20 Jahre Würzburger Stammzelltransplantationszentrum: Innovative Zelltherapien in der Region verankert
Vor 20 Jahren wurde das Zentrum für Stammzelltherapie am Uniklinikum
Würzburg ins Leben gerufen. Heute zieht es als etabliertes
Behandlungszentrum für Zelltherapien Patientinnen und Patienten aus ganz
Deutschland und dem Ausland an. Neben der klassischen Eigen- und
Fremdtransplantation werden dort viele neuartige Behandlungswege
angeboten.
Würzburg. Die Medizinische Klinik II und die Kinderklinik des Uniklinikums
Würzburg (UKW) betreiben seit 20 Jahren ein gemeinsames Zentrum für
Transplantationen von Blutstammzellen. Die dabei eingesetzten Zellen
lassen sich zum einen aus dem Blut oder dem Knochenmark der Patientinnen
und Patienten selbst gewinnen – man spricht dann von „autolog“. Zum
anderen können bei der „allogenen“ Stammzelltransplantation Zellen eines
Spenders genutzt werden.
Allogene und autologe Stammzelltransplantationen im Einsatz
„Bei der Versorgung der Erwachsenen liegt das Hauptaugenmerk bei der
allogenen Stammzelltransplantation auf bösartigen Erkrankungen des Blut-
und Lymphsystems, wie zum Beispiel akute Leukämien oder Lymphome“,
beschreibt Prof. Dr. Hermann Einsele. Der Direktor der Medizinischen
Klinik II fährt fort: „Einen besonderen Schwerpunkt bei der autologen
Stammzelltransplantation stellt in Würzburg in den letzten Jahren das
Multiple Myelom dar.“
Leukämien spielen auch bei Kindern und Jugendlichen eine große Rolle.
„Darüber hinaus wird die Blutstammzelltransplantation durch die zunehmende
Verfahrenssicherheit gerade bei jungen Patientinnen und Patienten mehr und
mehr auch für nicht-bösartige Bluterkrankungen angewandt“, verdeutlicht
Prof. Dr. Matthias Eyrich, der die Stammzelltransplantationen an der
Kinderklinik des UKW leitet. Neu ist nach seinen Worten zudem, dass die
Blutstammzelltransplantation häufig mit anderen Immuntherapien kombiniert
wird.
Für die allogene Stammzelltransplantation wird idealerweise ein Spender
benötigt, der in allen Gewebemerkmalen mit der Patientin oder dem
Patienten übereinstimmt. In Deutschland haben sich derzeit mehr als zehn
Millionen potenzielle Stammzellspenderinnen und -spender registrieren und
ihr Blut typisieren lassen, weltweit sind es 41 Millionen. Die
Wahrscheinlichkeit, einen passenden Spender zu finden, liegt bundesweit
bei über 90 Prozent. „Sollte sich dennoch kein perfekter Spender finden,
sind wir in der Lage, suboptimale Spender-Stammzellen unter
Reinraumbedingungen aufzubereiten – eine Leistung, die nur sehr wenige
Zentren in Deutschland erbringen können“, schildert Prof. Eyrich.
Pro Jahr führen die „Med II“ und die Kinderklinik zusammen rund 120
allogene Stammzelltransplantationen durch. Bei den autologen sind es
jährlich bis zu 200 – ein bundesweiter Spitzenwert.
Zelluläre Immuntherapie im Kommen
Im Jahr 2019 wurden die Transplantationsaktivitäten durch das Zentrum für
zelluläre Immuntherapie (ZenITh) erweitert, das die Entwicklung
innovativer Behandlungswege vorantreibt. Beispielsweise die CAR-T-Zell-
Therapie: Hierbei werden körpereigene T-Lymphozyten der Patientin oder des
Patienten im Labor mit einem künstlichen „chimären“ Rezeptor für
Tumorzellen versehen. Die Abkürzung CAR steht daher für „Chimärer Antigen-
Rezeptor“.
„Der neue Rezeptor ermöglicht es den T-Lymphozyten, in vorher ungekannter
Weise gegen Leukämiezellen aktiv zu werden“, schildert Prof. Dr. Michael
Hudecek, einer der Experten für Zelluläre Immuntherapie am UKW.
Mittlerweile ist die CAR-T-Zelltherapie als fester Bestandteil der
Leukämie- und Lymphombehandlung etabliert. Auch für an Multiplem Myelom
Erkrankte bietet sie eine neue Chance. Laut Prof. Hudecek ist es zudem
möglich, die CAR-T-Zelltherapie mit der Blutstammzelltransplantation zu
kombinieren.
Die Medizinische Klinik II führt vornehmlich auf der Station M41 pro Jahr
rund 100 CAR-T-Zelltherapien an erwachsenen Patientinnen und Patienten
durch, jährlich etwa fünf weitere Anwendungen kommen durch die
Kinderklinik dazu. „Mit diesen Zahlen und der dazugehörigen Expertise ist
das UKW das führende CAR-T-Zell-Zentrum in Europa“, zeigt sich Prof.
Einsele stolz.
Starthilfe durch außergewöhnliche Spendenaktion
Startpunkt des Zentrums für Stammzelltransplantationen war die Einweihung
eines Neubaus auf dem Klinikumscampus an der Josef-Schneider-Straße im
Jahr 2005. Die Kosten des 7,3 Millionen Euro teuren Gebäudes D30 teilten
sich das Land Bayern und die Bundesrepublik Deutschland hälftig.
Die Finanzierungszusage des Freistaats wurde durch eine außergewöhnliche
Spendenaktion angestoßen.
Dabei leistete die von der Würzburger Geschäftsfrau Gabriele Nelkenstock
ins Leben gerufene „Aktion Stammzelltherapie“ wesentliche Starthilfe.
Ihrer Bürgerbewegung gelang es, in Zusammenarbeit mit Christel Lochner,
der Vorsitzenden der Elterninitiative leukämie- und tumor-kranker Kinder
Würzburg e.V., mit vielen Aktionen über 500.000 Euro – damals über eine
Million D-Mark – in der Region zu sammeln.
„Diese Erfolgsgeschichte war nur möglich, weil seinerzeit Bürgerschaft und
Politik, namentlich der bayerische Landtagsabgeordnete Manfred Ach, am
gleichen Strang zogen“, erinnert sich Nelkenstock.
Zellbearbeitung im eigenen Labor
Bereits damals wurde Wert darauf gelegt, dass im Zentrum auch die
Möglichkeit zur eigenen Zellbearbeitung gegeben ist. Das GMP-
Zelltherapielabor – so der heutige Name – ist mittlerweile ein über-
regionaler Versorger für Stammzellpräparate und stattet andere deutsche
Universitätsklinika mit für einzelne Patientinnen und Patienten
maßgeschneiderten Präparaten aus. Des Weiteren fungiert das Labor als
wichtige Logistik-Drehscheibe für CAR-T-Zellen.
„Um dem zunehmenden Bedarf und den neuen Technologien Rechnung zu tragen,
soll im Herbst 2025 ein weiteres Reinraum-Labor am UKW eröffnet werden.
Damit erhalten wir erstmals die Möglichkeit, selbst CAR-T-Zellen für
klinische Studien herzustellen“, freut sich Prof. Eyrich, der das GMP-
Labor leitet.
Nachdem die Erwachsenen- und die Kinder-Stammzelltherapie zunächst
gemeinsam im Haus D30 untergebracht waren, ergab sich durch die Eröffnung
des Zentrums für Innere Medizin (ZIM) des UKW im Jahr 2009 für die
Medizinische Klinik II die Möglichkeit, ihre entsprechenden Aktivitäten
auf dortige Stationen zu verlagern. Während D30 – mit Ausnahme des GMP-
Labors – heute alleinig von der Kinderklinik genutzt wird, betreibt die
Med II unter Leitung von Privatdozent Dr. Daniel Teschner auf der Station
M52 des ZIM ein Zentrum für allogene Stammzelltherapien. Die autologen
Stammzelltransplantationen für Erwachsene finden auf den Stationen M 42
und 43 statt.
Aktuelle Forschungsschwerpunkte
Der Schwerpunkt der aktuellen Forschung liegt in der Weiterentwicklung der
CAR-T-Zelltherapie – sowohl im optimalen Zusammenspiel mit der allogenen
Stammzelltherapie als auch in der Ausweitung der Behandlungsindikationen
von den Leukämien auf solide Tumoren. Solide Tumoren benötigen andere
Zielstrukturen für die CAR-T-Zellen als Leukämiezellen und diese müssen in
klinischen Studien validiert werden.
„Ein weiteres wichtiges Ziel ist es, das Überleben der CAR-T-Zellen im für
sie ungünstigen Milieu des Tumors sicherzustellen. Hierzu laufen
Anstrengungen, den Stoffwechsel und die Langlebigkeit der T-Zellen zu
optimieren und auf die Bedingungen im Tumor anzupassen“, erläutert Prof.
Hudecek.
Klinische Studien sind das wichtigste Instrument, um die Sicherheit und
Wirksamkeit von neuen Therapiekonzepten zu dokumentieren. Beispielsweise
wurde kürzlich am UKW eine erste Studie bei Kindern und Jugendlichen mit
Hirntumoren erfolgreich beendet, während vor wenigen Wochen die erste
eigene CAR-T-Zellstudie des Würzburger Uniklinikums bei Erwachsenen mit
soliden Tumoren und Lymphomen an den Start ging.
Wie fest das Thema Zelltherapie am UKW verankert ist, zeigt sich auch in
der Einrichtung neuer Professuren und Arbeitsgruppen. So wurde mit Prof.
Hudecek an der Medizinischen Klinik II ein Lehrstuhlinhaber für die
Entwicklung neuer CAR-T-Zelltherapien berufen, während an der Kinderklinik
eine Arbeitsgruppe für CAR-T-Zellen bei kindlichen soliden Tumoren neu
eingerichtet und mit Dr. Ignazio Caruana international besetzt wurde. Die
Anschubfinanzierung der AG leistete die Elterninitiative leukämie- und
tumorkranker Kinder Würzburg e.V.
„Mit der Summe dieser Entwicklungen ist sichergestellt, dass Patientinnen
und Patienten aus der Region immer von den neuesten Therapiemöglichkeiten
profitieren können“, fasst Prof. Eyrich zusammen.
Text: Pressestelle / UKW
