EU-Studie: Europäische Start-ups brauchen mehr Wagniskapital – auch aus Pensionskassen und Staatsfonds
Ein neuer EU-Forschungsbericht unter Federführung von Andreas Kuebart vom
Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS) empfiehlt,
Pensionsfonds und internationale Staatsfonds stärker als Investoren für
europäisches Wagniskapital zu gewinnen. So soll die Finanzierung von
Start-ups in der EU verbessert und die technologische Souveränität Europas
gestärkt werden.
Investitionen EU-weit einheitlich regulieren, Pensionsfonds als Investoren
gewinnen und Staatsfonds von außerhalb der EU den Einstieg erleichtern –
diese Schritte empfiehlt der neueste Forschungsbericht des „StepUp
Startups“ Konsortiums, an dem das IRS beteiligt ist.
Trotz positiver Entwicklung steht in der EU heute sehr viel weniger
Kapital für Gründung und vor allem Wachstum von Start-ups zur Verfügung
als etwa in den USA und China, heißt es in dem Bericht. So werden in der
EU rund 10 Prozent des weltweiten Wagniskapitals investiert, in den USA
50. Auch gibt es in Europa keine wagniskapitalfinanzierten
Technologieunternehmen, die mit Google, Amazon oder Alibaba vergleichbar
sind. Europäische Start-ups sind momentan sehr stark von amerikanischen
Investoren abhängig, besonders für große Finanzierungsrunden über 50
Millionen Euro.
Laut Bericht liegt ein Grund darin, dass der Markt für
Unternehmensfinanzierung in der EU uneinheitlich reguliert ist. Zum
anderen stehe zu wenig Kapital zur Verfügung, das in Wagniskapitalfonds
fließt. Spezialisierte Anbieter von Wagniskapital (auf Englisch Venture
Capital oder VC) werben Geld von Großanlegern wie Versicherungen und
privaten Pensionskassen ein, bündeln es in Fonds und stellen es
ausgewählten Start-ups während Gründungs- und Wachstumsphasen zur
Verfügung. Für einen wettbewerbsfähigen Technologiesektor gilt
Wagniskapital als unverzichtbar.
Der Bericht hebt zwei potenzielle Quellen von neuem Investitionskapital
hervor: Zum einen verwalten Pensionsfonds – in Deutschland: private und
betriebliche Rentenversicherungen – große Geldsummen. In den USA und
einigen EU-Ländern wie den Niederlanden ist es für Pensionsfonds bereits
üblich, in Wagniskapital zu investieren. „Wagniskapital ist langfristig
profitabel, und Pensionsfonds haben den nötigen langen Atem, um
erfolgreich zu investieren“, sagt IRS-Forscher Andreas Kuebart, der den
Bericht federführend erarbeitet hat.
Zum anderen sollte die EU laut Bericht internationale Staatsfonds
verstärkt ansprechen und ihnen das Investment in europäische
Wagniskapitalfonds erleichtern. Besonders Staaten mit Öleinnahmen wie
Saudi-Arabien verfügen über große Staatsfonds, die global investieren.
„Für die technologische Souveränität Europas ist es gut, wenn
internationale Investoren sich an europäischen Wagniskapitalfonds
beteiligen“, so Andreas Kuebart. „Die Alternative ist, dass Investoren
direkt in europäische Technologiefirmen investieren. Dabei üben sie mehr
Kontrolle aus, als wenn sie den Umweg über Wagniskapital nehmen.“
Der Forschungsbericht „Untapped Opportunities for European Venture
Capital. Pension funds and Sovereign Wealth funds“ wurde gemeinsam von
zwölf Autorinnen und Autoren von fünf europäischen Forschungs- und
Beratungseinrichtungen erarbeitet. Den Auftrag gab die EU-Generaldirektion
für Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien im Rahmen des Projekts
„StepUp Startups“.
Der Bericht ist abrufbar unter:
https://ec.europa.eu/newsroom/
Dr. Andreas Kuebart ist Finanzgeograph und forscht am Leibniz-Institut für
Raumbezogene Sozialforschung (IRS) unter anderem zu Start-up-Ökosystemen.
Das IRS untersucht die Wechselwirkungen zwischen gesellschaftlichen
Veränderungen und der Transformation von Räumen. Es berät Akteure aus
Politik und Zivilgesellschaft, um die zukunftsfähige Entwicklung von
Dörfern, Städten und Regionen zu fördern und sozialräumliche Ungleichheit
zu lindern.
