Unfallrekonstruktion der Zukunft – Uni Koblenz entwickelt innovative Verfahren mit Polizeiunterstützung
Wie lassen sich Verkehrsunfälle künftig schneller und präziser
rekonstruieren? Dieser Frage geht das Institut für Computervisualistik der
Universität Koblenz im Rahmen des Forschungskollegs AI-DPA nach – in enger
Kooperation mit dem Polizeipräsidium Koblenz. Dazu wurde auf dem
Universitäts-Campus ein Fahrradunfall realitätsnah inszeniert, um ein
neuartiges Verfahren zu erproben.
In der Realität trifft die Polizei oft erst am Unfallort ein, wenn
Feuerwehr und Rettungskräfte bereits erste Maßnahmen ergriffen haben. Zu
diesem Zeitpunkt wurden Unfallspuren möglicherweise bereits verändert oder
sind nicht mehr vollständig nachvollziehbar. Um dennoch eine verlässliche
Beweissicherung zu gewährleisten, wird der Unfallort nachträglich
vermessen und mithilfe von Drohnenaufnahmen sowie Bodenmarkierungen
dreidimensional rekonstruiert.
Die zentrale Frage lautet dabei: Lässt sich
auch eine realitätsgetreue 3D-Rekonstruktion des ursprünglichen
Unfallgeschehens erstellen?
Mit dieser Frage beschäftigt sich das Institut für Computervisualistik der
Universität Koblenz. Im Rahmen des Forschungskollegs AI-DPA wird in
Kooperation mit dem Polizeipräsidium Koblenz die Möglichkeit untersucht,
mit Hilfe von Bodycam-Aufnahmen der Ersthelfer (z.B. Sanitäterinnen und
Sanitätern) eine präzise 3D-Rekonstruktion des Unfallorts zu erstellen.
Ziel ist es, den Zustand des Tatorts möglichst originalgetreu in dem
Moment zu erfassen, als die ersten Einsatzkräfte eintreffen.
Aus Videoaufnahmen wird eine räumliche Karte
Zum Einsatz kommen sogenannte Multi-Mono-SLAM-Verfahren. Dabei handelt es
sich um eine Kombination aus dem Verfahren „Simultaneous Localization and
Mapping“ (SLAM) mit mehreren monokularen Kameras. Diese Technologie
ermöglicht es, aus gewöhnlichen Videoaufnahmen eine räumliche Karte zu
erstellen und die Kamerabewegung gleichzeitig zu berechnen.
Unterschiedliche Lichtverhältnisse (Tag/Nacht), schlechtes Wetter, viele
bewegte Objekte wie beispielsweise Passanten oder Sanitäter und sich
dynamisch verändernde Szenen stellen das Verfahren vor große
Herausforderungen.
Auf dem Universitätsgelände wurde nun in Kooperation mit der Polizei ein
Fahrradunfall inszeniert, um diese Herausforderungen unter kontrollierten
Bedingungen zu testen. Dabei kamen verschiedene Sensoren zum Einsatz,
darunter Bodycams – getragen von den Polizisten, die wie im Ernstfall den
Unfallort inspizierten -, Drohnenaufnahmen, wie sie von der Polizei zur
späteren Rekonstruktion verwendet werden sowie RGBD- und LiDAR-Daten für
die Ground Truth (Referenzdaten). In mehreren Durchläufen wurden die
Bedingungen schrittweise erschwert: Zunächst blieb der Unfallort
unverändert, später wurden Objekte leicht oder stark verschoben und
schließlich bewegten sich mehrere Personen durch das aufgezeichnete Bild.
Nach jedem Szenario wurden präzise 3D-Daten erfasst, um die Qualität der
rekonstruierten Szenen vergleichen und bewerten zu können.
Gesammelte Daten werden in Forschung und Lehre behandelt
„Wenn wir es schaffen, aus Bodycam-Videos eine verlässliche 3D-Szene zu
rekonstruieren, so wie sie bei Ankunft der ersten Kräfte aussah, kann das
die Arbeit der Polizei enorm erleichtern und gleichzeitig helfen, Unfälle
besser zu verstehen” erklärt Janine Buchholz, Doktorandin der
Arbeitsgruppe Intelligente Autonome Systeme INTAS am Institut für
Computervisualistik der Universität Koblenz.
Die beim inszenierten Unfall gesammelten Daten sollen nun ausgewertet und
in der Forschung und Lehre behandelt werden. Besonders im Fokus steht
dabei die Frage, wie zuverlässig die Rekonstruktion unter verschiedenen
Störfaktoren funktioniert und welche Kombination aus Sensorik, Algorithmen
und Aufnahmepositionen sich in der Praxis am besten bewährt.
Mit dem Versuch macht das Institut für Computervisualistik einen wichtigen
Schritt in Richtung praxistauglicher, digital gestützter Unfallanalyse.
Sollte das Verfahren erfolgreich weiterentwickelt werden, könnten künftig
bereits die Aufnahmen der Ersthelfer zur Grundlage für gerichtsverwertbare
Rekonstruktionen werden – und damit nicht nur Zeit sparen, sondern auch
helfen, Unfallhergänge besser und gerechter aufzuklären.
