»AktiMeter« – Intelligente Verhaltensanalyse in Echtzeit
Eine Technologie, die menschliche Bewegungen im Fahrzeug automatisch und
mithilfe von KI erfasst und analysiert, haben Forschende am Fraunhofer-
Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB entwickelt.
Das sogenannte AktiMeter ist ideal für die Marktforschung,
nutzerzentrierte Produktentwicklung oder Ergonomiestudien.
Eyetracking-Systeme finden bereits in vielen Branchen Anwendung, etwa in
der Marktforschung oder bei der Entwicklung ablenkungsfreier
Fahrzeugfunktionen. Am Fraunhofer IOSB haben Forschende nun ein neuartiges
Messsystem entwickelt, das diese Systeme ergänzt: Das AktiMeter erfasst
zusätzlich den gesamten Körper der Insassen. Daraus lassen sich
Sitzposition, Bewegungen und Gesten sowie Aktivitäten und Intentionen
ableiten.
Die Technologie kann feststellen, wo sich Arme und Hände befinden, in
welche Richtung sich der Kopf des Fahrers oder der Fahrerin wendet und
welche Objekte im Innenraum des Fahrzeugs genutzt werden. Dies eröffnet
neue Perspektiven für die Forschung, da sich lange Autofahrten
automatisiert auswerten lassen.
Tieferes Verständnis des Verhaltens im Fahrzeuginnenraum
Das Fraunhofer IOSB ist auf Computervision spezialisiert, das heißt die
Forschenden interpretieren alles, was optische Sensoren wie Kameras
aufnehmen. Das Team um Dr. Frederik Diederichs nutzt diese Informationen,
um die Mensch-KI-Interaktion im Fahrzeug zu verbessern. Zukünftige
Anwendungen des autonomen Fahrens könnten von den gesammelten Daten
profitieren, da sie als Grundlage für die Entwicklung intelligenter
Fahrassistenzsysteme dienen, die auf das Verhalten und die Bedürfnisse der
Insassen reagieren.
Fortschrittliche KI-Technologie als Basis
Das AktiMeter kombiniert Computervision-Verfahren auf Basis Künstlicher
Intelligenz, die Körperhaltungen sowie Objekte erkennen können, mit einem
3D-Modell des Fahrzeugs. Daraus wiederum können Machine-Learning-Verfahren
weitergehende Rückschlüsse ziehen, etwa auf die Tätigkeit. Der Ansatz
eignet sich besonders für energiesparende und schnelle Auswertungen ohne
Cloud-Anbindungen oder leistungsstarke Hardware im Auto. Ergänzt durch
moderne Vision-Language-Modelle können auch komplexe und von den
Entwicklern nicht vorhergesehene Innenraumsituationen erfasst werden. So
werden die Anwender des AktiMeters in die Lage versetzt, eigene
spezifische Szenarien zu definieren, die erfasst werden sollen.
Durch die automatisierte Interpretation der Daten entsteht ein Digitaler
Zwilling – ein digitales 3D-Abbild des Fahrzeuginnenraums. Aus dieser
Datenquelle werden direkt im Fahrzeug Schlussfolgerungen gezogen. Dadurch
wird der Speicherbedarf minimiert, und DSGVO-relevante Bilddaten müssen
nicht gespeichert werden. Das AktiMeter ermöglicht es den Kunden,
detaillierte Statistiken über das tatsächliche Nutzungsverhalten im Auto
und Lkw zu erstellen.
Vielseitige Anwendungen zur Optimierung von Fahrerlebnis und Sicherheit
Für Automobilhersteller und deren Forschungsabteilungen ist das AktiMeter
ein wertvolles Tool zur Prototypenentwicklung. Anonymisierte
Langstreckendaten über das Nutzungsverhalten helfen, neue KI-Funktionen zu
trainieren – ohne teure, manuelle Auswertungen.
Auch Marktforschungsinstitute können mit Hilfe des AktiMeters empirische
Daten über die Nutzung neuer Fahrzeugfunktionen erheben und automatisch
auswerten: Wie oft wird der Getränkehalter genutzt, wie unterstützt das
Interieur beim Essen, wie oft wird tatsächlich nach dem Handy gegriffen
und wie oft ist der Sitz falsch eingestellt? Besonders beim
automatisierten Fahren sind diese Fragen bedeutend: Was machen die
Insassen am liebsten bei automatisierter Fahrt, und wie kann das Interieur
bestmöglich darauf ausgerichtet werden? Die gewonnenen Erkenntnisse
unterstützen die Entwicklung marktgerechter Lösungen und fördern die
Innovationskraft der Branche. Insgesamt zielen alle diese
Anwendungsmöglichkeiten darauf ab, die Benutzerfreundlichkeit im Fahrzeug
zu steigern und das Fahrerlebnis nachhaltig zu verbessern.
Eine Herausforderung in der Forschung und Anwendung liegt in den bisher
verwendeten Verfahren: »Bisherige Verfahren sind auf vorher festgelegte
Situationen trainiert, von denen aufwendig Trainingsdaten gesammelt
wurden. Durch den Einsatz generativer KI ist es mit dem AktiMeter nun
möglich, flexibel Situationen zu definieren, ohne Trainingsdaten sammeln
zu müssen«, erklärt Dr. Manuel Martin, Senior Scientist der Arbeitsgruppe
Perceptual User Interfaces am Fraunhofer IOSB.
Prototypenentwicklung und Markteinführung
Aktuell wird das AktiMeter bereits in der Prototypenentwicklung getestet.
Ab Mitte 2026 ist die Markteinführung des AktiMeters geplant. Bis dahin
arbeiten die Forschenden daran, die Messsysteme zu validieren und Aussagen
darüber zu treffen, wie zuverlässig die Systeme in welchen Situationen
sind. Derzeit wird ein Gesamtsystem konzipiert, das Kameras, einen
Computer und eine Bedienungsanleitung enthält, damit Kunden das System
mittels eines nutzerfreundlichen Interface selbst kalibrieren und die
gewünschten Auswertungen durchführen können. »Wir sind überzeugt, dass das
AktiMeter eine wichtige Rolle in der zukünftigen
Fahrzeuginnenraumforschung spielen wird. Es bietet eine flexible und
modulare Lösung, die sich an die Bedürfnisse der Automobilindustrie
anpassen lässt«, so Diederichs abschließend.
Die Forschenden präsentieren ihre Technologie in einem
Level-3-automatisierten Fahrzeug am Fraunhofer-Gemeinschaftsstand (Halle
A2, Stand C10) auf der IAA MOBILITY (9. bis 12. September 2025).
