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COP30: Von Klimagipfeln des Öls zum Klimagipfel der Natur

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Die Vorbereitung des Weltklimagipfels in Belém fiel in eine geopolitisch
schwierige Zeit. Deshalb konzentriert sich die COP30 offenbar auf zwei
Themen: auf die Finanzierung der Klimaanpassung und den Tropenwaldschutz.
Hier scheinen noch Erfolge möglich, sagt der Klimaökonom Prof. Reimund
Schwarze vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), der die
Ausgangslage analysiert.

Symbolträchtig ist der Austragungsort der 30. Vertragsstaatenkonferenz
(COP30) der UN-Klimarahmenkonvention gewählt. Belém, die Hafenstadt im
Nordosten Brasiliens, ist das Eingangstor zum größten zusammenhängenden
Tropenwald der Erde, dem Amazonasbecken. Diese „grüne Lunge“ unseres
Planeten beherbergt noch immer 6 Millionen Quadratkilometer dichten
Regenwalds – eine Fläche, mehr als halb so groß wie Europa. Die
Amazonaswälder,der einzigartige Hort biologischer Vielfalt, sind akut von
Abholzung bedroht. Früher wirkte der Regenwald als Gegenspieler zu den
weltweit immerzu steigenden CO2-Emissionen. Heute nimmt das Amazonas-
Becken aber nur noch rund 13,9 Milliarden Tonnen CO2 jährlich auf, gibt
aber 16,6 Milliarden Tonnen CO2 in die Umwelt ab. Von einer Senke wurden
die Gebiete zu einer Quelle von CO2. Manche Klimaforscher sehen die
Amazonaswälder bereits an einem Kipppunkt.

Dass das Thema „Tropenwald“ weit oben auf der Tagesordnung eines
Weltklimagipfels steht, darf daher nicht überraschen. Nachdem die
vergangenen drei Klimatreffen in Ölstaaten wie Ägypten, Aserbaidschan und
den Vereinigten Arabischen Emiraten stattfanden, erwarten nunmehr viele
einen Perspektivwechsel – weg vom Thema „Öl“ und hin zum Thema „Natur“.
Neue Impulse für die grünen Themen sind auf dem Gipfel durch den 2023
wiedergewählten brasilianischen Präsidenten Lula da Silva und der
wiedereingesetzten Umwelt- und Klimaministerin Marina Silva zu erwarten.
Immerhin gilt Silva als Brasiliens „Stimme für das Klima“.

Doch es gilt die Regel: Nur, was in den Vorverhandlungen gut vorbereitet
wurde, kann auf dem Klimagipfel zu einem Erfolg werden. Der politische
Anlauf zur COP30 ist aber leider überschattet durch geopolitische
Zerwürfnisse, Kriege und das Ausscheiden der USA – wie auch Argentiniens –
aus der Gemeinschaft der Vertragsstaaten. Deshalb konzentriert sich die
COP-Präsidentschaft offenbar auf zwei Themen, bei denen politische Erfolge
noch möglich scheinen – auf die Finanzierung von Klimaanpassung sowie auf
den Tropenwaldschutz.

Finanzierung von Klimaanpassung

Schon lange ist die strukturelle Unterfinanzierung der Klimaanpassung in
den Entwicklungsländern ein Thema auf den Gipfeltreffen. Bis heute wird
das „Global Goal on Adaptation“ (GGA) aus dem Pariser Übereinkommen klar
verletzt. Das dort verankerte globale Anpassungsziel sieht vor, die
weltweite „Anpassungskapazität zu verbessern, die Resilienz zu stärken und
die Verwundbarkeit gegenüber dem Klimawandel zu verringern.“

Ursprünglich von der Afrikanischen Verhandlungsgruppe eingebracht, dient
das globale Anpassungsziel dazu, politische Maßnahmen und die Finanzierung
für Klimaanpassung weltweit im selben Umfang voranzutreiben wie die
Emissionsminderung selbst. Dies verlangt konkrete, messbare Ziele und
Handlungsleitlinien für globale Anpassungsmaßnahmen sowie eine
Anpassungsfinanzierung für die Entwicklungsländer durch die
Industrieländer.

Das bestehende Handlungsdefizit bei der Anpassungsfinanzierung ist
gravierend. Der neue „Adaptation Gap“-Bericht der UN beziffert die Kosten
der Anpassungsfinanzierung, die für die Entwicklungsländer benötigt
werden, auf jährlich 310 bis 365 Milliarden US-Dollar bis ins Jahr 2035.
Zugleich belief sich die internationale öffentlichen
Anpassungsfinanzierung für die Entwicklungsländer 2023 auf nur 26
Milliarden US-Dollar – und die Tendenz ist seitdem abnehmend!

Der Bedarf nach Anpassungsfinanzierung in Entwicklungsländern ist damit
12- bis 14-Mal so hoch ist wie der aktuelle Geldfluss. Damit nicht genug:
Bereits 2021 hatte der Glasgower Klimagipfel beschlossen, den Mittelfluss
auf 40 Milliarden US-Dollar bis 2025 zu verdoppeln. Das Glasgower
„Feuerwerk“ der Finanzversprechen in Höhe von 356 Millionen US-Dollar
verkam in den Folgejahren leider zu einem Strohfeuer.

Geltende Grundlage für die Verhandlungen zum globalen Anpassungsziel ist
die so genannte Baku Adaptation Roadmap (BAR). Sie fordert Fortschritte
vor allem bei der Messung der Wirksamkeit von Anpassungsmaßnahmen in den
Entwicklungsländern. Das ist ein vergleichsweise schwieriges Vorhaben, da
es sich nicht wie bei der Emissionsminderung um ein „großes“ Null-
Emissionsziel handelt, sondern Anpassung wird anhand von mehr als 100
Unterzielen der Krisen- und Katastrophenabwehr sowie -bekämpfung mit
zugleich starken lokalen Bezügen gemessen. Diese Unterziele zu bereinigen
und messbar zu machen, darin ist man schon bei der Vorbereitung des
Klimagipfels in Sharm El Sheikh 2023 sowie jetzt erneut im Vorfeld des
Belémer Gipfels gescheitert. Die Hoffnung auf schnelle Erfolge bei der
COP30 ist daher unbegründet.

Beim Thema Anpassungsfinanzierung rechne ich damit, dass sich die Staaten
darauf einigen, die Roadmap von Baku weiter zu konkretisieren und
politisch handhabbarer zu machen. Greifbare Ergebnisse wird es
voraussichtlich erst bei der zweiten globalen Bestandsaufnahme geben. Die
ist für 2028 (COP33) geplant und wird voraussichtlich in Indien
stattfinden. Eine Neuauflage des „Feuerwerks“ von Glasgow für die
Anpassungsfinanzierung erwarte ich bei COP30 nicht.

Finanzierung von Tropenwaldschutz

Mit den absehbaren Problemen bei der Klimaanpassung rückt nunmehr der
Tropenwaldschutz auf Platz 1 der Verhandlungsthemen von Belém,
insbesondere auch dessen Finanzierung. Auch hier lautet der Befund, dass
die Umsetzung der wiederholten Gipfelbekenntnisse zum Tropenwaldschutz
bislang an unzureichenden Geldmitteln scheiterte. Solange Abholzung
lukrativer ist als der Erhalt von Biodiversität und die Honorierung der
Klimaleistungen der Tropenwälder, laufen auch wohlgemeinte Programme ins
Leere.

Zur Honorierung des Klimabeitrags ihres Waldes haben die Brasilianer ein
neues Finanzinstrument entwickelt – die „Tropical Forest Forever Facility“
(TFFF). Frühere Schutzprogramme bezogen sich auf die Gefährdung von
Regenwaldflächen. Die ist naturgemäß hypothetisch und schwer messbar. Die
TFFF geht anders heran: Sie knüpft an die erwünschten Ergebnisse des
Tropenwaldschutzes wie die Wirksamkeit als CO2-Senke, den Erhalt der
Biodiversität und anderes an und verbindet diese mit finanzieller
Honorierung. Zugleich wird mit der TFFF ein Modell der Finanzierung
vorgeschlagen, das sicherstellen soll, dass nicht isolierte Projekte des
Tropenwaldschutzes umgesetzt werden, sondern überall in der Welt, wo
Tropenwälder vorhanden sind, Zahlungen für die Ökosystemleistungen von bis
zu 4 US-Dollar je Hektar zusammenkommen.

In der TFFF sollen private und öffentliche Geldgeber aus Industrie- und
Entwicklungsländern auf einer Plattform zusammenkommen. Das Versprechen
lautet: Wenn die OECD-Länder 25 Milliarden US-Dollar einzahlen, können
mithilfe privater Finanzakteure wie Banken Mittel von insgesamt 125
Milliarden US-Dollar „gehebelt“ werden. Dieses Geld soll dann, vereinfacht
gesagt, in großem Umfang in Anleihen aus Schwellenländern investiert
werden und dort Gewinne erwirtschaften. Das wird dadurch erleichtert, dass
der TFFF auf staatlichen Geldern aus den OECD-Ländern basiert, was
geringere Risikoaufschläge mit sich bringt. Je mehr Regenwald ein Land
schützen kann, desto mehr Geld soll es erhalten. Wird die Abholzung aber
fortgesetzt, sollen Strafen fällig werden.

Kritiker der TFFF sehen das Modell vor allem als Finanzmarktspekulation.
Wäre es so einfach, aus unterschiedlichen Risikoratings Gewinne zu
generieren, hätten andere Investoren dieses Renditepotenzial bereits
ausgeschöpft, heißt es.

Meiner Meinung nach ist die TFFF-Initiative klimapolitisch grundsätzlich
positiv zu bewerten, da die Empfängerländer auf nationaler Ebene einen
stärkeren Anreiz für effektive Maßnahmen zum Erhalt und für die
nachhaltige Nutzung der Tropenwälder bekommen. Die Zersplitterung der
bisherigen Einzelprojekte zum Waldschutz würde durch ein Modell der
Zahlungen für Ökosystemleistungen überwunden. Die Ankündigung des
deutschen Umweltministers, dass sich Deutschland am Fonds beteiligen wird,
kam zwar in letzter Minute, zeigt aber, dass Deutschland sich zur
Verantwortung gegenüber den Ländern des globalen Südens bekennt und ist
hoffentlich Signal für weitere Zusagen der Industriestaaten.

Neben den Debatten um Klimaanpassung und Tropenwaldschutz wird es in Belém
– wie zuletzt auf jedem Klimagipfel –hitzige Debatten um fossile
Brennstoffe geben. Sie gehören einfach zu jedem Klimagipfel, auch bei
einer Natur-COP.

Zur Person:

Prof. Dr. Reimund Schwarze ist Klimaökonom am Helmholtz-Zentrum für
Umweltforschung (UFZ) in Leipzig und Professor an der Europa-Universität
Viadrina Frankfurt (Oder). Seit 20 Jahren untersucht er internationale
Klimaverhandlungen aus politisch-ökonomischer Perspektive und entwickelt
Modelle zur Verbesserung der globalen Klimapolitik.