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Hackathon: Kann ein KI-Algorithmus Bewegungen auf Basis von Gehirnströmen erkennen?

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Der Glaube versetzt Berge, aber können Gedanken das auch? Etwas in
Bewegung setzen, wofür sonst Muskelkraft nötig wäre oder zumindest eine
Berührung? Noch klingt das nach Zukunftsmusik – und dafür ist neben
Grundlagenforschung auch eine Menge Kreativität gefragt. Im Rahmen des
hochrangigen SAIL-Projekts stellten sich bei einem Hackathon in der
Hochschule Bielefeld (HSBI) zehn Studierende einer herausfordernden
Challenge: Die Entwicklung eines KI-Algorithmus, der anhand von gemessenen
Gehirnströmen möglichst genau Bewegungen und Bewegungsabsichten erkennen
kann. Das könnte perspektivisch dabei unterstützen, Orthesen oder
Prothesen zu steuern



Bielefeld (hsbi). Beim dreitägigen Hackathon, der vom 7. bis 9. November
in der HSBI stattfand, drehte sich alles um das Thema „AI in Health
Sciences“, also den Einsatz von künstlicher Intelligenz in den
Gesundheitswissenschaften. Insbesondere die Anwendung von maschinellem
Lernen für Brain-Computer-Interfaces, also Gehirn-Computer-Schnittstellen,
stand hierbei im Mittelpunkt. Mithilfe einer Elektroenzephalographie (EEG)
lassen sich Gedanken als elektronische Signale messen. Dazu werden
Elektroden genutzt, die an einer speziellen Kappe befestigt sind. Diese
messen die Gehirnaktivitäten und zeichnen sie in Form von Wellenbewegungen
auf. Das Ziel der Gehirn-Computer-Schnittstellen ist es, Gehirnwellen in
interpretierbare Signale umzuwandeln. „Diese können dabei unterstützen,
beispielsweise Orthesen oder Prothesen zu steuern. Wenn wir erkennen, wann
Bewegung vorbereitet wird, kann das dabei helfen, Bewegungen natürlicher
zu gestalten“, sagt Prof. Dr. Wolfram Schenck. Zusammen mit Dr. Peter
Kuchling hat er den Hackathon von Freitagabend bis Sonntagmittag betreut.

Die beiden Dozenten aus dem Fachbereich Ingenieurwissenschaften und
Mathematik der HSBI standen den Teilnehmenden fast rund um die Uhr zur
Verfügung, beantworteten Fragen und gaben auch den einen oder anderen
Hinweis. „Ein Hackathon ist ein übliches Format einer
Transferveranstaltung in der Informatik, da er sich sehr interaktiv
gestalten lässt und einen gewissen Wettbewerbscharakter aufweist“,
berichtet Peter Kuchling. „Ein Hackathon unterscheidet sich dadurch sehr
von anderen Lehrformaten. Er ist nicht vorstrukturiert, sondern die
Studierenden dürfen und sollen in dieser freien Situation selbstständig
agieren“, so der Mathematiker.

Auftakt mit Keynote und Challenge

Gestartet wurde am Freitag mit einer Keynote von Informatikerin Andrea
Finke von der Universität Bielefeld zum aktuellen Forschungsstand von
Gehirn-Computer-Schnittstellen und maschinellem Lernen sowie einer Führung
durch die Transferlabore der HSBI. Anschließend erhielten die Teams ihre
Aufgaben. Die erste Challenge bestand darin, einen KI-Algorithmus zu
entwickeln, der die gemessenen Gehirnströme möglichst genau in
Bewegungsvorhersagen umwandelt. Die Gehirnströme können durch
Körperbewegungen erzeugt werden, aber auch dadurch, dass lediglich an die
Bewegungen gedacht wird. Insbesondere im letzteren Fall ist ein exakt
passender Algorithmus wichtig, da die Daten oft „verrauscht“ und schwer zu
deuten sind. Die zweite Challenge bestand darin, den entwickelten
Algorithmus auf seine Übertragbarkeit auf andere Daten zu testen.

In drei zufällig zusammengestellten Teams arbeiteten fortgeschrittene
Studierende der HSBI und der Universität Bielefeld sowie Externe intensiv
an der Aufgabenstellung – teilweise die ganze Nacht hindurch. Da mehrere
internationale Studierende, unter anderem aus dem englischsprachigen
Masterstudiengang Data Science, teilnahmen, wurde ausschließlich auf
Englisch kommuniziert. Und wie es sich für einen Hackathon gehört, durfte
die traditionelle Pizza am Samstagabend natürlich nicht fehlen.

EEG misst Konzentration live

Am Sonntagmittag, kurz vor dem großen Test, sah man den Teams die
Anstrengung an. Einige Studierende hatten über 24 Stunden nicht
geschlafen. Andere hatten sich zumindest für ein paar Stunden hingelegt
oder den Kopf bei einem Spaziergang wieder freibekommen. „Screen Time hält
wach“, sagt ein Teilnehmer. „Ich habe gar nicht gemerkt, wie die Zeit
verflogen ist. Plötzlich war wieder eine Stunde um. Und essen hat auch
geholfen“, ergänzt er lachend.

Für die finalen Messungen wurde jeweils eine Person pro Team mit einer
achtkanaligen EEG-Kappe ausgestattet. Um die Leitfähigkeit zu erhöhen,
wurde leitfähiges Gel mit einer Spritze in die Öffnungen gegeben – ein
notwendiger Schritt, denn Haare können die Signalqualität beeinträchtigen.
Die Frequenzen der aufgezeichneten Gehirnströme hängen stark davon ab, wie
konzentriert derjenige ist, der die Kappe trägt. An den übertragenen Daten
lässt sich ablesen, welche Areale im Gehirn gerade besonders aktiv sind.
„Armbewegungen lassen sich gut aufzeichnen. Die linke Hirnhälfte steuert
den rechten Arm und umgekehrt“, erklärt Dr. Peter Kuchling. „Je größer die
Bewegung, desto deutlicher die gemessene Gehirnaktivität.“ Jetzt zeigte
sich, wie gut die Teams ihre jeweiligen Modelle trainiert haben, um die
aufgezeichneten Wellenbewegungen mittels Machine Learning zu analysieren.
Machine Learning (ML) ist ein Teilgebiet der künstlichen Intelligenz, bei
dem Computersysteme aus Daten lernen und sich verbessern, ohne explizit
dafür programmiert zu werden. Durch die Analyse großer Datenmengen
erkennen Algorithmen Muster und treffen Vorhersagen – entscheidend ist
jedoch die Qualität der Trainingsdaten und die Wahl der richtigen Modelle.

Die Kraft der Gedanken

Besonders spannend wurde es in der zweiten Messphase. Hier sollte geprüft
werden, ob die von den drei Teams entwickelten Algorithmen auch auf nur
innerlich vorgestellte Bewegungen anwendbar sind. Bei dieser Messung führt
der Proband bzw. die Probandin die Armbewegung nicht tatsächlich aus,
sondern denkt lediglich daran, den linken bzw. den rechten Arm zu bewegen.
Das ist für diejenigen, die die Kappe trugen, eine Frage der Konzentration
– und sehr anstrengend. Man muss sehr ruhig sitzen, selbst ein Lächeln
oder das Zusammenbeißen der Zähne aktiviert Gehirnströme und führt zu
Ausschlägen“, erklärt Peter Kuchling, der gemeinsam mit Wolfram Schenck im
Vorfeld eine Musterlösung für die Aufgabenstellung erarbeitet hat, um
einschätzen zu können, welche Ergebnisse erwartbar sind.

And the winner is...

Die Auswertung der Ergebnisse wurde von den Teilnehmenden mit Spannung im
Konferenzsaal erwartet. Wer hat bei diesem Wettbewerb die Nase vorn?
Letztlich konnte sich das Team B mit Abdul Samad, Suraj Karki und Rabigh
Khan bei beiden Challenges durchsetzen. Suraj Karki und Rabigh Khan
studieren im englischsprachigen Research Master Data Science am Campus
Gütersloh der HSBI, Abdul Samad ist an der Universität Bielefeld
eingeschrieben. Die Vorhersagen, die ihr entwickelter Algorithmus traf,
waren „besser als zufällig“. Was für Laien lapidar klingen mag, ist für
Wissenschaftler:innen ein Erfolg: „Es hat großen Spaß gemacht, mit einem
EEG zu arbeiten“, sagt Abdul Samad. „Wir haben viel über Brain-Computer-
Interface gelernt.“ Die Gewinner wurden mit einem Preisgeld und einer
Urkunde belohnt.

„Die Aufgabenstellung war anspruchsvoll“, resümiert Prof. Dr. Wolfram
Schenck bei seiner Abschlussrede. „Ich freue mich sehr, dass es den Teams
gelungen ist, aussagekräftige Daten zu extrahieren und dass die
Studierenden mit so viel Engagement bei der Sache waren.“ Sein Dank galt
auch Fabian Steinbeck, Julien Leuering und Atabak Ebrahimi, die bei der
Organisation und Durchführung sowie der Betreuung der Teilnehmenden des
Hackathons geholfen haben, angefangen bei der Bereitstellung von Hard- und
Software bis hin zum Catering. Außerdem hat das Unternehmen snap GmbH
(Bochum) den Hackathon durch Leihgaben von EEG-Ausrüstung unterstützt.

Mit einem Mix aus wissenschaftlicher Herausforderung, Teamarbeit und
praktischer Erfahrung bot der SAIL-Hackathon einen intensiven Einblick in
ein Forschungsfeld, das künftig für Medizin und Rehabilitation große
Bedeutung haben dürfte. Und vielleicht war es ein kleiner Schritt auf dem
Weg zu einer Zukunft, in der Gedanken tatsächlich mehr in Bewegung setzen
können als heute.

Der Hackathon fand im Rahmen des nordrhein-westfälischen Verbundprojekts
SAIL – SustAInable Life-Cycle of Intelligent Socio-Technical Systems –
statt. Das Projekt vereint die Kompetenzen der Universitäten Bielefeld und
Paderborn, der Hochschule Bielefeld (HSBI) sowie der Technischen
Hochschule Ostwestfalen-Lippe (TH OWL). Ziel ist es, KI über den gesamten
Lebenszyklus hinweg verantwortungsvoll und nachhaltig zu entwickeln. Der
Verbund wird durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes
Nordrhein-Westfalen gefördert.