Datenstopp setzt nachhaltige Entwicklung aufs Spiel
Kürzungen von US-Entwicklungsgeldern gefährden das Wissen über die globale
Bevölkerung und Fortschritte in der Gesundheit weltweit
Alle zwei Minuten stirbt weltweit eine Frau an Schwangerschafts- oder
Geburtskomplikationen – es sind Statistiken wie diese, die zeigen, wo
dringender globaler Handlungsbedarf besteht.
Doch bald könnte es solche
Statistiken nicht mehr geben. Denn eine Folge der massiven Kürzungen bei
der US-amerikanischen Entwicklungsbehörde USAID Anfang des Jahres 2025 ist
die Einstellung des Demographic and Health Surveys (DHS), eines der
renommiertesten und wichtigsten internationalen Datenerhebungsprogramme in
Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen. Dort ist es die wichtigste
Datenquelle für die Berechnung von Kinder- und Müttersterblichkeit. “Seit
vier Jahrzehnten ist das DHS-Programm ein Eckpfeiler der globalen
Bevölkerungs- und Gesundheitsstatistik”, sagt Dr. Andreas Backhaus vom
Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB). Seine Streichung bedeute
eine massive Schwächung der Datenlage: “Ohne belastbare Daten ist die
Bevölkerungsforschung blind!”
Rückschlag für die globale Gesundheitsversorgung
Die standardisierte und repräsentative DHS-Umfrage zu Geburtenraten,
Sterblichkeit, der Verbreitung von HIV und Malaria sowie vielen weiteren
Indikatoren nahm nicht nur eine zentrale Rolle bei der Schätzung und
Analyse der Weltbevölkerungsentwicklung ein. Ihr Wegfall bedroht auch die
gesundheitliche Versorgung in Ländern mit niedrigem Einkommen: Die DHS-
Daten bildeten die zentrale Grundlage dafür, dass auf Handlungsbedarfe im
Gesundheitsbereich effektiv reagiert werden konnte. Insofern treffen die
Kürzungen der USAID-Gelder Regionen wie Afrika gleich doppelt: Einerseits
bricht essenzielle Finanzierung für die Gesundheitssysteme vieler Länder
weg, andererseits bleibt der zukünftige Bedarf unbekannt. “Das bedeutet
eine beispiellose Krise für Länder wie Malawi oder Lesotho, wo die
landeseigenen HIV-Präventionsprogramme zuletzt fast gänzlich aus US-
Mitteln finanziert wurden”, erklärt Catherina Hinz, Direktorin des Berlin-
Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. “In Afrika wächst derzeit die
größte Jugendgeneration aller Zeiten heran. Es ist wichtig, ihre Bedarfe
zu kennen, denn von ihnen wird abhängen, wie der Kontinent sich in den
nächsten Jahrzehnten entwickelt.”
Wegfall von Gesundheitsleistungen für Teilnehmende
Doch nicht nur auf der Planungsebene hat die fehlende Datenerhebung
bereits jetzt weitreichende Folgen: Gerade in der Gesundheitsforschung ist
sie häufig eng mit der Gesundheitsversorgung der Teilnehmenden verknüpft.
“Viele Langzeitstudien bieten Teilnehmenden kostenfreie
Gesundheitsleistungen wie Schwangerschaftsvorsorge oder HIV-Tests an",
weiß Angela Bähr, Vorständin Programme der Deutschen Stiftung
Weltbevölkerung (DSW). “Fällt die Datenerhebung weg, geht damit auch oft
diese Versorgung verloren.”
Europäische Politik ist gefordert
Die aus der Einstellung solcher Programme resultierenden Probleme
unterstreichen die enge Verzahnung von Datenerhebung, Forschung und
gesundheitlicher Versorgung der Weltbevölkerung: Fehlende Daten erschweren
die Forschung zu aktuellen Bevölkerungsentwicklungen, die Versorgung von
Millionen Menschen und die Unterstützung besonders vulnerabler Gruppen.
Letztendlich werden drängende Problemlagen unsichtbar gemacht. “Es liegt
daher im Interesse der deutschen und europäischen Politik, eine
unabhängige Forschung und groß angelegte Datenerhebungen verlässlich zu
fördern”, mahnt Angela Bähr. “Nur so kann es weiterhin evidenzbasierte
Maßnahmen geben, die eine zentrale Voraussetzung sind, um die gemeinsamen
Ziele der Agenda 2030 zu erreichen.”
