Studie zu Wehrpflicht und „Gesellschaftsdienst“: Debatte braucht mehr Fakten, weniger normative Erwägungen
Die neue Studie „Gesellschaftsdienst und Wehrpflicht“ der Friedrich-Ebert-
Stiftung, erstellt von Holger Backhaus-Maul und Lina Hehl vom
Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ), analysiert die
aktuellen Debatten zur Wehrpflicht und zum Gesellschaftsdienst. Im Fokus
steht, dass sicherheitspolitische Argumente dominieren, praktische und
rechtliche Fragen jedoch oft unbeantwortet bleiben. Die Autor:innen
plädieren für eine faktenbasierte Diskussion und die Stärkung freiwilliger
Engagements statt neuer Pflichtdienste.
Leipzig/Halle, 20. November 2025 – Wehrpflicht und „Gesellschaftsdienst"
werden derzeit intensiv und kontrovers diskutiert. Doch wie haben sich
diese vielschichtigen Positionen in Politik und Gesellschaft seit der
Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 entwickelt?
Die neue Studie „Gesellschaftsdienst und Wehrpflicht" der Friedrich-Ebert-
Stiftung wurde von Holger Backhaus-Maul und Lina Hehl vom
Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusam-menhalt (FGZ) erarbeitet. Sie
rekonstruieren Positionen und Argumentationsmuster wesent-licher Akteure
und fragen nach dem substanziellen Gehalt der jeweiligen Positionen.
Sicherheitspolitische Überlegungen dominieren – organisationale und
finanzielle Fragen bleiben unbeantwortet
Seit Beginn des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine ist das Thema
Wehrpflicht wieder allgegenwärtig. Die Analyse zeigt jedoch:
Sicherheitspolitische Überlegungen stehen im Zentrum und wichtige Fragen
zur Realisierbarkeit werden kaum thematisiert. Die für eine Wehrpflicht
notwendigen Strukturen wurden seit 2011 abgebaut – ein Wiederaufbau wäre
teuer und komplex. Eine breite gesellschaftliche Debatte über die Folgen
hat bislang nicht stattgefunden.
Gesellschaftsdienst: Konzepte unscharf, Evidenz fehlt
Quasi im Windschatten der Debatte über die Wehrpflicht wurde die Idee
eines verpflichtenden „Gesellschaftsdienstes" platziert. Doch die Konzepte
sind unscharf, die Begründungen sind oft normativ aufgeladen statt
empirisch fundiert zu sein. Viele Forderungen reichen von verpflichtenden
Dienstjahren bis zur Stärkung freiwilliger Dienste – ohne systematische
Prüfung ihrer Wirkung oder Umsetzbarkeit. Ein verpflichtender
„Gesellschaftsdienst“ steht zudem verfassungs- und europarechtlich aus
guten Gründen vor erheblichen Hürden.
Viele zivilgesellschaftliche Akteure fordern stattdessen, bestehende
freiwillige Strukturen gezielt zu stärken. Denn: Jugendliche engagieren
sich freiwillig bereits überdurchschnittlich häufig; der Ausbau dieser
Programme – von Freiwilligendiensten in Nonprofit-Organisationen bis zu
Service Learning im Bildungssystem –erscheint erfolgversprechender als
neue Pflichten, die gesellschaftliche Konflikte begünstigen und
Ungleichheit verstärken könnten.
Diese Studie liefert erstmals eine fundierte wissenschaftliche
Orientierung für eine fakten-basierte Debatte und bietet Politik,
Fachöffentlichkeit und Medien eine wertvolle Grundla-ge für anstehende
Entscheidungen.
Über das FGZ
Das Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) ist ein
interdisziplinäres, transferorientiertes und ortsverteiltes Institut. Es
besteht seit 2020 und wird vom Bundesministerium für Forschung,
Technologie und Raumfahrt (BMFTR) gefördert. Das FGZ verbindet
Grundlagenforschung zum gesellschaftlichen Zusammenhalt mit
anwendungsnaher Forschung zu aktuellen Herausforderungen aus einer
Vielfalt an disziplinären Perspektiven. Für seine Arbeit hat das FGZ ein
eigenes Forschungsdatenzentrum (FDZ) aufgebaut, das Daten erhebt,
dokumentiert und weitergibt.
