Graphic Novel erzählt von NS-Opfern aus Siegen
Die Universität Siegen und das Aktive Museum Südwestfalen starten ein
außergewöhnliches Erinnerungsprojekt: Die Schicksale von fünf NS-Opfern
aus Siegen sollen in einer Graphic Novel erzählt werden. Zum Auftakt
dieses besonderen Projekts findet die Tagung „Transnationalen Erinnerung
in der grafischen Literatur“ an der Uni Siegen statt.
Wie kann man über den Holocaust erzählen und damit auch Kinder und
Jugendliche erreichen? Diese Frage steht im Zentrum eines besonderen
Projekts, das Kunst, Wissenschaft und Erinnerung miteinander verbindet.
Die Universität Siegen und das Aktive Museum Südwestfalen bringen
Geschichte in Bewegung – in Linien, Farben und Bildern. Eine Tagung zur
„Transnationalen Erinnerung in der grafischen Literatur“ ist der Auftakt
eines Projekts, das die Schicksale von NS-Opfern aus Siegen in einer
Graphic Novel sichtbar machen wird.
Der Holocaust – ein Menschheitsverbrechen, dessen Schrecken kaum in Worte
zu fassen ist. Doch Bilder können Wege öffnen, wo Sprache an Grenzen
stößt. Comics und Graphic Novels schaffen es, Emotionen und Erinnerungen
neu zu wecken – gerade für junge Generationen, die heute kaum noch
Zeitzeug*innen begegnen. „Wir möchten zeigen, dass Erinnerung nicht
stillsteht, sondern weiterlebt – in künstlerischen Formen, die berühren
und zugleich bilden“, sagt Dr. Jana Mikota, Literaturdidaktikerin an der
Universität Siegen.
Die Tagung (13. bis 15. November) beginnt im Aktiven Museum Südwestfalen.
Den Auftakt bildet um 16 Uhr ein Kreativ-Workshop mit der Illustratorin
Inbal Leitner, gefolgt von einer öffentlichen Lesung um 18 Uhr: Autorin
und Künstlerin Stephanie Lunkewitz liest im Seminarzentrum am Obergraben
in Siegen aus ihrem Buch „Ich war Eva Diamant“.
An der Tagung nimmt neben Stephanie Lunkewitz und Inbal Leitner auch die
Illustratorin Lisa Rock teil. Sie alle arbeiten derzeit an der Graphic
Novel, die fünf Biografien von Opfern des Nationalsozialismus aus Siegen
künstlerisch aufgreift. Diese Geschichten – von jüdischen Jugendlichen,
Zwangsarbeiter*innen und Euthanasie-Opfern – zeigen, wie der NS-Terror bis
in ländliche Regionen hineinwirkte. Dem Projekt ist es ein Anliegen, viele
Opferperspektiven zu dokumentieren, um die menschenverachtende Ideologie
in seiner erschreckenden Breite darzustellen.
„Siegen war kein Ort der großen Geschichte, aber ein Ort, an dem sich
Geschichte eben auch und genauso folgenreich ereignete“, betont Dr. Jens
Aspelmeier, Geschichtsdidaktiker und Vorstand des Aktiven Museums. „Gerade
aus der Perspektive einer Mittelstadt wird sichtbar, wie tief die
Ideologie des Nationalsozialismus in den Alltag hineinreichte.“
Unterstützt werden die Künstlerinnen durch Zeitzeugen wie die Siegener
Traute Fries und Peer Ball, die ihre persönlichen Erinnerungen, Recherchen
und familiären Geschichten in den kreativen Prozess einbringen. So
entsteht ein vielschichtiges Werk, das historisches Wissen, künstlerische
Perspektiven und individuelle Lebensgeschichten miteinander verbindet.
Das Ziel des Projekts: Erinnerung sichtbar und erfahrbar machen – nicht
als fernes Kapitel, sondern als lebendige Verantwortung. Die fertige
Graphic Novel wird im Ariella Verlag veröffentlicht und didaktisch für
Schulen aufbereitet, um Lehrkräften neue Wege im Unterricht zu eröffnen.
„Wir wollen Brücken schlagen – zwischen Vergangenheit und Gegenwart,
zwischen Forschung, Kunst und Bildung“, sagt Prof. Dr. Daniel Stein. „Denn
Erinnerung ist nichts Statisches. Sie verändert sich – so wie die Formen,
in denen wir sie erzählen.“
Begleitet wird das Projekt wissenschaftlich von Dr. Jana Mikota
(Germanistik), Prof. Dr. Daniel Stein (Amerikanistik und Comicforschung)
und Dr. Jens Aspelmeier. Es knüpft an eine Reihe von Lehrveranstaltungen
und Forschungsprojekten an, die seit 2024 mit Unterstützung des
Zukunftsfonds gegen Antisemitismus (Ministerium für Kultur und
Wissenschaft NRW) durchgeführt wurden.
