonard Wüst

Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann
Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann

Besetzung und Programm
Fred Hersch, Klavier
Clemens van der Feen,
Bass  Joey Baron, Schlagzeug
Musik von Fred Hersch, Thelonious Monk und aus dem Great American Songbook

Zu den Ausführenden

Pianist Fred Hersch, der Bassist Drew Gess und der Schlagzeuger Joey Baron zählen nicht nur seit Jahrzehnten zu den Fixsternen der Jazzszene. Sie verbindet auch – in unterschiedlichen Konstellationen – eine ebenso lange künstlerische Partnerschaft.

Zum Pianisten

Er ist nicht nur ein musikalisches Wunder, sondern auch ein medizinisches: Nach einem Koma, aufgrund seiner Aids Erkrankung im Jahr 2008, musste Fred Hersch das Klavierspielen neu erlernen, heute zählt er zu den wichtigsten Vertretern des zeitgenössischen Jazz.

Das Konzert

Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann
Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann

Um Punkt 22.00 Uhr enterten drei hagere Männer die Bühne, wo ihre Instrumente schon bereitgestellt waren zu dieser, für das Lucerne Festival, doch recht späten Zeit.

Kaum hingesetzt scherzte Hersch etwas Richtung Publikum er war aber nur schwer verständlich, nuschelte er doch auf englisch etwas vor sich hin und erklärte, dass man mit einem Stück des englischen Komponisten Ken Miller ins Konzert starte.

Die ersten Stücke waren sich dann sehr ähnlich, etwas monoton und Hersch (1955*) bewegte sich praktisch nur über 2 Oktaven, spielt er doch meist auf der linken, „dunkleren“ Seite der Tastatur. Drummer Joey Baron (1955*) bearbeitete seine diversen Chinellen und Trommeln sehr zurückhaltend, zuerst fast ausschließlich mit bloßen Händen, hie und da benutze er auch die Besen und der jüngste im Bund, Bassist Clemens van der Feen (1980*) tat, was ein Bassist eines Jazztrios eben so tut.

Eigentlicher Auftakt mit Eigenkompositionen

Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann
Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann

Richtig los gings eigentlich erst mit den Eigenkompostionen meist aus dem Album „Floating“ des Pianisten, besonders hervorzuheben seine „Sarabande“ und mit Werken seines langjährigen Weggefährten Thelonious Monk und die drei entwickelten sich langsam zu einem richtigen „Piano Bar Trio“.

 

 

 

 

 

 

Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann
Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann

Hochkonzentriert interagierend, bisweilen mit geschlossenen Augen in die Grooves hineinspüren und sich vom sanft Lyrischen ins furios Rhythmische reinschaffen, ab und zu garniert mit virtuosen Bassläufen, kurzem Drum Solo, wobei Hersch immer sehr ernst rüberkam, demgegenüber Drummer Joey Baron öfters mit dem Publikum augenzwinkernd flirtete und van der Feen den Bass Steg rauf und runter turnte.

 

 

 

 

 

Unterordnung der Egos zugunsten der Kunst des Musizierens

Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann
Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann

Die Qualität der drei auf der Bühne agierenden besteht darin, ihre Fähigkeiten ganz in den Dienst ihrer linearen Kunst stellen. Die ist geprägt von einer lakonisch klaren, aus einer unerschöpflich scheinenden Fülle von Einfällen gespeisten Melodieführung und einer ebenso farbenreich raffinierten Harmonik. Dank diverser eingestreuter Soli, vom Publikum umgehend mit Szenenapplaus verdankt,  kamen die Musiker trotzdem zu persönlichen «Erfolgserlebnissen», die sie aber grundsätzlich dem Ganzen unterordneten.

Zitat Fred Hersch «Nach 40 Jahren weiss ich nun, wie Jazz sein sollte «sich einfach hinsetzen und es passieren lassen. Es geht nicht darum, alles zu rekapitulieren, was du weisst, sondern dorthin zu gehen, wo du noch nie warst.»

Resümee

Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann
Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann

Das Trio beeindruckt bei den Hersch-Kompositionen, darunter die fast comichafte Stop-and-Go-Nummer „Snape Maltings“, ebenso wie beim Rodgers & Hammerstein-Klassiker „A Cockeyed Optimist“ oder den wunderbaren Verbeugungen vor Thelonious Monk, die den offiziellen Teil des Konzerts beendet.

Erstaunlich jedenfalls, dass Fred Hersch, bereits zehnmal für einen Grammy nominiert und mit seinem Trio unlängst vom Fachmagazin „Downbeat“ als Band des Jahres ausgezeichnet, bei uns immer noch im Schatten von Brad Mehldau steht – der übrigens lange Zeit sein Schüler war. Hersch, van der Feen und Baron haben mit ihrem gefühlvollen (aber nie gefühligen) Jazz unbedingt ebenfalls die ganz große Bühne verdient.

Die erklatschte Zugabe zelebrierten die drei mit einer äusserst sanften, sehr gefühlvollen Adaption von Bernstein’s «Somewhere» aus dessen «West Side Story».

Schöne Erfahrung und Gelegenheit für das Auditorium, das *Lucerne Festival» mal auf eine nichtklassische Art zu erleben und dank dem nicht erlahmenden Schlussbeifall gewährten die Protagonisten noch eine weitere Zugabe.

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: Patrick Hürlimann  www.lucernefestival.ch

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Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann

Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann

Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann

Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann

Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann

Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann

 

 

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Max Frisch`s Olocene, LAC Lugano Arte e Cultura 17. Mai 2023 besucht von Marinella Polli

Max Frisch`s Olocene
Max Frisch`s Olocene

Besetzung

adattamento teatrale Flavio Stroppini e Monica De Benedictis regia Flavio Stroppini |con Margherita Saltamacchia e Rocco Schira | scena video Monica De Benedictis | grafica animata Mauro Macella | light design Marzio Picchetti (assistente Pietro Maspero) | musiche originali Andrea Manzoni (eseguite con Matilda Colliard e Martino Pini; mix musiche Valerio Mina) | nebbia in scena a cura di Nephos | sarta di scena Arianna Cortese | allestimento tecnico Alexander Budd | produttore Gianfranco Helbling | produzione Teatro Sociale Bellinzona – Bellinzona Teatro | in coproduzione con Nucleomeccanico.com, 2020

 

Olocene Szenenfoto von Valerio Casanova
Olocene Szenenfoto von Valerio Casanova

Mit ‘Olocene’ im Teatro Foce Lugano präsentiert der Regisseur Flavio Stroppini Max Frisch’ ‚Der Mensch erscheint im Holozän’. Wie bereits 2021 im Teatro Sociale Bellinzona mit den Videos von Monica De Benedictis, der Graphik von Mauro Macella und dem Light Design von Marzio Picchetti. Es handelt sich um die erste Bühnenfassung dieser Erzählung auf italienisch (Uebersetzung von Bruna Bianchi für den Verlag Einaudi,Torino).

Max Frisch’ gleichnishaftes Werk

Olocene Szenenfoto von Valerio Casanova
Olocene Szenenfoto von Valerio Casanova

‘Der Mensch erscheint im Holozän’ ist ein gleichnishaftes Werk, das Max Frisch als “sein gelungenstes und vollkommenstes“ bezeichnete. Die Erzählung ist mindestens zum Teil biographisch – auch er hatte sich für seinen Lebensabend in ein Tessiner Bergdorf zurückgezogen –, und sehr persönlich sind auch die vom Autor angepackten Themen. Zum Beispiel die Einsamkeit und die unvermeidbaren Gedächtnisprobleme im Alter, sowie Sterblichkeit und Irrilevanz des Menschen. 

Ein beunruhigendes Szenario

Olocene Szenenfoto von Valerio Casanova
Olocene Szenenfoto von Valerio Casanova

Nachdem ein Bergrutsch ein kleines Tessiner Dorf von der Umwelt total abgeschnitten hat, und während es draussen in Strömen regnet, versucht Herr Geiser, ein 74jähriger Witwer, der sich nach seiner Pensionierung im Tal niedergelassen hat, ständig aber vergebens eine Pagode aus Crackers zu bauen. Was könnte er sonst noch tun? Sicher frenetisch aber systematisch lesen, um sich dann Notizen zu machen und sein Zuhause mit Passagen aus Lexika oder aus der Bibel zu bekleben. Ihn interessieren besonders Informationen aus Wanderführern, welche Geschichte und Geologie des Tessins betreffen, Einträge zu den verschiedenen Donnerarten – er ist imstande, mehr als sechzehn Arten zu erwähnen – und zu Dinosauriern. Kontakt mit anderen Dorfbewohnern sucht er nicht, er kann nur ein wenig  Italienisch, geschweige denn den Dialekt des Tals.

Der Kampf mit der Natur

Margherita Saltamacchia und Rocco Schira als Tochter Corinne und Herr Geiser
Margherita Saltamacchia und Rocco Schira als Tochter Corinne und Herr Geiser

Im Grunde ist Geisers Leben ein Kampf nicht nur mit der Natur draussen geworden, sondern auch mit seiner eigenen. Ja, die Naturgewalt konfrontiert ihn eben mit seiner eigenen Belanglosigkeit – der Mensch taucht ja erst  im Holozän auf. Total auf sich gestellt, im Rausch des Sammelns ganz verloren, versucht er seiner Existenz, mehr, seinem eigenen Dasein einen Sinn zu geben. Sogar als er einmal sein Haus verlässt, um ein Blick ins Tal zu werfen und herumzuwandern bis er Schmerzen in den Beinen verspürt, verbessern sich die konfusen Gedanken und Empfindungen nicht.

Eine doppelte Erosion

Beschrieben wird eine langsame, doppelte Erosion, nicht nur des Berges, sondern auch von Geisers Denkvermögen. Die schleichende Erosion in der Natur wiederholt sich in seiner Persönlichkeit: mit Kraft, wenn auch vergebens, versucht er gegen das Chaos in seinem Garten sowie in seinem Hirn zu kämpfen, alles scheint jedoch zu zerbröckeln. Nur, das Dorf kann wieder aufgebaut werden, nicht aber sein Denkvermögen. Er ist nicht einmal mehr imstande, die Übersicht über all die Notizen zu bewahren; er wird immer vergesslicher, ja die Wetterkatastrophe ist nicht schmerzlicher als sein Gedächtnisverlust.

Die grossartige Leistung der Schauspieler

Am Ende bleiben nur tote Blätter
Am Ende bleiben nur tote Blätter

Während auf der Bühne die verschiedenen kleinen Räume des Hauses zu sehen waren, während die toten Blätter am Boden die unsichtbaren Zettel an den Wänden fast symbolisierten, beeindruckten Rocco Schira in der Rolle des Herrn Geiser und Margherita Saltamacchia als seine Tochter Corinne. Der Schauspieler verkörperte einen noch jugendhaften Geiser, am Anfang eher verhalten, dann immer energischer, zum Bespiel, als er die Tochter fragte, weswegen sie ihn wie ein kleines Kind behandelt; voller Freude, hingegen, als er die zahlreichen Donnerarten auflistete. Die Schauspielerin stellte eine melancholische und resignierte dennoch starke Figur dar, die wie der Chor in einer alten Tragödie wirkte. Man war von Anfang an im Banne der sich kreuzenden Monologe von Vater und Tochter, mal so nahe, mal so distant voneinander. Ja, immer als ob Energie und Melancholie im Kampf gegeneinander wären.

Eine frühere Bühnenfassung in Luzern

Wir erinnern uns übrigens an eine frühere hochemotionale Inszenierung von ‘Der Mensch erscheint im Holozän’, jene von Felix Rothenhäusler am Luzerner Theater in 2017: eine Aufführung, die mit eloquenten Passagen der Zehnten von Mahler endete.  In Lugano gaben das Cello von Matilda Colliard und die Gitarre von Martino Pini (Musik von Andrea Manzoni) der Interpretation einen manchmal fast zu scharfen Rhythmus.

Das Luganese Publikum bedankte sich mit einem langen, herzlichen Applaus

Text: https://marinellapolli.ch/

Fotos    Marinella Polli  und Valerio Casanova :https://www.luganolac.ch/it/lac/home

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Olocene Szenenfoto von Valerio Casanova

Olocene Szenenfoto von Valerio Casanova

Margherita Saltamacchia und Rocco Schira als Tochter Corinne und Herr Geiser

Olocene Szenenfoto von Valerio Casanova

Olocene Szenenfoto von Valerio Casanova
Olocene Szenenfoto von Valerio Casanova

 

Am Ende bleiben nur tote Blätter

 

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