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Ressourcenkonflikte in der Wasserstoffwirtschaft

Dr.-Ing. Ilka Gehrke möchte die Nutzungskonflikte bei der Wasserversorgung einer grünen Wasserstoffwirtschaft benennen und Lösungen finden.  Copyright: Fraunhofer UMSICHT
Dr.-Ing. Ilka Gehrke möchte die Nutzungskonflikte bei der Wasserversorgung einer grünen Wasserstoffwirtschaft benennen und Lösungen finden. Copyright: Fraunhofer UMSICHT
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Die Energiewende in Deutschland gewinnt weiter an Dynamik. Dennoch gibt es
an verschiedenen Stellen Nutzungskonflikte. Bei der Planung von
Wasserstoff-Hubs etwa wird die Ressource Wasser bisher nicht ausreichend
berücksichtigt. Das trotz wachsender Bedeutung von grünem Wasserstoff und
der zunehmenden Wasserknappheit in einzelnen Regionen.

Ein
interdisziplinäres Konsortium unter der Leitung von Fraunhofer UMSICHT
bringt die verschiedenen Akteure im »EnAqua-Dialog« zusammen. Das Ziel:
Lösungen erarbeiten, die den Bedürfnissen der Energiewende, den lokalen
Umweltbedingungen und den gesellschaftlichen Erwartungen gerecht werden.
Im Gespräch mit Dr.-Ing. Ilka Gehrke, Leiterin des Projekts.

Warum ist ein nachhaltiges Wassermanagement im Zuge der Energiewende so
wichtig?

Ilka Gehrke: Dazu möchte ich kurz auf die klassische Kraftwerkstechnologie
eingehen, die auf fossile Brennstoffe setzt. Sie benötigt zwar sehr viel
Wasser – und ist im Kern verantwortlich dafür, dass über die Hälfte der
gesamten Wasserentnahme in Deutschland vor allem zu Kühlzwecken auf das
Konto der Energieerzeugung geht. Das meiste Wasser wird dabei jedoch nicht
verbraucht, sondern wieder zurückgeleitet. In der geplanten grünen
Wasserstoffwirtschaft sieht das schon anders aus. Hier bedarf es zwar
weniger großer Wassermengen, diese werden aber per Elektrolyse zu
Wasserstoff und Sauerstoff umgewandelt und entsprechend verbraucht.

Es braucht daher besondere Standortvoraussetzungen für die Erzeugung von
Wasserstoff?

Genau. Für die Wasserstoffwirtschaft muss eine ausreichende
Wasserverfügbarkeit gewährleistet sein, sowohl was die Quantität als auch
die Qualität angeht. Das ist in Deutschland naturgemäß nicht überall
gegeben. Trotzdem ist Wasser momentan kaum Thema bei der Standortauswahl.
Nehmen wir zum Beispiel die geplanten Wasserstoff-Hubs im Norden von
Niedersachsen. Hier sind Kapazitäten von mehreren GW geplant, was einem
guten Teil der nationalen Wasserstoffstrategie von 10 GW heimischer
Elektrolysekapazität bis 2030 entspricht. Die Grenzen der Wasserversorgung
könnten hier erreicht bzw. sogar überschritten werden, wenn man allein auf
Trinkwasser setzen würde. Neben der Entnahme aus Flüssen sind daher
weitere alternative Wasserquellen wie Kläranlagenabläufe im Fokus. Bei der
Aufbereitung zu Brauchwasser entstehen allerdings Konzentrate, die Salze
und diverse andere Chemikalien enthalten. Deren Einleitung wird kontrovers
diskutiert. Oder blicken wir auf den Chemiestandort Leuna bei Bitterfeld.
Dort wird ein Wasserstoff-Hub errichtet, um Firmen am Standort mit grünem
Wasserstoff zu versorgen. Fakt ist auch hier, dass das lokale Trinkwasser
in einer der trockensten Gegenden Deutschlands für den Betrieb der
geplanten Ausbaustufen nicht ausreicht.

Seit wann beschäftigen Sie sich mit dem Thema Wasserversorgung der
Wasserstoffwirtschaft?

Ich habe bereits vor einigen Jahren angefangen, mich damit zu
beschäftigen. Das erste Projekt und die ersten Recherchen sind im Rahmen
des Leistungszentrums DYNAFLEX® gestartet. Wir haben dann die Themen auf
einer Internetseite »WHy: Wasser für die grüne Wasserstoffwirtschaft«
gebündelt, Informationen aufbereitet und Karten erstellt, die die
geplanten Wasserstoffstandorte in Verbindung mit dem Trockenheitsindex
darstellen. Parallel dazu gab es immer mehr Anfragen auch aus der Politik
und wir haben folglich im letzten Jahr das Projekt EnAqua-Dialog
gestartet.

Was genau ist das Ziel des EnAqua-Dialogs?

Unser Ziel ist es, die Nutzungskonflikte bei der Wasserversorgung einer
grünen Wasserstoffwirtschaft zu benennen, sie zu analysieren und in neuen
Dialogformaten Lösungen zu finden. Das beinhaltet zunächst eine
Identifikation sämtlicher Akteure und deren Bedürfnisse. Dazu zählen neben
Wasserstoffwirtschaft und Wasserversorgung insbesondere Kommunen,
Bürgerinnen und Bürger, Landwirtschaft, Industrie,
Naturschutzorganisationen und Verbände.

Wir betrachten auch zwei unterschiedliche Modellstandorte im Detail, um
Konflikte direkt auswerten und entsprechende Maßnahmen benennen zu können:
Emden in Ostfriesland, wo der Elektrolyseur im städtischen Umfeld stehen
wird und Arnsberg im Sauerland. Hier wird die Anlage im ländlichen Raum
realisiert. An beiden Standorten haben wir Stakeholder-Analysen und
Interviews mit den Akteuren durchgeführt. Die Akteure kommen nun in
mehreren Workshops und digitalen Diskussionsrunden zusammen. Gemeinsam
entwickeln wir Szenarien und Konzepte zum Lösen der bestehenden und
potenziellen Konflikte. Die Szenarien beziehen sich auf verschiedene
Zeithorizonte und berücksichtigen Randbedingungen wie die Wassersituation,
den Klimawandel und die Entwicklung der Region.

Wie setzt sich das Projektkonsortium des EnAqua-Dialogs zusammen?

Fraunhofer UMSICHT leitet das Projekt und liefert den wissenschaftlichen
Input. Dann gibt es die EPC gGmbH, die den Dialogprozess entwickeln wird
und das IZES Institut für Zukunftsenergie- und Stoffstromsysteme gGmbH,
das u. a. für die Interviews, die Begleitung der Workshops und den
Ergebnistransfer verantwortlich ist.

Gibt es noch die Möglichkeit, in den Dialog einzusteigen?

Die Homepage zum EnAqua-Dialog ist vor kurzem online gegangen. Dort gibt
es ein Formular, in das sich Interessierte für den Beteiligungsprozess
eintragen können. Also: Ja, es ist nach wie vor möglich, einzusteigen. Es
handelt sich bei den ersten Workshops um reine Expert*innen-Workshops, die
den fachlichen Austausch der Akteure in einem vertraulichen Raum erlauben.
In der nächsten Runde folgen die Transferworkshops, an denen alle
interessierten Personen teilnehmen können. Es kann sich zunächst einmal
jeder bzw. jede anmelden und sich mit der eigenen Meinung einbringen.
Genau darauf sind wir angewiesen.

Wie schwierig ist es, die unterschiedlichen Interessensvertretungen an
einen Tisch zu bekommen?

Das hängt stark vom jeweiligen Akteur und den Gegebenheiten vor Ort ab. In
Sande zum Beispiel – dort soll in Zukunft eine Elektrolyseanlage mit bis
zu 2,4 GW Kapazität entstehen – sind die Bürgerinnen und Bürger besorgt um
ihre Wasserressourcen. Und das, obwohl die maximal benötigten bis zu 3
Millionen m3 Wasser jährlich aus alternativen Wasserquellen wie Abläufen
von Kläranlagen entnommen werden sollen. Der NABU hat sich inhaltlich gut
vorbereitet und eine lange Fragenliste an den dortigen Wasserverband und
den zuständigen Energieversorger geschickt. Allgemein fordern der NABU und
viele Bürgerinnen und Bürger mehr Transparenz und Beteiligung. Kommunen
möchten Kontroversen rund um das Thema Wasserstoff möglichst vermeiden und
sind daher in der Mehrzahl noch relativ still. Bei den Wasserbehörden und
-verbänden herrscht eine gewisse Unsicherheit, dass Wasser nicht immer
ausreichend bereitgestellt werden kann. Positiv hervorzuheben ist, dass
viele Betreiber von Wasserstoffstandorten sensibilisiert und relativ offen
für Gespräche sind. Die Kommunikation mit mehreren Herstellern von
Elektrolyseuren gestaltet sich leider noch sehr schwierig.

Der EnAqua-Dialog läuft seit gut einem Jahr. Was erwarten Sie für
Ergebnisse?

Für den Standort Emden erwarte ich eine lebhafte Diskussion und spannende
Konzepte. Das zeichnet sich durch die geführten Interviews bereits ab.
Bestmöglich haben wir am Ende einen Konsens über die nächsten Schritte –
und es kann wirtschaftlich sowie umweltverträglich grüner Wasserstoff
produziert werden. In Arnsberg ist die Planung des Standorts noch nicht so
weit fortgeschritten. Zudem ist die Wassersituation dort günstiger. Hier
ist die Richtung noch weitestgehend offen, in die der Dialog verlaufen
wird.

Herstellung von grünem Wasserstoff: Der ideale Standort
Ausreichende Verfügbarkeit erneuerbare Energien
Umspannwerk zur Übertragung elektrischer Energie von einer Spannungsebene
auf die andere
Ausreichende Wasserversorgung (Quantität und Qualität)
Eine geeignete Abnehmerstruktur (z. B. Chemieindustrie, Stahlindustrie,
Energieerzeuger etc.) und/oder Zugang zum Wasserstoffnetz

Originalpublikation:
https://www.umsicht.fraunhofer.de/de/presse-medien/pressemitteilungen/2025
/enaqua-dialog.html