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Gewalt gegen Frauen - Die unsichtbare Gefahr: Digitale Übergriffe

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Dr. Petra Sußner, Rechtsprofessorin mit Schwerpunkt Geschlechterfragen an
der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, sieht strukturelle
Ursachen für wachsende Bedrohung im Netz und setzt auf Prävention.
Anlässlich des Internationalen Tags zur
Beseitigung von Gewalt gegen Frauen mahnt die Rechtswissenschaftlerin
Prof. Dr. Petra Sußner, Gastprofessorin für Recht mit Schwerpunkt
Geschlechterfragen an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR
Berlin), zu einem grundlegenden Umdenken im Umgang mit digitaler Gewalt.


Die Expertin für Legal Gender Studies und Menschenrechte macht deutlich:
Digitale Gewalt gegen Frauen ist kein Randphänomen – sie ist strukturell,
tief verankert und zunehmend existenzbedrohend.

Gezielte Einschüchterung
„Digitale Gewalt ist ein Spiegel unserer gesellschaftlichen Verhältnisse“,
sagt Sußner. Besonders Frauen seien betroffen von sexualisierter Hetze,
Vergewaltigungsdrohungen oder der Verbreitung intimer Bilder. Diese Formen
digitaler Gewalt zielten auf Einschüchterung, Kontrolle und auf die
Verdrängung von Frauen aus öffentlichen Diskursräumen. „Bei digitaler
Gewalt geht es auch darum, Frauen aus öffentlichen Räumen zu verdrängen
und ihnen damit Sprechmacht und Stimme zu nehmen“, sagt Sußner.

Digitale und analoge Gewalt untrennbar verbunden
Sußner warnt vor einer gefährlichen Vereinfachung: Die Vorstellung,
digitale und analoge Gewalt ließen sich sauber trennen, sei überholt.
Phänomene wie Doxing, gemeint ist die Veröffentlichung privater Daten wie
Adresse oder Arbeitsplatz, zeigten, wie schnell digitale Angriffe in
physische Gefährdung übergehen können. „Einfach das Handy abschalten“ sei
keine Lösung, sondern verkenne die strukturelle Dimension der Bedrohung.

Auch im häuslichen Umfeld spiele digitale Kontrolle eine wachsende Rolle.
„Stalking 2.0“, etwa über Stalkerware auf Smartphones, ermögliche eine
engmaschige Überwachung von Betroffenen. Manipulative Strategien wie
Gaslighting, eine Form der psychischen Gewalt mit dem Ziel, Selbstzweifel
zu verstärken, verschöben die Wahrnehmung von Realität und machten Frauen
zusätzlich vulnerabel.

Wer ist besonders betroffen – und warum
Gefährdet seien vor allem Frauen, die öffentlich auftreten:
Politikerinnen, Wissenschaftlerinnen, Aktivistinnen, Influencerinnen. „Wir
dürfen Gewalt gegen Frauen nicht eindimensional verstehen“, betont Sußner.
Schwarze Frauen oder trans Frauen seien besonders häufig Angriffen
ausgesetzt, weil rassistische und (hetero)sexistische Hasskommentare
zusammenkämen. Auch soziale Ungleichheit verschärfe die Lage: „Ein
Gerichtsverfahren oder eine strafbewerte Unterlassungserklärung muss man
sich erst einmal leisten können.“

Anonym im Netz und aus dem eigenen Umfeld
Täter*innen blieben oft anonym, organisieren sich in rechtsextremen,
misogynen oder incel-nahen (unfreiwillig Zölibatäre) Netzwerken, oder
kommen aus dem nahen sozialen Umfeld. Die aktuelle Studie „Femizide in
Deutschland“ der Universität Tübingen zeigt, dass digitale Gewalt häufig
eine lange Vorgeschichte habe, verbunden mit analoger Gewalt. Behörden
oder Arbeitgebende, die digitale Gewalt bagatellisieren, würden zur
Vulnerabilität und Vereinzelung der Betroffenen beitragen. Zentral sei
daher eine Perspektive auf Machtverhältnisse: „Die Trennlinie verläuft
nicht zwischen ‚anonym‘ und ‚bekannt‘, sondern zwischen Macht und
Ohnmacht“, betont die Rechtswissenschaftlerin.

Kollektiver Schutz statt individueller Last
Sußner fordert ein gesellschaftliches Bewusstsein für das Ausmaß der
Bedrohung: „Es ist eine Gefahr für unsere Demokratie, wenn ein Großteil
der Bevölkerung aus dem öffentlichen Raum verschwindet.“ Betroffene
bräuchten Wissen – etwa über beweissichere Screenshots oder digitale
Spurensicherung. Doch die Verantwortung dürfe nicht allein auf ihnen
lasten. Behörden, Institutionen und Plattformen seien gefordert, Gewalt
sichtbar zu machen und konsequent zu ahnden.

Wichtig seien starke Unterstützungsstrukturen. In Berlin nennt Sußner
Organisationen wie Hate Aid, den Deutschen Juristinnenbund sowie lokale
Initiativen wie Camino, das Frauenzentrum EWA oder die Queerbeauftragten
der Bezirke. Alle Einrichtungen bräuchten dringend mehr Ressourcen.

Resilienz gegen digitale Gewalt
Ein Beispiel für akademisches Engagement zur Stärkung der
Widerstandsfähigkeit ist das HWR-Lehrforschungsprojekt „Resilienz
zivilgesellschaftlicher Organisationen gegenüber digitaler Gewalt“, das
Prof. Dr. Petra Sußner gemeinsam mit Prof. Dr. Mischa Hansel leitet. Der
Sozialwissenschaftler forscht und lehrt zum Schwerpunkt Cyber- und
Informationssicherheit an der HWR Berlin. Studierende des gehobenen
Polizeivollzugsdienstes am Fachbereich Polizei und Sicherheitsmanagement
erwerben in einem Vertiefungsseminar Kompetenzen zu technischen,
juristischen und psychologischen Fragen, um im Einsatz adäquat auf
Anzeigen oder Hilferufe reagieren zu können.

Ihre Studierenden begegnen dem Thema mit großem Interesse und Engagement,
erlebt Sußner. Sie hofft, dass diese neue Generation von Polizeikräften
Spezialteams bei Polizei und Staatsanwaltschaft mit ihrer Kompetenz
stützen wird und dazu beiträgt, das Thema breit zu verankern, Bewusstsein
und Handlungsfähigkeit in Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden zu
schaffen.

Prävention durch Machverschiebung
Während im Strafrecht weiterhin Lücken bestehen, etwa bei Deep Fakes oder
voyeuristischen Aufnahmen in öffentlichen Räumen, weist Sußner darauf hin,
dass es allein mit dem Erlassen neuer Strafvorschriften nicht getan sei.
„Es geht um Prävention durch Machtverschiebung. Gewalt im Netz ist kein
Einzelschicksal, sondern Teil eines Systems. Und sie ist kein
Kavaliersdelikt.“

Sie fordert klare Verantwortlichkeit der Plattformen, eine konsequente
Umsetzung des Digital Services Act und funktionierende Wege zur
Identifikation anonymer Täter*innen. Technische Tools wie sichere
Messenger oder Privacy-Einstellungen seien hilfreich, aber keine Lösung
für ein strukturelles Problem. Zentral sei die Frage nach den
Schutzpflichten des Staates: Wenn digitale Gewalt bestimmte Gruppen
faktisch aus dem öffentlichen Raum verdränge, gefährde das die
Meinungsfreiheit selbst.

Kollektives Bewusstsein für ein gesamtgesellschaftliches Problem
Sußners Fazit ist deutlich: Digitale Gewalt gegen Frauen ist ein Angriff
auf Gleichberechtigung und demokratische Teilhabe. „Was es braucht, ist
ein kollektives Bewusstsein. Das Anerkenntnis, dass digitale Gewalt ein
gesamtgesellschaftliches Problem ist.“

Zum Interview mit Prof. Dr. Petra Sußner
https://www.hwr-berlin.de/aktuelles/neuigkeit/detail/digitale-gewalt-
gegen-frauen-ist-kein-zufall


Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin

Die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin) ist eine
fachlich breit aufgestellte, international ausgerichtete Hochschule für
angewandte Wissenschaften, einer der bundesweit größten staatlichen
Anbieter für das duale Studium und im akademischen Weiterbildungsbereich.
Sie sichert den Fachkräftebedarf in der Hauptstadtregion und darüber
hinaus. Rund 12 500 Studierende sind in über 60 Studiengängen der
Wirtschafts-, Verwaltungs-, Rechts-, Ingenieur- und Polizei- und
Sicherheitswissenschaften sowie in internationalen Master- und MBA-
Studiengängen eingeschrieben. Die HWR Berlin ist die viertgrößte
Hochschule für den öffentlichen Dienst in Deutschland und mehrfach
prämierte Gründungshochschule. Über 700 Kooperationen mit Partnern in der
Wirtschaft und im öffentlichen Dienst garantieren den ausgeprägten
Praxisbezug in Lehre und Forschung. 195 aktive Partnerschaften mit
Universitäten auf allen Kontinenten fördern einen regen
Studierendenaustausch und die internationale Forschungszusammenarbeit. Die
HWR Berlin ist Mitglied im Hochschulverbund „UAS7 – Alliance for
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„Weltoffene Hochschulen – Gegen Fremdenfeindlichkeit“.

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