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Verborgene Bereiche in Lymphknoten

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Mit einem hochauflösenden Röntgenverfahren hat ein interdisziplinäres Team
unter Beteiligung des Helmholtz-Zentrums Hereon neuartige Strukturen im
Lymphsystem von Säugetieren sichtbar gemacht. Die 3D-Aufnahmen enthüllen
kleine, bislang übersehene Ansammlungen ruhender Abwehrzellen – sogenannte
Noduli – die vermutlich eine wichtige Rolle für das grundsätzliche
Funktionieren des Immunsystems spielen. Die Ergebnisse erweitern das
Verständnis darüber, wie Lymphknoten aufgebaut sind und wie sie
Immunzellen steuern. Die Studie erschien jüngst im Fachmagazin Frontiers
in Immunology.



Unser Immunsystem steht fortlaufend auf Abruf: Um Krankheitserreger
abzuwehren, aktiviert es Antikörper, weiße Blutkörperchen und Fresszellen.
Doch trotz intensivster Forschung sind viele Einzelheiten über seinen
Aufbau und seine Funktionsweise unklar. Dank eines neuen hochmodernen
Röntgenverfahrens, entwickelt unter Mitwirkung des Hereon-Instituts für
Werkstoffphysik und dem Institut für Biomedizinische Bildgebung der
Technischen Universität München (TUM) konnte ein Forschungsteam an der von
Hereon an PETRA III betriebenen Beamline P05 am Deutschen Elektronen-
Synchrotron DESY nun ein neues Detail enträtseln: Bei Mäusen entdeckten
die Fachleute in einer bestimmten Art von Lymphknoten bis dato unbekannte
Reservoirs an ruhenden Abwehrzellen des Immunsystems.

Grundlage für die Entdeckung war ein spezielles CT-Verfahren – die
Phasenkontrast-Mikrotomographie. „Mit dieser Methode haben wir die
Möglichkeit, die dreidimensionale Struktur von biologischem Gewebe bis auf
zelluläre Ebene direkt zu beobachten, ohne zusätzliche Farbstoffe oder
Marker verwenden zu müssen“, sagt Dr. Jörg Hammel, Biologe an der Hereon-
Außenstelle bei DESY in Hamburg.

Unerfahrene Immunzellen
„Wir bezeichnen diese von uns gefundenen Ansammlungen von B-Zellen als
Noduli“, erklärt Florian Schwarzenberg, einer der beiden Erstautoren der
Publikation. „Diese Zellen scheinen noch unerfahren zu sein und keinen
Kontakt mit Krankheitserregern gehabt zu haben.“ Anders als die
sogenannten B-Zell-Follikel – das sind ähnliche, aber deutlich größeren
Strukturen – zeigen die Noduli keine Anzeichen für aktive Immunreaktionen.
Allerdings sind sie ebenso wie die Follikel eng mit speziellen Blutgefäßen
verbunden, über die Immunzellen ins Gewebe hineingelangen können. Dies
konnte das Team von Dr. Stephan Henne von der Arbeitsgruppe für
Interdisziplinäre Neurobiologische Immunologie (INI-Research GmbH)
mithilfe von Röntgenaufnahmen, Elektronenmikroskopie und speziellen
immunhistochemischen Analysen sichtbar machen.

Reaktion auf permanenten Erregerstress
Die Noduli entstehen meist zwischen der zweiten und vierten Lebenswoche
von Mäusen. Sie sind ausschließlich in Lymphknoten zu finden, die mit
Schleimhäuten assoziiert sind. Ihre Häufigkeit scheint mit dem Alter
deutlich zuzunehmen. Die Daten sprechen dafür, dass die nun entdeckten
Ansammlungen von B-Zellen keine krankhaften Veränderungen, sondern
spezialisierte Nischen für B-Zellen darstellen. Offenbar sorgen sie für
eine dauerhafte Immunbereitschaft und tragen dazu bei, die Funktionsweise
und Struktur der Lymphknoten langfristig stabil zu halten. Außerdem
vermuten die Fachleute, dass sie besonders in Bereichen auftreten, die
konstant mit Fremdstoffen und Krankheitserregern belastet sind – etwa in
den Schleimhäuten zugehörenden Lymphknoten.

Neues Verständnis der Lymphknoten-Architektur
Die Ergebnisse zeigen, dass bestimmte tiefer liegende Lymphknoten im
Körperinneren anders aufgebaut sind als die oberflächlichen Lymphknoten
unter der Haut. Diese tiefliegenden Knoten enthalten spezielle Bereiche,
die vermutlich wichtig dafür sind, wie das Immunsystem die B-Zellen
steuert und in Balance hält. Außerdem konnten die Forschenden beobachten,
dass diese Lymphknoten im Alter immer mehr dieser B-Zell-Bereiche bilden,
statt typische Fetteinlagerungen zu entwickeln. Dies deutet darauf hin,
dass sie gerade im Alter eine entscheidende Rolle bei der Überwachung und
Regulierung des Immunsystems spielen.

Spitzenforschung für eine Welt im Wandel
Das Ziel der Wissenschaft am Helmholtz-Zentrum Hereon ist der Erhalt einer
lebenswerten Welt. Dafür erzeugen rund 1000 Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter Wissen und erforschen neue Technologien für mehr Resilienz und
Nachhaltigkeit – zum Wohle von Klima, Küste und Mensch. Der Weg von der
Idee zur Innovation führt über ein kontinuierliches Wechselspiel zwischen
Experimentalstudien, Modellierungen und künstlicher Intelligenz bis hin zu
Digitalen Zwillingen, die die vielfältigen Parameter von Klima und Küste
oder der Biologie des Menschen im Rechner abbilden. Damit wird
interdisziplinär der Bogen vom grundlegenden wissenschaftlichen
Verständnis komplexer Systeme hin zu Szenarien und praxisnahen Anwendungen
geschlagen. Als aktives Mitglied in nationalen und internationalen
Forschungsnetzwerken und im Verbund der Helmholtz-Gemeinschaft unterstützt
das Hereon mit dem Transfer der gewonnenen Expertise Politik, Wirtschaft
und Gesellschaft bei der Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft.