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Beteiligungsverfahren bremsen die Energiewende nicht aus

Projektleiterin Franziska Mey (RIFS Potsdam) bei der Vorstellung der Ergebnisse  Quelle: Silke Reents  Copyright: BePart-Projekt
Projektleiterin Franziska Mey (RIFS Potsdam) bei der Vorstellung der Ergebnisse Quelle: Silke Reents Copyright: BePart-Projekt
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Beteiligungsverfahren führen nicht zu Verzögerungen bei der Energiewende,
sondern tragen zur Konfliktlösung und Akzeptanz bei. Trotz des Aufwandes
sind sie daher eine lohnende Investition. Das haben Forschende des
Forschungsinstituts für Nachhaltigkeit, des ECOLOG-Instituts, des
Bündnisses Bürgerenergie e.V. und der Renewables Grid Initiative in dem
Forschungsprojekt „Quo vadis, Beteiligung?

Bewertung von Partizipation in
Energieprojekten“ (BePart) nachgewiesen. Sie werteten Beteiligungsformate
in rund 200 Wind-, Freiflächensolar- und Übertragungsnetzausbauprojekten
in ganz Deutschland aus. Am 11. September stellten sie den
Abschlussbericht in Berlin vor.

„Die Beteiligung von Gemeinden sowie Bürgerinnen und Bürgern wird zu einem
zentralen Element in der Umsetzung der Energiewende. Sie gilt einerseits
als Schlüssel für einen konfliktarmen Ausbau der Erneuerbaren,
andererseits wird sie aber auch als potenzieller Bremsklotz für eine
zügige Realisierung wahrgenommen. Wir wollten wissen, was Beteiligung
wirklich für Auswirkungen auf das Tempo und die Akzeptanz von
Energiewende-Projekten hat“, sagte Projektleiterin Franziska Mey vom
Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit. Das Ergebnis: Wenn
Beteiligungsverfahren qualitativ hochwertig und an die lokalen Bedingungen
angepasst sind, können sie Konflikte minimieren, die Akzeptanz erhöhen und
Impulse für die regionale Wirtschaft setzen. Damit leisten sie einen
Beitrag für den schnellen Ausbau vor Ort.

Behördliche Prozesse verantwortlich für Verzögerungen

Dabei zeigten sich je nach Technologie jedoch auch Unterschiede: Bei
Windenergie an Land und Photovoltaik-Freiflächenanlagen hatten
Beteiligungsmaßnahmen keinen nennenswerten Einfluss auf die
Projektlaufzeit. Verzögerungen entstanden in fast der Hälfte der Fälle
durch behördliche Genehmigungsverfahren und Planungsprozesse, während die
Beteiligungsmaßnahmen selbst nur eine geringe Rolle spielten. Nur in
wenigen Fällen führten Mitspracherechte, beispielsweise bei
Projektanpassungen, zu Verzögerungen.

Beim Netzausbau hingegen verlängerten Beteiligungsverfahren einzelne
Projekte. Die Forschenden führen das auf die höhere Komplexität der
Planungs- und Genehmigungsprozesse und die größere Anzahl von Akteuren
zurück. Beteiligung lohne sich dennoch, weil sie das Vertrauen in eine
gerechte Umsetzung der Energiewende fördere.

Finanzielle Beteiligung steht im Zusammenhang mit Konflikten

Die Forschenden wiesen auch einen Zusammenhang zwischen
Beteiligungsmaßnahmen und Konflikten nach. Die Auswertung der Umfragedaten
und Interviews zeigte, dass in vielen Fällen vorhandene Konflikte den
Impuls gaben, mehr Menschen - auch finanziell - zu beteiligen.

Als zentrale Strategie setzten die Projektverantwortlichen bei Konflikten
auf intensive Kommunikationsmaßnahmen: Sie boten Informations- und
Dialogveranstaltungen an und setzten bei verhärteten Konflikten auch
Mediationsverfahren ein. Die Forschenden empfehlen, diese Ansätze künftig
stärker durch eine gezielte lokale Wertschöpfung, etwa durch lokale
Auftragsvergabe oder finanzielle Bürgerbeteiligung, zu ergänzen.

In knapp der Hälfte der Wind- und PV-Freiflächen-Projekte fließen bereits
Mittel direkt an die Kommunen. Manche Bundesländer, wie Brandenburg,
schreiben dies verpflichtend vor. Diese Zahlungen wirken jedoch nicht
automatisch konfliktmindernd, wie die Forschenden feststellten. Vielmehr
komme es auf regionale Dynamiken an: Kooperationsbereitschaft, Skepsis
gegenüber Veränderungen und die Anfälligkeit für Falschinformationen
spielten eine größere Rolle als die finanzielle Beteiligung der Kommune.

In einigen Regionen mit bereits stark ausgebauter Windenenergie zeigten
sich bereits erste Sättigungseffekte in der Bevölkerung.
Interviewpartnerinnen und -partner schlossen aus, dass
Beteiligungsmaßnahmen hieran etwas ändern könnten. Sie berichteten zudem
von zunehmenden Polarisierungen in kommunalen Entscheidungsgremien, die
den Ausbau erschwerten.

Standards und Siegel für gute Beteiligungspraxis können helfen

Für die weitere Umsetzung der Energiewende empfehlen die Forschenden, beim
Projektmanagement gezielter zu kommunizieren und auch engagierte
Bürgerinnen und Bürger vor Ort als Mittler einzusetzen. Sie könnten eine
wichtige Brückenfunktion zwischen den Projektträgern und der lokalen
Bevölkerung einnehmen. Bei der Wahl der Beteiligungsformen sollten
Projektierer und Kommunen Konfliktdynamiken vor Ort berücksichtigen.
Beteiligungsmaßnahmen müssten an die Situation angepasst werden. Wenn die
Fronten bereits verhärtet sind, brauche es professionell moderierte
Veranstaltungen und manchmal auch aufwändigere Mediationsverfahren. Dafür
müssten die Landesregierungen Ressourcen bereitstellen, weil gerade
kleinere Kommunen diese in der Regel nicht hätten.

Die Analysen machten auch deutlich, dass eine gelungene Beteiligung in
abgeschlossenen Projekten auf den Erfolg der heutigen Energiewende einen
positiven Einfluss hat. Die Forschenden sehen das als Anreiz, wenn nötig
auch gesetzliche Vorgaben für die Beteiligung zu machen – die allerdings
lokal angepasste Lösungen nicht verhindern dürften. Einige Landkreise,
darunter Steinfurt (NRW), und das Land Thüringen haben bereits Standards
und Siegel für gute Beteiligungspraxis eingeführt. Dies könne anderen als
Vorbild dienen.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Franziska Mey
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Originalpublikation:

Mey, F., Ebersbach, B., Holstenkamp, L., Kriel, C., Meese, L., & Rokitta,
L.-M. (2025). BePart – Zur Wirkung von Beteiligung in der Energiewende.
RIFS Brochure.
https://publications.rifs-
potsdam.de/rest/items/item_6004687_1/component/file_6004688/content