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Den Kippelementen des Klimas auf der Spur

Nico Wunderling forscht mit Förderung der Klaus Tschira Stiftung an den Kippelementen des Klimas.  Copyright: © Die Hoffotografen
Nico Wunderling forscht mit Förderung der Klaus Tschira Stiftung an den Kippelementen des Klimas. Copyright: © Die Hoffotografen
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Der Experte für Erdsysteme, Professor Nico Wunderling aus Frankfurt,
forscht mit Förderung der Klaus Tschira Stiftung.
Wir spüren es alle: Die Erde heizt
sich auf! Doch was bedeutet das genau? Welche Konsequenzen kann das haben?
Der Klimaforscher Prof. Dr. Nico Wunderling will es genau wissen. Er
untersucht als Professor an der Universität Frankfurt und Wissenschaftler
am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, wann die Erwärmung der Erde
eine gefährliche Kaskade vom Grönlandeis, über den Golfstrom bis in den
Regenwald des Amazonas in Gang setzen könnte.

Die Klaus Tschira Stiftung
fördert das Forschungsprojekt des Experten für Erdsysteme. Es soll
wichtige Fortschritte im Verständnis dieser Kippelemente ermöglichen,
Wahrscheinlichkeiten für katastrophale Entwicklungen berechnen und sie so
vielleicht vermeiden helfen.

Was ist das Forschungsinteresse des 33-jährigen Hochschullehrers? „Seit
April 2025 bin ich Professor am Center for Critical Computational Studies
(C³S) an der Goethe-Universität Frankfurt“, erläutert Wunderling, der von
Hause aus Physiker ist. „Ich untersuche, wie die Stabilität dieser
besonders verletzlichen Komponenten durch menschliche Aktivitäten
beeinflusst wird und inwiefern sie die Gesamtstabilität des Erdsystems
gefährden könnten. Außerdem interessiere ich mich für die Auswirkungen
gesellschaftlicher Nachhaltigkeitstransformationen und wie diese das
Risiko gefährlicher Kipppunkte im Klimasystem begrenzen können“.

Es ist ein spannendes Arbeitsgebiet, das Nico Wunderling schon seit
etlichen Jahren fesselt. Gerade knapp 20 Jahre ist es her, dass zum ersten
Mal über die Kipppunkte des Klimas publiziert wurde und schon jetzt, mit
einem Anstieg von 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen
Zeitalter, befinden wir uns im akuten Risikobereich, dass diese
tatsächlich überschritten werden.

Die Menschheit kann den Wandel noch schaffen

Trotz der beängstigenden Wirkung solcher Forschungsergebnisse hält Prof.
Wunderling an der Motivation fest, dass unsere Bemühungen zum Klimaschutz
wichtig sind: „Es lohnt sich an interagierenden Kipppunkten zu forschen,
nicht zuletzt um planetare Belastungsgrenzen zu quantifizieren. Und es
zeigt sich mehr und mehr, dass ein Festhalten an den Pariser Klimazielen
von zentraler Bedeutung ist. Die Menschheit hat sich auf den Weg gemacht,
die globale Erwärmung zu begrenzen und es lohnt sich an den vereinbarten
Zielen festzuhalten, auch und insbesondere aus Sicht der Kippelemente.

Trotz der weltweiten Krisenlage ist er zuversichtlich, dass die Menschheit
den Wandel noch schaffen kann. Nicht alles, was jetzt schon begonnen hat,
beispielsweise das Abschmelzen des Grönlandeises, ist bereits unumkehrbar.
„Das ist wie bei einem Eiswürfel, den man auf einen Tisch legt“, erklärt
er, „bis zu einem bestimmten Punkt kann man ihn auch wieder ins Eisfach
zurücklegen und er schmilzt nicht weiter ab.“

Wunderling mag es anschaulich. Das hilft bei seinem komplexen und
schwierigen Thema. Wie könnte man die Kipp-Phänomene einfach erklären? Der
Klimaforscher schnappt sich kurzerhand eine Wasserflasche und stellt sie
auf den Tisch. Dann schiebt er sie langsam zur Kante, bis sie schließlich
herunterfällt. „Wenn das Eisschild Grönlands schmilzt, und dann die
Atlantische Meridionale Umwälzströmung (AMOC), von dem der Golfstrom ein
Teil ist, sich abschwächt und anschließend der Hotspot der Artenvielfalt,
der Amazonas Regenwald, versteppt, dann, ist unser Planet nicht mehr
stabil - genau wie diese Wasserflasche“, erklärt er.

„All das steht miteinander in Verbindung und es können Dominoeffekte
geschehen, die von der Menschheit nicht beherrschbar sind“. Um das zu
verhindern, lohnt es sich seiner Ansicht nach, mehr darüber in Erfahrung
zu bringen und daraus Konsequenzen zu ziehen.
„Um die Risiken einschätzen zu können, müssen unglaublich viele Parameter
berücksichtigt werden“, weiß der Wissenschaftler. „Die komplexesten
Modelle in der Forschung, die wir derzeit haben werden gerade erst
entwickelt, um Klimakipppunkte simulieren zu können“, skizziert
Wunderling. Deswegen brauche es andere, komplexere Modellklassen. Und
genau die sollen im von der Klaus Tschira Stiftung geförderten Projekt
entwickelt werden.

Risikoanalysen auf ganz anderer Datengrundlage als bisher

Das Ziel ist jedoch nicht, exakte Vorhersagen zu machen, sondern sagen zu
können, wie wahrscheinlich es ist, dass es bei dieser oder jener Erwärmung
zum Auslösen eines Kipppunktes kommt. „Das wollen wir uns in diesem
Projekt ganz fokussiert ansehen“, gibt Wunderling die Zielrichtung vor,
„das hat es in dieser Form bislang noch nicht gegeben“.
Was macht das so schwierig? „Die Verfügbarkeit von Daten“, betont
Wunderling. Um die Modelle zu erstellen, brauchen die Algorithmen Daten –
und die idealerweise aus Beobachtungen oder Modellen des Erdsystems.

Was haben wir nach der rund dreijährigen Förderdauer, wenn es sehr gut
läuft? „Dann sind wir in der Lage, einzelne Interaktionen so zu
quantifizieren, dass wir wissen, ob sie stabilisierend oder
destabilisierend sind. Wenn es gut läuft, wissen wir zudem, wie stark die
Interaktionen sind und können das Expertenwissen durch echte
Erdbeobachtungsdaten erweitern und teilweise auch ersetzen“, unterstreicht
der Experte für Erdsysteme. Was heißt das genau? „Dass wir Risikoanalysen
auf ganz anderer Datengrundlage als bisher machen können“.

Auch Dr. Alex Seuthe, Programm-Manager für Forschung, würde das freuen. Er
schätzt am Projektantrag die Kombination an „wissenschaftlichem
Erkenntnispotenzial, gesellschaftlicher Relevanz und persönlicher
Exzellenz“. Und: dass hier von der Physik, über die Klimaforschung, die
Geowissenschaften und die Informatik sowie Datenwissenschaften
interdisziplinär an einem im wahrsten Sinn brennenden Thema für uns alle
geforscht wird.

Autorin: Kirsten Baumbusch, kirsten.baumbusch@klaus-tschira-stiftung.de

Prof. Dr. Nico Wunderling
Professor for Computational Earth System Sciences am C3S und
Wissenschaftler am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung
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Klaus Tschira Stiftung
Dr. Alex Seuthe, Programm-Manager Forschung
E-Mail: alex.seuthe@klaus-tschira-stiftung.de

Anja Heinzelmann, Leiterin Kommunikation
E-Mail: anja.heinzelmann@klaus-tschira-stiftung.de

Die Klaus Tschira Stiftung (KTS) fördert Naturwissenschaften, Mathematik
und Informatik und möchte zur Wertschätzung dieser Fächer beitragen. Sie
wurde 1995 von dem Physiker und SAP-Mitgründer Klaus Tschira (1940–2015)
mit privaten Mitteln ins Leben gerufen. Ihre drei Förderschwerpunkte sind:
Bildung, Forschung und Wissenschaftskommunikation. Das bundesweite
Engagement beginnt im Kindergarten und setzt sich in Schulen, Hochschulen
und Forschungseinrichtungen fort. Die Stiftung setzt sich für den Dialog
zwischen Wissenschaft und Gesellschaft ein. Weitere Informationen unter:
www.klaus-tschira-stiftung.de