Lipödem und Diabetes: wenn 2 chronische Erkrankungen sich gegenseitig verstärken
DDG rückt die Wechselwirkungen in den Fokus und fordert ganzheitliche
Versorgung
Rund jede 10. erwachsene Frau in Deutschland lebt mit einem Lipödem –
einer chronischen, schmerzhaften Fettverteilungsstörung. Gleichzeitig ist
Diabetes eine der häufigsten chronischen Erkrankungen. Treffen beide
Diagnosen zusammen, verschärfen hormonelle und stoffwechselbedingte
Mechanismen die Situation im Alltag, in der Diagnostik und in der
Therapie. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) fordert mehr
Aufmerksamkeit und ein interdisziplinäres Behandlungskonzept. Das Thema
wurde auf der Kongress-Pressekonferenz der Diabetes Herbsttagung 2025 in
Mannheim beleuchtet.
„Das Lipödem ist eine schmerzhafte, chronisch fortschreitende, fast
ausschließlich bei Frauen auftretende Erkrankung mit disproportionaler
Fettvermehrung, vor allem an Armen, Hüften und Beinen auftretend und
begleitet von Druck- und Spontanschmerzen. In Deutschland sind über 10
Prozent der erwachsenen Frauen betroffen“, sagt Professorin Dr. med.
Claudia Eberle, Fachärztin für Innere Medizin, Endokrinologie &
Diabetologie (DDG & ÄK), Kardiologie & Notfallmedizin, Ernährungsmedizin
(DAEM/DGEM) sowie Infektiologie. „Gerade in hormonell sensiblen
Lebensphasen – Pubertät, Schwangerschaft, Menopause – sehen wir besondere
Herausforderungen. Das erfordert sensibilisierte Diagnostik und eine
interdisziplinär eng verzahnte Versorgung.“
Wenn sich Mechanismen gegenseitig verstärken
Lipödem und Diabetes können einander beeinflussen: Veränderungen im
Unterhautfettgewebe, Schmerzen und eine erschwerte Nutzung von Injektions-
und Sensorstellen belasten den Alltag. „Ich lebe seit meiner Pubertät mit
dem Lipödem und erhielt erst nach 12 Jahren die richtige Diagnose. Mit 21
kam Typ-1-Diabetes dazu“, berichtet Kathi Korn, Keynote-Speakerin,
Botschafterin für Menschen mit Diabetes und Autorin aus Walldorf. „Insulin
senkt meinen Blutzucker – kann aber das betroffene Fettgewebe wachsen
lassen. In verändertes Gewebe gespritzt, wirkt es oft schlechter und
langsamer. Das führt zu längeren Abständen zwischen Spritzen und Essen,
instabilen Werten und starken Schmerzen an Setzstellen.“
Versorgung braucht Sensibilität und Struktur
Für die Behandlung des Lipödems gibt es inzwischen genauere diagnostische
Kriterien und therapeutische Empfehlungen – etwa zu konservativen und
operativen Maßnahmen. „Entscheidend ist eine geschlechtersensible,
individuell angepasste Betreuung: Dazu gehören eine differenzierte
hormonelle Anamnese, eine auf die Patientin zugeschnittene Schmerz-,
Bewegungs- und Kompressionstherapie, psychosoziale Unterstützung sowie
eine verständliche Aufklärung über alle Behandlungsoptionen – und eine
individuell optimierte Diabetestherapie“, erklärt Eberle, Inhaberin der
W2-Professur für „Innere Medizin & Allgemeinmedizin“ an der
Universitätsmedizin Marburg – Campus Fulda und Hochschule Fulda –
University of Applied Science.
„Unser Ziel muss eine patientenzentrierte
Versorgung sein, die medizinische, psychosoziale und praktische Aspekte
gleichermaßen berücksichtigt und Patientinnen und Patienten in allen
Lebensphasen begleitet.“
Erfahrung, die den Alltag verändert
Bei Kathi Korn war eine Liposuktion der Wendepunkt: „Nach mehreren
Eingriffen an Oberarmen, Oberschenkeln und am Bauch wirkte mein Insulin
deutlich besser und schneller. Ich brauchte weniger Insulin, konnte alle
Setzstellen wieder verwenden und habe – zusammen mit Bewegung und
antientzündlicher Ernährung – stark an Gewicht verloren. Das ist ein Stück
Lebensqualität, das ich mir zurückerobert habe.“ Zugleich wünscht sie sich
mehr Unterstützung: „Liposuktionen sind teuer und werden nur unter engen
Voraussetzungen übernommen. Hier braucht es mehr Empathie und weniger
Bürokratie.“
Forschungslücken schließen, Qualität sichern
Trotz wachsender Aufmerksamkeit bestehen Evidenzlücken – etwa zur
Langzeitwirksamkeit von Therapien und zur Versorgungsrealität. „Wir
benötigen nationale Register, klare Qualitäts- und Indikationskriterien
und mehr geschlechtersensitive Versorgungsforschung“, betont Professorin
Eberle. Dazu gehört auch, gendermedizinische Inhalte in Ausbildung und
Weiterbildung zu verankern. Kathi Korn ergänzt: „Das Lipödem ist keine
optische Bagatelle. Diabetologinnen und Diabetologen sollten die
Besonderheiten der Insulintherapie bei Betroffenen kennen. Aufklärung in
Medizin, Medien und Politik ist überfällig.“
Themenschwerpunkt auf der Herbsttagung
Das Thema „Zwei Blickwinkel, ein Thema: Diabetes und Lipödem zwischen
Medizin und Erfahrung“ war Teil der Kongress-Pressekonferenz zur
„Frauengesundheit – Herausforderungen in allen Lebensphasen“ und wurde
auch im Rahmen eines eigenen Symposiums auf der Diabetes Herbsttagung 2025
vertieft. Dort beleuchteten Professorin Claudia Eberle und Kathi Korn die
medizinischen Hintergründe und die Perspektive der Betroffenen. Beide
machten deutlich: Lipödem und Diabetes können sich gegenseitig
beeinflussen – und verlangen ein individuelles Behandlungskonzept, das
sowohl die Diabetes- und die Lipödemtherapie als auch Körper und Psyche
gleichermaßen berücksichtigt. Ziel ist eine Versorgung, die Betroffene
früh erreicht, Schmerzen lindert und den Alltag spürbar erleichtert.
„Nur in der Interdisziplinarität kann eine optimierte Versorgung
entstehen, die Frauen wirklich hilft“, fasst Professorin Eberle zusammen.
Korn ergänzt: „Wissen teilen, sich austauschen und dranzubleiben – das
macht den Unterschied im Leben mit zwei chronischen Erkrankungen.“
Professor Dr. med. Karsten Müssig, Tagungspräsident der Diabetes
Herbsttagung 2025 und Chefarzt der Klinik für Innere Medizin,
Gastroenterologie und Diabetologie am Franziskus-Hospital Harderberg der
Niels-Stensen-Kliniken ergänzt: „Im Mittelpunkt der diesjährigen Diabetes
Herbsttagung 2025 standen die Förderung der Frauengesundheit und die
Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit, um eine
geschlechtersensible und ganzheitliche Versorgung von Frauen mit Diabetes
zu gewährleisten.“
Zur Pressemappe und dem Mitschnitt der Pressekonferenz:
https://www.ddg.info/pressekon
-diabetes-herbsttagung
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Über die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG):
Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) ist mit mehr als 9300 Mitgliedern
eine der großen medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften in
Deutschland. Sie unterstützt Wissenschaft und Forschung, engagiert sich
seit 1964 in Fort- und Weiterbildung, zertifiziert
Behandlungseinrichtungen und entwickelt Leitlinien. Ziel ist eine
wirksamere Prävention und Behandlung der Volkskrankheit Diabetes, von der
mehr als 9 Millionen Menschen in Deutschland betroffen sind. Zu diesem
Zweck unternimmt sie auch umfangreiche gesundheitspolitische Aktivitäten.
