Zeitpunkt des Essens verändert Lipidprofil bei intermittierendem Fasten
Wann wir essen, beeinflusst, wie unser Körper Fette verarbeitet. Eine am
Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD) und am Deutschen Institut
für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) durchgeführte Studie
zeigt: Wer früher am Tag isst, verändert im Vergleich zu einem späteren
Essenszeitfenster und bei gleicher Kalorienzufuhr und der
Nährstoffzusammensetzung seinen Fettstoffwechsel messbar.
Intermittierendes Fasten, auch Intervallfasten oder Time-Restricted Eating
(TRE) genannt, gilt als eine der vielversprechendsten Ernährungsstrategien
zur Prävention von Adipositas und Typ-2-Diabetes. Dabei wird die tägliche
Nahrungsaufnahme auf ein festes Zeitfenster begrenzt – meist acht Stunden.
Bislang war unklar, ob es für den Fettstoffwechsel eine Rolle spielt, wann
innerhalb des Tagesverlaufs die Nahrungsaufnahme stattfindet.
Ein Team um Olga Ramich, Heisenberg-Professorin am Deutschen Institut für
Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) und der Charité –
Universitätsmedizin Berlin, hat dies mit der ChronoFast-Studie untersucht.
In dieser randomisierten Crossover-Studie folgten 31 Frauen mit
Übergewicht oder Adipositas beim TRE zwei Ernährungsphasen: zwei Wochen
Essen während eines frühen Zeitfensters (8 bis 16 Uhr) und zwei Wochen
während eines späten Zeitfensters (13 bis 21 Uhr), jeweils bei nahezu
gleicher Kalorienzufuhr und Nährstoffzusammensetzung. Vor und nach jeder
Interventionsphase wurde den Teilnehmerinnen Blut abgenommen und nach den
Interventionen jeweils zusätzlich eine Probe aus dem Unterhautfettgewebe
am Bauch entnommen.
Lipidomik gewährt Einblick in den Lipidstoffwechsel
Die Forschenden analysierten mit modernster Lipidomik* über 300 Lipide und
lipidähnliche Moleküle im Blutplasma. Ihr Ergebnis: Nur beim frühen Essen
(eTRE) kam es zu signifikanten Veränderungen des Lipidstoffwechsels.
Insgesamt nahm die Konzentration von 103 Lipidarten ab. Das galt
insbesondere für Ceramide und Phosphatidylcholine – Verbindungen, die bei
der Entstehung von Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine
Rolle spielen. Auch die Aktivität bestimmter Enzyme des Lipid-
Stoffwechsels veränderte sich beim eTRE deutlich.
„Wir sehen, dass der Zeitpunkt der Mahlzeiten einen Einfluss auf die
Regulation des Fettstoffwechsels hat“, sagt Ramich, die am DIfE die
Abteilung Molekularer Stoffwechsel und Präzisionsernährung leitet. „Frühes
Essen – also im Einklang mit den internen zirkadianen Rhythmen – führt zu
messbaren Veränderungen im Lipidprofil und der Enzymaktivität, während
spätes Essen diesen Effekt nicht zeigt.“
Molekulare Unterschiede auch im Fettgewebe
Um zu verstehen, wie es zu solchen Effekten kommt, untersuchten die
Forschenden die Genaktivität (Transkriptom) im Unterhautfettgewebe der
Studienteilnehmerinnen. Sie fanden deutliche Unterschiede zwischen frühem
und spätem Essen. Besonders betroffen war der Glycerophospholipid-
Stoffwechselweg, ein zentraler Prozess zum Aufbau von Zellmembranen und
zur Regulation von Entzündungen.
Anhand einer kombinierten Auswertung der Lipidom- und Transkriptomdaten
mittels des metaKEGG-Tools, das am DIfE entwickelt wurde, identifizierten
die Forschenden drei Gene, deren Aktivität sich je nach Essenszeit
unterschiedlich veränderte. Diese Gene kodieren die Enzyme, die Fettsäuren
aus Phospholipiden freisetzen und damit wichtige Umbauprozesse im
Fettgewebe steuern.
„Unsere Analysen zeigen, dass das Fettgewebe auf frühes und spätes Essen
unterschiedlich reagiert. So konnten wir einen spezifischen Signalweg
identifizieren, dessen Beteiligung an den Essenszeit-Effekten bisher
unbekannt war“, fasst Ramich zusammen.
Ein neuer Blick auf die innere Uhr des Stoffwechsels
Die Forschenden weisen darauf hin, dass es sich bei ihrer Untersuchung um
eine sekundäre Analyse der ChronoFast-Studie handelt. Zwischen frühem und
spätem Essen zeigten sich zwar keine großen Unterschiede in klassischen
Bluttest-Parametern wie Cholesterin oder Triglyzeriden – wohl aber auf
molekularer Ebene, was auf ein großes Potenzial von Lipidomik-Analysen
hinweist.
„Unsere Daten eröffnen neue Perspektiven auf das Konzept der
Chrononutrition in der Adipositas- und Diabetesprävention“, fasst Ramich
zusammen. „Sie deuten darauf hin, dass die Synchronisierung der Ernährung
mit der inneren Uhr eine wirksame Strategie sein könnte, um den
Fettstoffwechsel zu optimieren und Stoffwechselerkrankungen vorzubeugen.“
Hintergrundinformationen:
Die ChronoFast-Studie wurde am Deutschen Institut für Ernährungsforschung
Potsdam-Rehbrücke (DIfE) in Kooperation mit der Charité –
Universitätsmedizin Berlin durchgeführt. Beteiligt waren außerdem
Forschende der Lipotype GmbH (Dresden). Die Studie wurde von der Deutschen
Forschungsgemeinschaft (DFG), der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG),
der European Association for the Study of Diabetes (EASD) und dem
Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD) e.V. gefördert.
Die Lipidomik befasst sich mit der umfassenden Analyse aller Lipide, also
Fette und fettähnliche Moleküle, in biologischen Systemen wie Zellen,
Geweben oder Körperflüssigkeiten. Zur Charakterisierung der Lipide kommen
vielfältige Techniken wie Massenspektroskopie,
Kernspinresonanzspektroskopie, Fluoreszenzspektroskopie und Duale
Polarisationsinterferometrie zum Einsatz. Das Ziel ist es, die Vielfalt,
Funktionen und Wechselwirkungen von Lipiden zu erfassen sowie zu
verstehen, wie sich deren Zusammensetzung unter verschiedenen Bedingungen
verändert - etwa bei Krankheiten, durch Ernährung oder Medikamente.
metaKEGG ist ein innovatives integriertes Softwarepaket, das eine
umfassende Visualisierung und Analyse von molekularen Signalwegen über
mehrere Omics-Ebenen ermöglicht. Durch die Kombination von Genexpression,
DNA-Methylierung, miRNA-Zielen und Metaboliten/Lipiden bietet metaKEGG
einen einheitlichen Blick auf die molekularen Mechanismen, denen
Gesundheit und Krankheit zugrunde liegen.
In dieser Studie wurde metaKEGG verwendet, um die gewonnenen
Genexpressions- und Lipidomik-Daten zu integrieren und einen einheitlichen
Blick darauf zu geben, wie zeitbeschränktes Essen den Lipidstoffwechsel im
Fettgewebe sowohl auf molekularer als auch auf metabolischer Ebene
beeinflusst. Beim Glycerophospholipid-Signalweg offenbarte das Tool
direkte Interaktionen zwischen veränderten Plasmalipiden und der
Expression von Phospholipase-Genen, die mit der Lipidregulation in
Verbindung stehen.
metaKEGG ist ein Open Source-Projekt(https://github.
bioinformatics/metaKEGG) und wird vom Datenmanagement-Team des Deutschen
Zentrums für Diabetesforschung (DZD) unter https://metakegg.apps.dzd-
ev.org bereitgestellt.
