Weinbau mit Bäumen
Einen Abend zum Thema Vitiforst (Bäume und Sträucher im Weinbau zur
Anpassung an den Klimawandel) bot die VHS Nürtingen, unterstützt von der
Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) -
Der Klimawandel stellt auch den Weinbau vor große
Herausforderungen. „Vitiforst“ ist ein Ansatz, darauf zu reagieren. Dabei
werden Bäume und Sträucher in die Weinberge integriert.
Eine Veranstaltung
im Programm der VHS Nürtingen mit Unterstützung der Hochschule für
Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) stellte den aktuellen
Stand eines Vitiforst-Forschungsprojekts vor. Vom beteiligten Weingut
Singer-Bader gab es Weine zur Verkostung.
Um weinbau-technische und ökonomischen Fragen geht es bei Vitiforst – von
der Beschattung und der Wasserversorgung, über Nährstoffe, Rebenabstand
und Ertrag. Eine Frage kommt von Winzern wie von Weinkäufern aber oft
zuerst: Hat der Vitiforst-Anbau eine Auswirkung auf den Geschmack des
Weins? „Nein“, so die klare und wissenschaftlich begründete Antwort von
Jakob Hörl von der Koordinationsstelle Agroforstsystem-Forschung an der
Uni Hohenheim. Er stellte das vom Land geförderte Forschungsprojekt
„Vitiforst – Gehölze im Weinbau zur Steigerung von Klimaschutz und
Biodiversität“ im Gok’schen Keller vor. Kaum ein Ort in Nürtingen hätte
besser dafür gepasst. Der historische Gewölbekeller des Hölderlinhauses,
heute VHS-Domizil, diente Hölderlins Stiefvater Johann Christoph Gok, der
Bürgermeister und Weinhändler war, als Weinlager.
Vitiforst ist eine besondere Form der Agroforstwirtschaft, erläuterte
Hörl. Diese Landnut-zungsform kombiniert Pflanzen- und/oder Tierhaltung
mit Bäumen oder Sträuchern auf derselben Fläche, um von den daraus
resultierenden ökologischen und ökonomischen Wechselwirkungen zu
profitieren. Weinreben (Vitis vinifera) mit Bäumen und Sträuchern im
Weinbau zu kombinieren sei keineswegs neu, so der Forstwissenschaftler.
Bereits die Römer nutzen die Vorteile des Anbausystems, das über die
Jahrhunderte vor allem in Italien und Frankreich praktiziert wurde und
wird. Der Nutzen von Vitiforst zeige sich in einem verbesserten Mikroklima
und der Landschaftskühlung, so Hörl. Bäume und Sträucher bieten
Erosionsschutz, Lebensraum für Vögel und Insekten, reichern den Boden mit
organischem Material an, dienen als Mineralstoff- und Wasserpumpe,
verbessern die Wasseraufnahme und mindern die Sonneneinstrahlung.
Das Konzept stoße durchaus auf Interesse bei den Winzern und die
praktische Umsetzung werde gerade im Südwesten an etlichen Orten erprobt.
Die aktuelle Situation im Weinbau sei geprägt von Klima- und
Strukturwandel sowie dem Verlust der Artenvielfalt. Ökowein-bau spielt
bislang kaum eine Rolle. „Vitiforst kann vor diesem Hintergrund ein
Baustein sein, den Weinbau ökologischer zu machen“, ist Hörl überzeugt.
Für Winzer sieht der Agroforstexperte die Chance ein
Alleinstellungsmerkmal zu kultivieren, das sich auch wirtschaftlich
auszahlen kann. Über die ökologischen Vorteile für den Weinbau seien zudem
Alternativ-Nutzungen im Weinberg vorstellbar und würden mancherorts schon
praktiziert. Etwa der Anbau von Nüssen, Pfirsichen, Mandeln, Feigen oder
Pistazien.
Mitstreiter im Vitiforst-Forschungsprojekt sind neben der Uni Hohenheim
und der Uni Freiburg auch die HfWU. An der Hochschule in Nürtingen wird
das Projekt von Dr. Markus Frank betreut. „Die Landwirtschaft ist auch
Teil des Problems. Wir wollen uns aber vor allem fragen, wie sie Teil der
Lösung werden kann“, so der Professor für Pflanzengesundheitsmanagement an
der HfWU.
An der Hochschule ist das Forschungsprojekt eingebunden im Master-
Studiengang Nachhaltige Agrar- und Ernährungswirtschaft. Ein Vitiforst-
Forschungsschwerpunkt liegt hier auf den Aspekten Artenvielfalt und
Klimaschutz. Projektmitarbeiterin Susanne Röhl erläuterte im Dialog mit
Markus Frank den Stand der Forschung an der HfWU. Konkret untersucht wird
unter anderem der Bestand von Insekten. Projektflächen stellt dafür das
Weingut Singer und Bader zur Verfügung. Im Anschluss an die Vorträge gab
es vom Remstaler Bioweingut für die Besucher des vollbesetzten Gok’schen
Kellers Sekt und Wein zur Verkostung.
