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Politik

Initiative im Europäischen Parlament gegen Benachteiligung junger Krebspatient:innen bei Krediten

n Deutschland erkranken pro Jahr etwa 16.500 junge Erwachsene im Alter
zwischen 18 und 39 Jahren an Krebs. Über 80 Prozent von ihnen können
geheilt werden. Die Folgen ihrer Erkrankung tragen sie jedoch ein Leben
lang. Jetzt will eine Initiative des Europäischen Parlaments erreichen,
dass Überlebende nach Krebserkrankung spätestens zehn Jahre nach Ende der
Behandlung bei der Vergabe von Verbraucherkrediten nicht mehr
benachteiligt werden dürfen.

So erfreulich die Fortschritte in der Behandlung von Krebs bei jungen
Erwachsenen und Kindern auch sind – die Ungleichbehandlung nach der
Erkrankung erstreckt sich über viele Lebensbereiche. Gegenstand vieler
Beratungsgespräche der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs
sind Probleme bei der Aufnahme von Krediten, dem Abschluss von
Versicherungen wie Krankenhauszusatz- oder (Risiko-) Lebensversicherungen
oder der Verbeamtung. Auch eine Adoption von Kindern wird selbst viele
Jahre nach geheilter Krebserkrankung häufig abgelehnt.

Die Betroffenen wünschen sich, dass ihre geheilte Krebserkrankung nach
einer angemessenen Zeit „vergessen“ wird und sie dadurch keine Nachteile
mehr erfahren. Im Europäischen Parlament besteht jetzt eine Initiative,
die zumindest auf dem Gebiet der Verbraucherkredite aus diesem Wunsch
Wirklichkeit werden lassen könnte.

Europäische Richtlinie für Verbraucherkredite und das „Recht auf
Vergessenwerden“

Am 30.6.2021 legte die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine
Richtlinie über Verbraucherkredite  vor. Gegenstand der Richtlinie sollen
Verbraucherkredite bis 100.000 Euro sein. Immobilienkredite werden
Gegenstand einer getrennten Richtlinie sein. Aus dem Europäischen
Parlament wurden vier Änderungsvorschläge eingebracht, die die
Benachteiligung junger Menschen nach geheilter Krebserkrankung beenden
sollen. Sie sind im Bericht des Ausschusses des Europäischen Parlaments
für Binnenmarkt und Verbraucher-schutz vom 25.8.2022  dokumentiert.

Beispielhaft hier der Kernsatz des Änderungsantrags 65. Er zielt auf die
Einführung eines neuen Absatzes in die Richtlinie, mit dem ein „Recht auf
Vergessenwerden“ für die Betroffenen realisiert werden soll:

„‘Recht auf Vergessenwerden‘ - das Recht von Personen, die einschlägige
ansteckende und nicht ansteckende Krankheiten wie Krebs überlebt haben,
ihre Diagnose zehn Jahre nach Ende ihrer Behandlung und bei Patienten,
deren Diagnose vor dem 18. Lebensjahr gestellt wurde, fünf Jahre nach Ende
ihrer Behandlung nicht mehr erklären müssen und nicht mehr anders
behandelt werden dürfen als Personen, die bei der Beantragung und beim
Zugang zu Finanzprodukten oder -dienstleistungen wie Versicherungen und
Darlehen keine solche Diagnose erhalten haben.“

Die Änderungsanträge 22, 121 und 142 zielen in die gleiche Richtung.

In den Änderungsanträgen wird darüber hinaus das „Recht auf
Vergessenwerden“ auch auf Versicherungspolicen ausgeweitet, die im
Zusammenhang mit Kreditvergaben gefordert werden. Dies betrifft zum
Beispiel Risikolebensversicherungen. Nach den Erfahrungen der Deutschen
Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs ist dies in der Praxis ein
wichtiger Punkt.

Derzeitiger Stand des Verfahrens zur Richtlinie für Verbraucherkredite

Der Vorschlag der Europäischen Kommission und die Änderungsanträge des
Parlaments liegen zurzeit im sogenannten „Trilog“ zur Diskussion und
Abstimmung.  Beteiligt sind dabei Delegierte der Kommission, des
Europäischen Parlaments und des Europäischen Rats mit den Vertretern der
Finanz- und Wirtschaftsministerien der EU-Länder. Laut einer kürzlichen
Pressemitteilung  wurde jetzt eine Einigung erreicht. Soweit der
Mitteilung zu entnehmen ist, wird das „Recht auf Vergessenwerden“
zumindest auf den Abschluss von Versicherungen im Rahmen von
Kreditvergaben angewendet. Ob das „Recht auf Vergessenwerden“ auch
generell auf Kreditvergaben angewendet werden soll, bleibt in der
Pressemeldung offen.

Deutsche Vertreter im Europäischen Rat eher ablehnend gegenüber dem „Recht
auf Vergessenwerden“

Dr. Françoise Meunier von der European Cancer Patient Coalition berichtete
bei einem Treffen mit der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit
Krebs, dass die deutschen und österreichischen Delegierten des
Europäischen Rats der Einführung des „Recht auf Vergessenwerden“ in der
Richtlinie eher ablehnend gegenüberstehen. Demgegenüber haben Belgien,
Frankreich, Luxemburg, die Niederlande, Portugal und Rumänien bereits
entsprechende Regelungen in ihr nationales Recht aufgenommen. Laut Meunier
zeigen die Erfahrungen aus Frankreich seit 2016, dass von der
Kreditwirtschaft befürchtete Nachteile wie Verteuerungen für die breite
Masse der Konsumenten nicht eingetreten sind. Die skeptische Haltung der
deutschen und österreichischen Vertreter des Rats sei daher nicht
gerechtfertigt.

„Wir wünschen uns sehr, dass die deutschen Vertreter in der Europäischen
Kommission das ‚Recht auf Vergessenwerden‘ in der Richtlinie über
Verbraucherkredite voll und ganz unter-stützen“, sagt Prof. Dr. Mathias
Freund, Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung, und fährt fort:
„Krebspatientinnen und -patienten wünschen sich nach ihrer Heilung ein
normales Leben. Jegliche Diskriminierung muss ein Ende haben. Das ‚Recht
auf Vergessenwerden‘ muss in allen für diese jungen Menschen bedeutsamen
Bereichen eingeführt werden.“

So berichtet etwa Doktorandin Claudia, zum Zeitpunkt der Diagnose eines
Schilddrüsen-karzinoms 31 Jahre alt, von Diskriminierungserfahrungen beim
Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung: „Ich bin gegen Ende meines
Studiums erkrankt und nach Abschluss der Therapie ganz normal in den Beruf
eingestiegen. Ich hatte dann aber keine Chance mehr eine
Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen. Es ist total unfair, dass
ich wegen einer sechsmonatigen Krankheit in jungen Jahren meine
Arbeitskraft nicht mehr absichern kann.“

Stiftung sammelt Erfahrungen junger Betroffener unter
#RechtAufVergessenWerden

Die Stiftung bittet junge Betroffene, von ihren
Diskriminierungserfahrungen zu berichten und unter den Hashtags
#RechtAufVergessenWerden und #righttobeforgotten in der Öffentlichkeit
Aufmerksamkeit zu schaffen. Benachteiligungen sollten laut Stiftung nicht
im Dunkeln bleiben.

Die Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs

Jedes Jahr erkranken in Deutschland nahezu 16.500 junge Frauen und Männer
im Alter von 18 bis 39 Jahren an Krebs. Die Deutsche Stiftung für junge
Erwachsene mit Krebs ist Ansprechpartnerin für Patient:innen, Angehörige,
Wissenschaftler:innen, Unterstützer:innen und die Öffentlichkeit. Die
Stiftungsprojekte werden in enger Zusammenarbeit mit den jungen
Betroffenen, Fachärzt:innen sowie anderen Expert:innen entwickelt und
bieten direkte und kompetente Unterstützung für die jungen Patient:innen.
Die Stiftung ist im Juli 2014 von der DGHO Deutsche Gesellschaft für
Hämatologie und Medizinische Onkologie e. V. gegründet worden. Alle
Stiftungsprojekte werden ausschließlich durch Spenden finanziert. Die
Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs ist als gemeinnützig
anerkannt.

Spendenkonto der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs:
Bank für Sozialwirtschaft
IBAN: DE33 1002 0500 0001 8090 01, BIC: BFSW DE33

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[1] Entwurf der Richtlinie vom 30.6.2021: https://eur-
lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:2df39e27-da3e-11eb-895a-
01aa75ed71a1.0003.02/DOC_1&format=PDF
Anhänge: https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:2df39e27-da3e-
11eb-895a-01aa75ed71a1.0003.02/DOC_2&format=PDF

[2] https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/A-9-2022-0212_DE.pdf
[3]
https://www.europarl.europa.eu/cmsdata/253995/2021%200171(COD)-CCD-%202022%20-%20Articles.pdf
[4]
https://www.europarl.europa.eu/pdfs/news/expert/2022/12/press_release/20221128IPR58027/20221128IPR58027_en.pdf
[5] https://ecpc.org/

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Statement – Ausgang der US-Kongresswahlen: „Der Gegenwind wird stärker – und kälter“

Prof. Holger Görg, Ph.D. (https://www.ifw-kiel.de/de/experten/ifw/holger-
goerg/
), Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel),
kommentiert die möglichen Folgen des Ausgangs der US-Kongresswahlen für
die Weltwirtschaft:

„Wenn auch die Wahlen zum US-Senat noch nicht entschieden sind, ist nach
dem voraussichtlichen Sieg der Republikaner im Repräsentantenhaus zu
erwarten, dass sich die Handelsbeziehungen abkühlen dürften. Auch die
Unterstützung für die Ukraine könnte abflauen.

Dem US-Kongress kommt eine extrem wichtige Rolle in der Handelspolitik zu.
Ohne die Zustimmung des Parlaments geht für den Präsidenten in diesem
Politikfeld fast nichts. Auch wenn Biden nicht gerade den Freihandel
predigt – die von Trump geprägten Republikaner stehen hier für eine noch
nationaler geprägte „America First“-Politik. Das könnte China zu spüren
bekommen, mit dem die USA auch nach der Abwahl Trumps immer noch einen
sehr intensiven Handelskonflikt aufrechterhält. Dieser könnte sich leicht
verschärfen, insbesondere im jetzigen Umfeld geopolitischer Spannungen.
Aber auch die transatlantischen Handelsbeziehungen dürften betroffen sein.
Handelserleichterungen zwischen den USA und der EU, ja vielleicht sogar
ein Aufleben einer TTIP-Version 2, werden mit einem republikanisch
dominierten Kongress nicht zu machen sein. Von multilateralen Abkommen
ganz zu schweigen. Noch im Dezember 2021 waren die USA ja eines der
Gründungsmitglieder eines multilateralen Abkommens für den
Dienstleistungshandel der WTO.

Aber auch die enthusiastische Unterstützung der Ukraine durch die US-
Regierung dürfte abflauen. Mit einem republikanisch geführten
Repräsentantenhaus wird es schwieriger für Präsident Biden werden, große
Summen für das sich verteidigende Land genehmigt zu bekommen. Denn es gibt
durchaus einige der von Trump geprägten Republikaner, die den Konflikt
anders interpretieren als ihr Präsident und weniger russlandkritisch sind.

Es dürften daher zwei kritische Jahre bis zur nächsten Wahl werden – nicht
nur für Präsident Biden, sondern auch für europäische Länder und den Rest
der Welt.“

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Unser Krieg?

Die Zukunft der Ukraine und die Neuordnung der Welt – Ringvorlesung des
Präsidenten im Wintersemester 2022/23 – Auftakt am 14. November 2022

Der Angriffskrieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine erschüttert
die Welt und stellt die bisherige internationale Zusammenarbeit in vielen
politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und akademischen
Belangen grundlegend infrage. Er zielt darauf ab, den souveränen
ukrainischen Staat zu zerstören – durch Bombardierungen, Vertreibung und
weitere Kriegsverbrechen gegen die ukrainische Bevölkerung. Damit
erschüttert dieser Krieg sowohl die europäische Sicherheitsarchitektur als
auch die europäische Werteordnung in ihren Grundfesten. Die Ringvorlesung
des Präsidenten der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) widmet sich in
diesem Wintersemester unter dem Titel „Unser Krieg? Die Zukunft der
Ukraine und die Neuordnung der Welt“ den zentralen Fragen dieser
fundamentalen Krise.

Im Rahmen der Ringvorlesung soll diskutiert werden, inwiefern dieser Krieg
auch „unser Krieg“ ist, was daraus für unseren außen­, innen­ und
wirtschaftspolitischen Kurs folgt und welche Konsequenzen dies für unsere
Gesellschaft hat. Zum Auftakt der Reihe wird Prof. Dr. Olga Garaschuk,
Inhaberin des Lehrstuhls für Neurophysiologie an der Eberhard Karls
Universität Tübingen und Präsidentin der Deutsch­Ukrainischen Akademischen
Gesellschaft, am Montag, 14. November 2022 (Beginn 19 Uhr c. t.), in ihrem
Vortrag unter der Leitfrage „Ukraine: ein blinder Fleck auf der mentalen
Karte Europas?“ eine Einordnung vornehmen.
Die Vorträge sind sowohl in Präsenz in der Aula im
Universitätshauptgebäude als auch digital als Livestream zu verfolgen: www
.uni-giessen.de/ringvorlesung

„Selbstverständlich ist dieser Krieg in Europa ,unser‘ Krieg“, betont JLU-
Präsident Prof. Dr. Joybrato Mukherjee: „Mit dem bewaffneten Überfall auf
die Ukraine verletzt Russland – als eines der fünf ständigen Mitglieder im
UN-Sicherheitsrat und als Garantiemacht für die territoriale
Unversehrtheit der Ukraine seit 1994 – das in der Charta der Vereinten
Nationen niedergelegte zwischenstaatliche Gewaltverbot. Wir müssen den
russischen Angriffskrieg als Infragestellung aller völkerrechtlichen
Grundregeln werten.“

Vor diesem Hintergrund ist viel von einer „europäischen Zeitenwende“ die
Rede. „Im Rahmen der aktuellen Ringvorlesung werden wir dazu drängende
Fragen stellen, die uns alle beschäftigen, um gemeinsam mit renommierten
Referentinnen und Referenten Antworten aus verschiedenen Blickwinkeln –
aus Politik, Wissenschaft und Kultur – zu suchen“, ergänzt der Präsident,
der traditionsgemäß alle interessierten Gäste zur Ringvorlesung einlädt.
Wichtig sei es, im öffentlichen Diskurs auch ukrainische Stimmen zu Wort
kommen zu lassen, um gemeinsam über die europäische Zukunftsperspektive
der Ukraine zu diskutieren.

Im Jahr 1935 sagte der Historiker, Militäroffizier und Ukraine­Experte
Lancelot Lawton im britischen Parlament: „Das wichtigste Problem Europas
heute ist die Frage der Ukraine. Wichtig [...] wegen der Auswirkung auf
den europäischen Frieden und die Diplomatie, gleichzeitig jedoch
lebenswichtig für die britischen Interessen. In einem Ausmaß, das den
meisten Menschen nicht bewusst ist, war diese Frage während des letzten
Vierteljahrhunderts eine Wurzel des europäischen Konflikts.“ Dass dies
fast 90 Jahre später immer noch stimmt und Europa bzw. die Welt wieder am
Rand einer politischen, humanitären (Stichwort Hungersnot) und atomaren
Katastrophe steht, ist Anlass genug, sich gründlich mit der „Frage der
Ukraine“ zu beschäftigen. In ihrem Vortag zum Auftakt der Ringvorlesung
wird Prof. Dr. Olga Garaschuk die historischen, gesellschaftlichen und
wissenschaftspolitischen Aspekte dieser Frage beleuchten, um zu verstehen,
wie wir heute helfen und in der Zukunft profitieren können und welche
Konsequenzen unser heutiges Tun für die Zukunft Europas und unserer
Gesellschaft hat.

Die Ringvorlesung des Präsidenten wird in diesem Wintersemester
wissenschaftlich koordiniert von Prof. Dr. Monika Wingender, Professur für
Slavische Sprachwissenschaft an der JLU und Direktorin des Gießener
Zentrums Östliches Europa (GiZo), und gefördert durch die Gießener
Hochschulgesellschaft (GHG). Die Reihe richtet sich gleichermaßen an ein
universitäres Publikum und an die Öffentlichkeit in Stadt und Region.

Termine
Auftaktveranstaltung
Montag, 14. November 2022
Prof. Dr. Olga Garaschuk, Inhaberin des Lehrstuhls für Neurophysiologie an
der Eberhard Karls Universität Tübingen und Präsidentin der
Deutsch­Ukrainischen Akademischen Gesellschaft
Ukraine: ein blinder Fleck auf der mentalen Karte Europas?

Ausblick
Montag, 12. Dezember 2022
Juri Andruchowytsch, Ukrainischer Schriftsteller, Dichter, Essayist und
Übersetzer
Der Preis der Zukunft. Was ist das Wesen des „aufgeschobenen Krieges“?

Montag, 19. Dezember 2022
Dr. Marie­Agnes Strack­Zimmermann, MdB, Vorsitzende des
Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestags
Zeitenwende

Montag, 16. Januar 2023
Dr. Sabine Fischer, Senior Fellow an der Stiftung Wissenschaft und Politik
(SWP)
30 Jahre ungelöste Konflikte in der östlichen Nachbarschaft der EU, und nun
Russlands Krieg gegen die Ukraine – eine vergleichende Reflexion

Dienstag, 24. Januar 2023
Marieluise Beck, Direktorin Ostmitteleuropa/Osteuropa im Zentrum Liberale
Moderne
Berlin-Kyjiw-Moskau
Die deutsche historische Verantwortung gegenüber der Ukraine annehmen

Montag, 30. Januar 2023
Prof. Dr. Martin Schulze Wessel
Mitglied der Deutsch­Ukrainischen Historikerkommission und Inhaber des
Lehrstuhls für Geschichte Ost­ und Südosteuropas an der LMU München
Krieg um die Geschichte: Russlands Angriff auf die Ukraine

Beginn jeweils 19 Uhr c. t.
Die Ringvorlesung des Präsidenten ist sowohl in Präsenz in der Aula im
Universitätshauptgebäude als auch digital im Livestream zu verfolgen.

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DDG: Haushaltsentwurf 2023 befeuert Engpässe in der Diabetesversorgung und Kostenexplosion im Gesundheitswesen

Die Bundesregierung tritt beim Haushaltsplan 2023 auf die Kostenbremse und
kürzt die ursprünglich vorgesehenen drei Millionen Euro jährlich für die
Diabetes-Prävention- und Versorgung um 64 Prozent. Damit werden sich
Versorgungengpässe weiter verschärfen und die Kosten im Gesundheitssystem
dramatisch erhöhen. 2020 noch verpflichtete sich die Bundesregierung mit
einer Nationalen Diabetesstrategie Prävention zu stärken, Versorgung zu
verbessern und Forschung zu fördern, um die Diabetes-Pandemie einzudämmen
und eine damit einhergehende Überlastung des Gesundheitssystem zu
vermeiden.

Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) kritisiert den mangelnden Willen
der Politik, gemachte Zusagen umzusetzen und eine Gesundheitspolitik mit
Weitsicht zu betreiben.

Über 8,5 Millionen Menschen in Deutschland haben einen diagnostizierten
Diabetes Typ 2. Mit circa 500.000 Neuerkrankungen jährlich werden bis 2040
schätzungsweise 12 Millionen Menschen in Deutschland betroffen sein.
Bereits 2012 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Diabetes als
pandemische nichtübertragbare Krankheit eingeschätzt und nationale
Strategien zur Diabetesbewältigung angemahnt. Ein wichtiges Ziel ist es
daher, die Zahl der Neuerkrankungen zu senken. Gezielte
Präventionsmaßnahmen sollen es allen Menschen in Deutschland leichter
machen, sich gesund zu ernähren. Die DDG spricht sich daher bereits seit
Jahren für die steuerliche Entlastung von Obst und Gemüse sowie eine
Herstellerabgabe auf gesüßte Erfrischungsgetränke aus. Auch die Versorgung
der Millionen Erkrankten muss zukunftssicher weiterentwickelt werden:
Heute schon kommen jährlich 300.000 Patientinnen und Patienten mit
Diabetes ins Krankenhaus und können immer häufiger nicht angemessen
versorgt werden: Viele Krankenhäuser halten keine Fachabteilungen und
Expertise für Diabetes vor.
Während dem Bundesministerium für Gesundheit seit dem Haushaltsjahr 2016
zusätzliche drei Millionen Euro jährlich für Maßnahmen der
Diabetesbekämpfung zur Verfügung standen, sind es jetzt 3,2 Millionen Euro
auf drei Jahre verteilt „Der Haushaltsentwurf bremst damit viele sinnvolle
Maßnahmen zur Diabetes-Prävention und -Versorgung brutal aus  – und das
durch die Hintertür“, so DDG-Präsident Professor Dr. med. Andreas Neu,
kommissarischer ärztlicher Direktor an der Klinik für Kinder- und
Jugendmedizin am Universitätsklinikum Tübingen.
Mit der Kürzung der Finanzmittel im aktuellen Haushaltsentwurf rückt die
Konkretisierung und Umsetzung der Diabetesstrategie in immer weitere
Ferne. „Wenn Maßnahmen im Kampf gegen Diabetes reduziert statt ausgebaut
werden, wird das zu einer weiteren Kostenexplosion im Gesundheitssystem
führen“, kritisiert Barbara Bitzer, Geschäftsführerin der DDG. Schon heute
verursacht die Krankheit 21 Milliarden Euro im deutschen
Gesundheitssystem, das sind elf Prozent aller direkten
Krankenversicherungsausgaben. Der überwiegende Anteil entfällt auf die
Behandlung von Folgeerkrankungen durch Diabetes an Gefäßen, Herz, Nieren
oder Augen. „Außerdem wird es zu Versorgungsengpässen kommen, da die
stetig steigende Zahl erkrankter Menschen in Zukunft aufgrund des
Fachkräftemangels nicht mehr angemessen versorgt werden kann“, kritisiert
DDG-Mediensprecher Professor Dr. med. Baptist Gallwitz.
Schon im Vorfeld des Haushaltsentwurfs hatte die DDG vergeblich das
Gespräch mit Gesundheitsminister Karl Lauterbach gesucht. „Die
wiederkehrenden Absagen deuten darauf hin, dass das Ministerium das
Problem nicht erkannt hat und die Auswirkungen der chronischen Krankheit
weiter unterschätzt. Der vorliegende Haushaltsplan macht das auf
dramatische Weise deutlich“, so Bitzer. Noch wäre Zeit, die Pläne
anzupassen: Die DDG-Expertinnen und Experten stehen gerne bereit,
gemeinsam mit dem Bundesgesundheitsministerium über die Maßnahmen für
Prävention und Versorgung zu sprechen, die in der jetzigen, wirtschaftlich
angespannten Situation unverzichtbar sind und daher zwingend finanzielle
Unterstützung benötigen.

Übersicht zu den politischen Forderungen der DDG:
<https://www.ddg.info/politik/veroeffentlichungen/gesundheitspolitische-
veroeffentlichungen>

Empfehlungen zur Nationalen Diabetesstrategie:
<https://www.ddg.info/fileadmin/user_upload/Politische_Empfehlungen_DDG_2021.pdf>

Gemeinsame Stellungnahme DDG/DZD/DGE zur Versorgung von Menschen mit
Diabetes und endokrinen Erkrankungen:
<https://www.ddg.info/fileadmin/user_upload/06_Gesundheitspolitik/03_Veroeffentlichungen
/Positionspapier-Lehrstuehle-DDG-DZD-DGE.pdf
>

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