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Neuartiger Hochtemperaturofen ermöglicht Umstellung auf klimaneutrale Brennprozesse

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Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft muss die Industrie
CO2-Emissionen drastisch senken. Unternehmen mit großskaligen
Brennprozessen, wie in der Keramikbranche oder der Metallverarbeitung,
stellt das vor enorme Herausforderungen. Forschende am Fraunhofer IKTS in
Arnstadt/Thüringen haben einen neuartigen Wasserstoff-Hochtemperaturofen
entwickelt, der CO2-freie Brennprozesse bei gleichbleibender Qualität
ermöglicht.

Der Hochtemperaturofen am Standort Arnstadt des Fraunhofer IKTS kann mit
Erdgas oder Wasserstoff betrieben werden. Dies bietet Unternehmen die
Möglichkeit, vergleichende Versuche für ihre konkreten Brenn- bzw.
Sinterprozesse zu fahren und diese letztendlich auf klimafreundliche
Wasserstofföfen umzustellen.

Zwei verschiedene Energiemöglichkeiten und gleiche Betriebsbedingungen bei
Sinterprozessen

Das Hochtemperaturofen-Projekt wurde durch das Land Thüringen im Rahmen
der Sonderfinanzierung »Industrielle Wasserstofftechnologien Thüringen
(WaTTh)« mit 10,3 Mio. Euro gefördert. Umgesetzt wurde es in Kooperation
mit dem Ofenbauer Riedhammer aus Nürnberg. Es existieren zwar bereits
wasserstoffbetriebene Brennöfen, die aber keinen Erdgasbetrieb erlauben.
Der Ofen in Arnstadt kann mit beiden Brennstoffen betrieben werden. »Das
ist bisher weltweit einzigartig«, sagt Dr. Olga Ravkina, Gruppenleiterin
Hochtemperaturmembranen und -speicher am IKTS. »Denn damit sind wir in der
Lage, Brennprozesse mit Erdgas sowie mit Wasserstoff an verschiedenen
keramischen Werkstoffen oder Metallen vergleichend zu untersuchen. Der
Einfluss des Brenngaswechsels auf die finale Produktqualität lässt sich
auf diese Weise sehr gut beurteilen«. Das Fraunhofer IKTS bietet zudem
umfangreiche Analysekapazitäten für eine begleitende chemische und
mechanische Charakterisierung des gesinterten Materials an.

Der Brennraum sowie die Temperaturverteilung bleiben beim Brenngaswechsel
gleich. Es müssen lediglich die insgesamt fünf Brennerköpfe getauscht
werden. Somit sind gute Vergleichsmöglichkeiten gegeben, um
herauszufinden, ob ein Brenngaswechsel Veränderungen am Produkt
verursacht. Der Sinterofen bietet einen Nutzraum von 500 Litern, eine
ideale Größe für Feldversuche, um letztlich die Ergebnisse auf
Industrieöfen übertragen zu können. Die maximale Temperatur liegt bei 1700
°C und die installierte Ofenleistung bei 1000 kW. Pro Brennversuch können
150 kg Material gebrannt werden.

Moderne Sensortechnik überwacht Brennprozesse

Dank umfangreicher Sensortechnik und einem digitalen Monitoring sind die
kompletten Brennprozesse im Sinterofen sehr genau beobacht- und
protokollierbar. Mehrere Thermoelemente erfassen die Temperaturen an
unterschiedlichen Stellen im Ofen sowie bei der Nachverbrennung.
Aufheizgeschwindigkeit, Aufheizrate, Haltephasen sowie die Atmosphäre
gehören zu den Überwachungsgrößen. Das Brennmittel-Luft-Verhältnis lässt
sich für oxidierende und reduzierende Bedingungen einstellen. Deshalb
können sogar Entbinderprozesse, d. h. das thermische Entfernen von
organischen Zusatzstoffen aus der Keramik, vergleichend getestet werden.

Wirtschaftliche und umwelttechnische Vorteile durch grünen Wasserstoff

Da das Unterbrechen einer laufenden Fertigung sehr kostspielig ist, sind
produzierende Unternehmen häufig gar nicht in der Lage, Testläufe in den
eigenen Fertigungshallen zu fahren, um den Brennprozess auf andere
Brennstoffe ohne Qualitätseinbußen umzustellen. »Deshalb entwickelten wir
den Sinterofen«, begründet die Gruppenleiterin. »Unser Fokus liegt
zunächst auf Herstellern von Keramikprodukten, egal ob Industriekeramik,
Sanitärkeramik oder Haushaltskeramik. Doch auch Produzenten von
Metallteilen, die mit Hochtemperaturprozessen zu tun haben, wollen wir
ansprechen«.

Beim Brennvorgang mit Wasserstoff wird lediglich Wasserdampf als Abgas
ausgestoßen. Unternehmen mit umfangreichen Brennprozessen können so die
gesetzlichen Vorgaben für reduzierte CO2-Emissionen erfüllen. Herkömmliche
Öfen lassen sich mit neuen Brennern relativ kostengünstig auf
Wasserstoffbetrieb umrüsten. Und wenn der Wasserstoff über Elektrolyse
mittels Strom aus Solar- oder Windenergie gewonnen wird, dann gilt er als
umweltfreundlicher grüner Wasserstoff. Damit kommt der gesamte Prozess
ohne klimaschädliche Treibhausgase aus, was letztlich auch teure Klima-
Zertifikate einspart.