Besetzung und Programm: Igudesman & Joo: Aleksey Igudesman, Violine & Comedy | Hyung-ki Joo, Klavier & Comedy Yuja Wang Klavier «Happy Birthday, Sergei Rachmaninoff!» mit Special Guest Yuja Wang Eine Geburtstagsshow, entworfen, komponiert und gespielt von Aleksey Igudesman und Hyung-ki Joo
Igudesman und Joo sind alles andere als «blosse» Musikclowns.
Aleksey Igudesman rechts und Hyung-ki Joo Foto Priska Ketterer
Das musikalische Talent des Russen Aleksey Igudesman (* 22. Juli 1973 in Leningrad) wurde früh erkannt und so wurde er schon im Alter von 12 Jahren an der Yehudi Menuhin School in London aufgenommen. Heute ist er, nebst seinen Auftritten, vor allem als Komponist tätig und hat schon für so bekannte Orchester wie das New York Philharmonic Werke verfasst, komponierte und arrangierte, teilweise zusammen mit Hans Zimmer, Filmmusik, in Violins of the World, einem Gemeinschaftsprojekt von Gidon Kremer, Julian Rachlin, Janine Jansen und Alexandra Soumm ( alles Spitzenviolinist/innen) werden Aleksey Igudesmans Violinduette aufgeführt und seine Gedichte von Schauspielerlegende Roger Moore vorgetragen. Alles in allem also ein breitgefächertes, sehr vielfältiges Schaffen auf absolutem Weltklasseniveau.
Comedy und Musik auf Weltklasseniveau
Aleksey Igudesman links und Hyung-ki Joo Foto Priska Ketterer (5)
Aleksey Igudesman und Hyung-ki Joo (auch er absolvierte die Yehudi Menuhin School) kombinieren auf höchstem Niveau Humor mit klassischer Musik und Popkultur.
Auch im Goethe Institut präsent
Aleksey Igudesman
Mit dem englisch-koreanischen Pianisten Hyung-ki Joo tourt Igudesman weltweit sehr erfolgreich und füllt grosse Konzertsäle. Ihre Popularität quer durch die Massen belegen auch die millionenfach angeklickten Trailer auf den sozialen Medien und YouTube. Der österreichisch-deutsche Dokumentarfilm «Piano Mania» über die beiden, wurde sogar in den Katalog des Goethe-Instituts aufgenommen.
Dass dies ein aussergewöhnliches Konzert würde, war mir klar, da ich die beiden auch schon mal am Silvesterkonzert des Zürcher Kammerorchesters 2010 im KKL erlebte. Welche Rolle dabei aber Yuja Wang übernehmen sollte, blieb mir im Voraus schleierhaft.
Richard Hyung-ki Joo
Zuerst enterten die beiden Musiker in goldfarbenem Outfit die Bühne, platzierten ein paar lockere Sprüche in perfektem Deutsch und liessen kurz darauf auch schon ein paar Melodiefetzen erklingen, mit dem entsprechenden Begleitkommentar von Igudesman.
Dann kann sie, Yuja Wang, am 10. Februar 1987 als Tochter einer musikalischen Familie in Peking geboren, durchaus bekannt, auch mit ihren körperlichen Reizen nicht zu geizen, in einem knappen roten, glitzernden, schulterfreien Body die Szene.
Das Komiker Duo feierte 250 Jahre Geburtstag
Aleksey Igudesman links und Hyung-ki Joo Foto Priska Ketterer
Igudesman erklärte diesen ungewöhnlichen Geburtstag mit der Tatsache, dass dieser Abend ja Sergej Rachmaninow, geboren 1. April 1873, zum 150sten gewidmet sei, zudem würden er und sein Bühnenpartner Jo, beide Jahrgang 1973 dieses Jahr 50 Jahre alt, ergo 150 + 50 + 50 ergäbe dann halt die 250.
Witziger «Tribut to Rachmaninow»
Im Happy-Birthday-Konzert von Aleksey Igudesman (Violine) und Hyung-ki Joo (Klavier), dienten selbstredend Werke des grossen russischen Komponisten als Ausgangspunkt für ihre Parodien, aber immer basierend auf perfektem handwerklichem Können auf ihren Instrumenten, garniert mit dazugehörenden körperlichen Verrenkungen, clownesker Mimik und witzigen Erläuterungen.
Kampf mit der Tücke des Objektes
Igudesman als Polizist gängelt Jo durch Musikgeschichte des Klaviers
Sie kämpften manchmal mit den Tücken des Objektes, in diesem Fall meistens das Klavier, auf dem Pianist Jo u.a. spektakulär übertrieben ernst zu. 2. Klavierkonzert ansetzte, um im späteren Verlauf zur Pop Version von «All by myself» heftig schluchzend, wobei nicht auszumachen war, ob vor Trauer oder aus Freude.
Der koreanische Pianist präsentierte sich auch noch als passabler Tenor, als er ab und zu singend eine Nummer ankündigte.
Rachmaninow für sechs Hände als Comedy Glanzpunkt
Hyung ki Joo und Yuja Wang Foto Priska Ketterer
Später forderte Jo die chinesische Starpianistin, die wirklich wie ein billiges Flittchen daherkam, auf, sich neben ihn auf den Schemel zu setzen und mitzuspielen. Dem wollte Igudesman natürlich nicht tatenlos zusehen und setzte sich auch noch dazu, womit Yuja Wang jetzt zwischen den beiden Showprofis sass. Jetzt gings gleich harmonisch sechshändig weiter, dazu flirtete die Chinesin auch hefig abwechselnd mit einem von beiden, bevor sie sich mit zwei kurzen Ellbogenbewegungen der zwei entledigte, die unsanft auf dem Boden landeten und wie Maikäfer strampelnd auf dem Rücken lagen.
Es gab noch etliche Nummern, wobei Yuja Wang dabei eher eine Statistenrolle zu- und sie sich selbst wohl etwas verloren vorkam.
Mein Fazit des Silvesterkonzertes 2010 des ZKO mit Igudesman % Jo
Das Duo Igudesman& Joo mit Special Guest Yuja Wang in der Show zu Rachmaninows 150. Geburtstag Foto Priska Ketterer
Natürlich sind die beiden überdurchschnittlich gute Musiker, sonst würde die Show wohl eher lächerlich wirken, so aber ist es ein absoluter Hammer, ein Genuss für Augen, Ohren und vor allem auch fürs Gemüt. Magistral unterstützt vom Zürcher Kammerorchester, boten Igudesman & Joo eine genial zu nennende Performance.
Mein Fazit der Rachmaninow Comedy
Die Protagonistinnen beim Schlussapplaus Foto Priska Ketterer
Die eher unglückliche Kombination des Komiker Duos mit der Starpianistin kam nicht bei allen gut an, einige, die wohl vor allem wegen der sonst so fabelhaften Yuja Wang gekommen waren, verliessen sogar enttäuscht vorzeitig das Konzert und mein Eindruck war auch eher ein zwiespältiger, kam es doch so, wie ich eigentlich schon im Vorfeld ahnte.
Applaus gabs natürlich trotzdem nicht zu kurz aber man konnte sich des Gefühls nicht erwehrten, dass auch die drei auf der Bühne sich der Sache selbst nicht so sicher wären.
Ein Experiment, das wohl kaum eine zweite Auflage dieser Art erleben wird.
Konzertante Aufführung Musikalische Leitung Alexander Joel Szenische Einrichtung Natascha Ursuliak Choreinstudierung Janko Kastelic Gérald, englischer Offizier Edgardo Rocha Frédéric, englischer Offizier Björn Bürger Nilakantha, Brahmanenpriester Philippe Sly Lakmé, seine Tochter Sabine Devieilhe Mallika, deren Begleiterin Siena Licht Miller Hadji, Diener Nilakanthas Saveliy Andreev Ellen, Geralds Verlobte Sandra Hamaoui Rose, ihre Cousine Bożena Bujnicka Mistress Benson, deren Erzieherin Irène Friedli Philharmonia Zürich Chor der Oper Zürich
Die im Konzertsaal so beliebte Glöckchenarie, auch bekannt als Bell Song, aus “Lakmé” von Léo Delibes‘ (1836-1891), ist ein bekanntes Paradestück für Koloratursopranistinnen und Stimmvirtuosinnen aller Zeiten, wie zum Beispiel Mado Robin, Joan Sutherland und Edita Gruberova in der Vergangenheit, oder Nathalie Dessay heute. Zusammen mit “Viens, Mallika!… Sous le dôme épais”, dem dank Werbespots und Filmen leider so strapazierten Blumenduett für Sopranistin und Mezzosopranistin, ist sie was heute aus diesem Delibes‘ romantischen Werk in drei Akten in Erinnerung bleibt.
Eine tragisch endende, unmögliche Liebe
Die phänomenale französische Sopranistin Sabine Devieilhe in der Titelrolle
Die Oper handelt, um in wenigen Worten zu sagen, von der unglücklichen Liebe zwischen Lakmé, der Tochter des Brahmanenpriesters Nilakantha, die isoliert in der Nähe eines Tempels lebt, und dem britischen Offizier Gérald. Als das Mädchen Gérald trifft, verlieben sich die beiden ineinander, was Nilakantha als Sakrileg betrachtet. Dem Priester gelingt es natürlich das Paar zu trennen, so dass Lakmé in ihrem Kümmer eine giftige Blüte isst und am Schluss stirbt.
Nicht überall im Standardrepertoire
Der uruguaysche Tenor Edgardo Rocha als Gérald
‚Lakmé, an der Pariser ‚Opéra Comique’1883 erfolgreich uraufgeführt, wurde damals für Delibes ein Triumph, nicht zuletzt dank dem Libretto von Edmond Gondinet und Philippe Gille, aber besonders wegen deren Originalität, wegen des ausserordentlichen Erfindungsreichtums und der orientalischen Atmosphäre, welche dem Geschmack der Zeit entsprach. Obwohl der Franzose eher als Ballett-Komponist von ‘Coppélia’ und ‘Sylvia’ bekannt ist, ist ‘Lakmé’ als sein Hauptwerk zu betrachten. Heute gehört aber die ganze Oper nur noch in Frankreich und in dem englischsprachigen Raum zum Standardrepertoire, während sie in der Schweiz und in Deutschland leider viel zu selten aufgeführt wird. Auch im Opernhaus Zürich war von ‚Lakmé’ am 2. April (Aufführungen noch am 8. und 15. April) nur eine konzertante Aufführung in französischer Sprache mit deutscher und englischer Untertitelung und mit einer einfachen aber wirksamen szenischen Koordination von Natascha Ursuliak zu geniessen.
Ein unvergesslicher, hochklassiger Abend
Lakmé Szenenfoto von Toni Suter
Alexander Joels inspirierte, kompetente musikalische Leitung einer ‘Philarmonia Zürich’ en pleine forme begleitete das überaus aufmerksame Premièrenpublikum durch eine an besonderen Akzenten, an wunderschönen instrumentalen Momenten und an Kolorit reiche Partitur: der Londoner Maestro am Pult und alle Musiker, beachteten erfolgreich deren zahlreichen Détails. Eine sehr sorgfältige Abstimmung des Orchesters (von den Holz- und Blechbläsern bis zum Schlagzeug) mit allen Sängern wurde auch nicht vernachlässigt.
Eine grandiose, betörende Interpretation der Titelrolle
Sabine Devieilhe als Lakmé und Siena Licht Miller als Mallika beim berühmten Blumenduett
In der intensiven Titelpartie war eine der heute sicher besten französischen Stimmen zu hören, Sabine Devieilhe, die am Opernhaus Zürich bereits die Titelfigur in Donizettis “Fille du régiment” und Sophie in Strauss’ ‘Rosenkavalier’ interpretierte. Der französichen Sopranistin gelang es, mit ihrer lupenreinen, dennoch überaus expressiven Stimme alle Voraussetzungen der Lakmé zu erfüllen; eine an akrobatischen Koloraturen sehr reiche und unheimlich fordernde Hauptrolle, für welche auch eine besondere Ausstrahlung und ein grosses Einfühlungsvermögen notwendig sind. Es war ein hinreissender Moment, als sie „Où va la jeune Hindoue” warm, präzis und mit phänomenalen Pianissimi sang. Das Blumenduett im 1. Akt, mit der ausgezeichneten deutsch-amerikanischen Mezzosopranistin Siena Licht Miller in der Rolle der Dienerin Mallika, hatte bereits vorher die Zuschauer verzaubert.
Ein Abend der schönen Stimmen
Lakmé Szenenfoto von Toni Suter
Auch der uruguaysche Tenor Edgardo Rocha interpretierte die ebenfalls anspruchsvolle Rolle des Gérald immer sehr diffenziert und ohne zu forcieren. Perfekt als Nilakantha auch Philippe Sly: der Bassbariton aus Montreal beeindruckte mit seiner tiefen, dramatischen Stimme. Sehr gut waren auch alle Sänger in den Nebenrollen – besonders überzeugend der junge Bariton Björn Bürger als Frédéric – so wie der von Janko Kastelic vorbereitete ‘Chor der Oper Zürich’.
Die Standing Ovation an der Première war mehr als verdient.
Besetzung und Programm: Lucerne Festival Orchestra Iván Fischer Dirigent Rafał Blechacz Klavier Frédéric Chopin (1810–1849) Klavierkonzert Nr. 2 f-Moll op. 21 Franz Schubert (1797–1828) Ouvertüre im Italienischen Stil C-Dur D 591 Felix Mendelssohn (1809–1847) Sinfonie Nr. 1 c-Moll op. 11 (mit dem Menuett aus der Urfassung von 1824 und der Orchesterfassung des Scherzos aus dem Streichoktett)
Festival Intendant Michael Häfliger begrüsste das Publikum im vollbesetzten Konzertsaal des KKL und erläuterte, dass Aufgrund einer Erkrankung des Stammdirigenten des Orchesters «Maestro» Riccardo Chailly, sich kurzfristig verdankenswerter Weise der ungarische Meisterdirigent Iván Fischer das Konzert leiten werde.
Franz Schubert(1797–1828) Ouvertüre im italienischen Stil C-Dur D 591
Konzertimpression von Peter Fischli
Nach Heinrich Kreißle, Schuberts erstem Biograph, geht ihre Entstehung auf eine musikalische Wette zurück: Schubert besuchte eine Aufführung von Rossinis Oper „Trancredi”, deren Ouvertüre von seinen Freunden über alle Maßen gelobt wurde; „Schubert, dem des Lobes zu viel sein mochte, erklärte, zum Widerspruch gereizt, es würde ihm ein Leichtes sein, derlei Ouvertüren, in ähnlichem Styl gehalten, binnen kürzester Zeit niederzuschreiben. Seine Begleiter nahmen ihn beim Wort, und versprachen ihrerseits die That durch ein Glas guten Weins zu belohnen. Schubert machte sich sogleich an die Arbeit und komponierte eine Ouvertüre für Orchester, welcher später noch eine zweite folgte, und die unter dem Namen „Ouvertüren im italienischen Stil“ bekannt, bei seinen Lebzeiten in Concerten mit Beifall aufgeführt wurden“.
Bereits kurz nach der Fertigstellung der Orchesterfassungen bearbeitete Schubert die beiden Ouvertüren für Klavier zu vier Händen. Die Einleitung ist dunkel leidenschaftlich, aber natürlich nicht ohne Poetry. Dies ist der tragischste Abschnitt der Symphonie, aber es könnte noch mehr sein um richtig von Drama und Ernsthaftigkeit zu sprechen, eher als tragisch. (Im April 1816 war Schubert noch Lehrer an der väterlichen Schule in Lichtental, da noch im selben Monat seine Bewerbung um die Stelle des Musikdirektors in Laibachwurde abgelehnt wurde. Es kann sein, dass dieser Umstand seine Leistung beeinflusst hat).
Konzertimpression von Peter Fischli
Nach der Einleitung folgt ein aktiverer und persönlicherer Abschnitt, beseelt später (im 3/4-Takt), um im As-Dur-Impromptu wieder aufzutauchen. Der dritte movement mit seinen ungleich langen Phrasen und Zeitwechseln Signatur zwischen 214 und 3/4 ist kaum ein Menuett, sondern eher ein Beethovenisches Scherzo. Stimmungen aus dem ersten Satz kehren im Finale wieder und die ganze Symphonie endet, wie sie begonnen hat, mit einem unisono C. Das einfache, aber sehr liebenswerte Thema erwies sich als eine reiche Quelle von überraschende und angenehme Ideen, alle mit Kraft und Geschick geformt. In der Coda dieses Stücks finden wir Material, das Schubert später in der verwendet hat wie z.B. in der Ouvertüre zu „Die Zauberharfe“ – besser bekannt als Ouvertüre zu Rosamunde. Die Musiker präsentierten uns das kurze Werk leidenschaftlich engagiert, gerade im richtigen Masse anregend für die darauffolgenden, längeren Werke. Werke und versetzten so das Auditorium in auf geräumte Konzertlaune.
Gioachino Antonio Rossini, damals unbestrittener Star in Wien
Konzertimpression von Peter Fischli
Im zweiten Jahrzehnt des neunzehnten Jahrhunderts wars, als sich die Musik von Rossini verbreitete wie eine Flamme in ganz Europa. In der Saison 1816/17 konnte das Wiener Publikum erstmals von der reichhaltigen Melodie begeistert sein, von der frischen Orchestrierung und der Lyrik seiner Opern. Bis 1819 konnten Interessierte nicht weniger als acht Opern des italienischen Meisters hören, darunter Otello und Der Barbier von Sevilla. Unter den Menschen, die diese Bekanntschaft bereitwillig machten und diese Musik höchst originell fanden, war auch Franz Schubert. Schuberts Ouvertüren (wir wissen nicht welche) wurden im Gasthof „Zum Römischen Kaiser“ aufgeführt. Die Kritiker fanden, dass er es geschafft hatte, die Wette zu gewinnen; dass er, so Schuberts Wette, derlei Ouvertüren jederzeit aus den Ärmeln schütteln könne.
Über die Fast Jahrgänger Mendelssohn und Chopin
Iván Fischer kann sich ein veschmitztes Grinsen nicht verkneifen Foto Peter Fischli
Felix Mendelssohn war nur ein Jahr älter als Frédéric Chopin, aber als sich ihre Wege 1828 in Berlin erstmals kreuzten, schienen Welten sie zu trennen: Mendelssohn galt damals längst als neuer Star im Musikleben und dirigierte in der Singakademie, während Chopin im Publikum sass und sich nicht getraute, den erfolgreichen Kollegen anzusprechen. Erst vier Jahre später lernten sie sich in Paris persönlich kennen. Mendelssohn war begeistert von Chopin und verteidigte ihn gegen Anfeindungen der pianistischen Konkurrenz. Daraufhin entwickelte sich eine herzliche Freundschaft zwischen ihm und «Sciopino», wie Mendelssohn den Polen liebevoll taufte. Sie komponierten sogar gemeinsam einen Kanon: Mendelssohn die drei Oberstimmen, Chopin die Basslinie. Und der Kontakt sollte nicht mehr abreissen. Mit der funkensprühenden Ersten Sinfonie, die Mendelssohn als 15-Jähriger komponierte, und dem poetischen Zweiten Klavierkonzert, das Chopin als 19-Jähriger vollendete, spüren Iván Fischer und das Lucerne Festival Orchestra den Verbindungen zwischen beiden Musikern nach. Den Solopart übernimmt Rafał Blechacz, auch er ein Pole, der 2005 den berühmten Chopin-Wettbewerb in Warschau gewann und als einer der berufensten Interpreten dieses Komponisten gilt.
Frédéric Chopin (1810 – 1849)Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 f-Moll op. 21
Iván Fischer korrespondiert mit dem Solisten Foto Peter Fischli
Chopins zweites Klavierkonzert in f-Moll ist eigentlich sein erstes. Es ist 1830 entstanden, kurze Zeit vor dem e-Moll-Konzert. Da Chopin das f-Moll-Konzert aber als zweites veröffentlichte, trägt es diese Zahl. Chopin war damals 20 Jahre alt und bereits ein überragender Pianist. Er hat die Konzerte in erster Linie für sich selbst komponiert. Das Klavier steht ganz und gar im Zentrum, das Orchester begleitet dezent und dient vor allem dazu, Farben und Spannungsbögen zu unterstreichen – anders als etwa in den Konzerten von Mozart oder Beethoven, in denen Solist und Orchester gleichberechtigte Partner sind.
Ungewöhnlich lange, nur orchestrale, Konzerteröffnung
Das Intro durch das Orchester dauert ungewöhnlich lange zweieinhalb Minuten, bevor der Solist ins Geschehen eingreift. Dann sind sie aber unvermittelt da, die Staccato der hingeknallten Harmonien, die fulminanten Läufe, die perlenden Tonkaskaden und man sieht vor seinem geistigen Auge den jungen Polen Frédéric Chopin in einem Pariser Salon, inmitten der Honoratioren der Stadt als umjubelter Unterhalter, der neue Liebling der Hauptstädter. Aber zurück nach Luzern und damit zu Rafal Blechacz, der alles richtig macht, ohne aber zuerst das Publikum im Herzen berühren zu können. Etwas zu sehr auf die Technik fokussiert, unterläuft er die Gefühle, was sich aber im späteren Verlaufe noch positiv ändern wird.
Der Solist findet etwas spät in den Dialog mit dem Komponisten
Rafał Blechacz Solist am Piano
Dabei ist in diesem Konzert alles drin, was man landläufig unter „romantischer Klaviermusik“ versteht: viel Poesie und eine Fülle unterschiedlicher Stimmungen, Zartes und Wildes, wunderbare Melodien, technische Finessen und ein großer Reichtum an Harmonien und Farben. Der Solist bemerkt, dass er relativ weit weg ist und plötzlich ist es da, das Zwiegespräch zwischen Pianist und Komponist, was auch das Publikum spürt. Da ist mehr Gefühl in den sanften Tönen, eine Leichtigkeit in den Phrasierungen, Chopin geht ihm jetzt leicht von der Hand, da versinkt er drin und geht gleichzeitig darin auf. Nun ist auch die Spannung da im Publikum, das jetzt gebannter Haltung Richtung Bühne blickt und sich nun einnehmen lässt.
Zum Werk aus Sicht diverser Pianisten
Iván Fischer lbedankt sich beim Solisten Foto Peter Fischli
Es ist nicht die Virtuosität, die das zweite Klavierkonzert ausmacht – es ist die Emotion dahinter. Die richtige Interpretation zu finden, ist nicht einfach. Chopin schrieb seine Werke sehr schnell und vielleicht an manchen Stellen etwas ungenau. Vom tragischen, pessimistischen und dennoch tröstlich klingenden Thema des ersten Satzes über den emotionsgeladenen, poetischen zweiten Satz bis hin zur temperamentvollen polnischen Folklore mit dem Geist der aufblühenden nationalen Musik: Chopin legt in seinem zweiten Klavierkonzert eine farbenreiche Gefühlspalette offen. Punktangaben über den Noten, manche Pedaleinsätze oder die unterschiedlichen Phrasierungsbögen sind in Chopins Partituren nicht eindeutig definierbar.
Es benötigt tiefes Einfühlungsvermögen
Erst ein tiefes Verständnis für Chopins Denken und Fühlen lässt die vom Komponisten gewünschte Interpretation zu. Und die kann zweideutig sein – dennoch immer richtig. Sehnsucht, Träumerei, die Kühnheit der jugendlichen Jahre, Schmerz und Hoffnung werden hier vereint. All das verwandelte Chopin meisterhaft in weitgeschwungene Melodiebögen und perlende Läufe. Dabei kann es über die übliche Tempobezeichnung hinweg gesehen werden, um diesem Moment der Inspiration einen Raum zu geben. “Eine Melodie wird eine Sprache. Man muss das deklamatorisch verstehen und dementsprechend umsetzen.
Struktur des Werkes erfordert fast ein Operndirigat
Es gibt ganz viele Ornamente, die in seiner Musik vorkommen. Und man weiß genau, er hat eine gesangliche Passage gemeint – also nicht pianistisch in dem Sinne von Schnelligkeit. Sondern es muss gesprochen und gesungen werden.” Chopin setzte nur auf die Nuancen des Klaviers. Er war radikal und kümmerte sich wenig um das Orchestrale und um die sinfonischen Strukturen. Den ursprünglichen Part für das zweite Klavier schrieb der junge Komponist für ein Orchester um. Durch diese offensichtliche Vernachlässigung des Orchesters ist es für den Dirigenten nicht einfach die subtile Verbindung dazwischen herzustellen und er muss fast wie für eine Oper dirigieren, was für den erfahrenen «Dirigentenfuchs» am Pult, Ivàn Fischer, nicht das geringste Problem war. Hochkonzentriert und mit vollem Körpereinsatz führte er das Weltklasseorchester durch Chopins Partitur, korrespondierte mittels Augenkontakt, Kopfbewegungen und Gesten, garantierte so das optimale Zusammenspiel zwischen Orchester und Solisten, den perfekten Hörgenuss für das Publikum.
Zurück zum Konzert
Nun, da sich der polnische Solist mit dem Komponisten einig war, wirkte alles spielerisch und lässig, die Korrespondenz mit dem ihn perfekt supportierenden Orchester ergab nun ein Ganzes und fügte sich bis zum berauschenden Finale wie ein grosses Puzzle zusammen. Wie man so schön zu sagen pflegt: „Ende gut, alles gut¨“. Das Auditorium spendete langanhaltenden starken, stürmischen Beifall, zu einer stehenden Ovation reichte es nicht ganz. So begab man sich gutgelaunt in die Foyers des KKL in die Pause, gespannt auf den zweiten Konzertteil, für den erstmals beim Lucerne Festival Mendelssohns erste Sinfonie auf dem Programm stand.
Felix Mendelssohn(1809–1847) Sinfonie Nr. 1 c-Moll op. 11
Dirigent Iván Fischer erläuterte, dass Mendelssohn das Scherzo erst bei einer Aufführung in London anstelle des Menuettos hinzugefügt hatte, er selber aber beide, also das Scherzo und das Menuette so schön fände, dass man heute Abend auch das Scherzo irgendwo einfügen werde, also in diesem Konzert beide Teile intoniert würden, er bemerkte aber spitzbübisch, man aber noch nicht ganz sicher sei, bei welchem Satz man dies täte.
Als der Komponist das Werk 1829 in London selbst dirigieren sollte, tauschte er das Menuetto kurzerhand gegen den neu instrumentierten Scherzo-Satz seines Oktetts op. 20 aus. Bis zum Erstdruck, bei dem die Symphonie die Opus Zahl 11 erhielt, vergingen weitere fünf Jahre. Inzwischen hatte Mendelssohn seine Meinung ein zweites Mal geändert: das zwischenzeitlich verschmähte Menuetto kam 1834 zu erneuten Ehren. Im Rahmen der Mendelssohn-Gesamtausgabe wurde das für die „Londoner Fassung“ orchestrierte Scherzo aus op. 20 als Anhang zur 1. Sinfonie erstmals veröffentlicht.
Das Werk selbst wird in vier Sätze gegliedert :
Allegro di molto
Andante
Menuetto. Allegro molto
Allegro con fuoco
Der 1. Satz beginnt in einem pathetisch-heftigen c-moll; das kontrastierende Seitenthema bleibt in der Durchführung eine eher lyrische Episode. Die Reprise ist gegenüber der Exposition erheblich verkürzt, zudem anders instrumentiert. Die Coda beansprucht einen größeren Platz als die Durchführung ist für Mendelssohns Auffassung vom Sonatensatz bezeichnend. Das Thema wird in seiner Form variiert und es bilden sich neue Einheiten.
Im Andante, das halb als Sonatensatz und halb als Rondo geschrieben wurde, erscheinen die Hauptmelodien in wechselnder Beleuchtung. Das Menuett besticht durch eine synkopische Melodiefügung und Drehungen, die Als Vorbild Mozart haben könnten.
Iván Fischer und das Orchester geniessen ven verdienten Schlussapplaus Foto Peter Fischli
Der Finalsatz dient der Integration zweier kontrastierender Elemente des 1. Themas. Lebendig und spannungsreich weiß Fischer die Ausdruckscharaktere im Allegro molto der C-Moll-Sinfonie zu zeichnen. Die drahtige Agilität seiner Mitmusiker*innen hat er dabei stets unter voller Kontrolle, alles Lärmende, wozu der Gestus dieses Satzes herausfordern könnte, versteht er auszublenden, ohne dabei die Impulsivität und die Artikulationsschärfe in irgendeiner Weise zu schmälern. Das Orchester bewältigt seine Lesart unangestrengt und mit der nötigen Flexibilität und mit einer Klanggebung, die immer plastisch und durchsichtig bleibt. Beachtlich ist auch die erreichte Balance im Andante zwischen den diesem Satz eingeschriebenen weich gerundeten lyrischen Melodiebögen (mit schmiegsamen, edlen Holzbläserfarben!) und den mit einer vibrierend aufgerauten Schraffur versehenen und kontrastierend dagegen gesetzten Passagen. Auch die geschmeidig aus alternierenden Streichergruppen heraus zu einer einheitlichen Klanglinie verblendeten Melodiebögen im Trio des ansonsten recht handfest angepackten Menuetto gereichen der bemerkenswerten Klangkultur der Aachener zur Ehre. Den temperamentvollen Zug des Finalsatzes versteht der ungarische Dirigent in ein klug gerastertes und differenziert ausgesteuertes Profil zu kleiden. Dessen drängenden und nervigen Impetus weiß er vor jeglicher Aufdringlichkeit zu bewahren, und selbst der Stretta am Schluss scheint er maßhaltende Zügel angelegt zu haben. Ebenso überzeugend gelungen ist die Darstellung der Reformations-Symphonie. Da irritieren schon in der Einleitung des Kopfsatzes die starken Crescendo- und Diminuendo Wölbungen über den Bläserakzenten, denen etwas Künstliches und Aufgesetztes anhaftet. Das Feuer im Fortgang dieses Satzes lässt der Dirigent nicht ganz so lodern, wie das denkbar wäre. Etwas buchstabiert und ohne die erstrebenswerte entspannte Spontaneität mutet die übergenaue Einhaltung des Metrums hier an. Rhythmisch sehr straff und scharf umrissen, aber dabei auch sehr transparent gehalten bekommt man das Allegro vivace zu hören. Den entwickelnden Prozess im Andante geht man voller lebendiger Spannkraft an und kehrt in diesem Zusammenhang auch zur frühen, später von Mendelssohn wieder gestrichenen Flötenüberleitung zum Choralsatz Ein feste Burg ist unser Gott zurück. Auch am Finale kann man sich uneingeschränkt erfreuen. Der wünschenswerte feinnervige und feinschwingende Gestus wirkt hier aber leicht zu steif, die polyfonen Strukturen dank der Überpräzision gar etwas hölzern.
Das Auditorium hatte seine helle Freude an den dargebotenen Werken, wird sich aber speziell an das fulminante Debut von Rafal Blechacz am Lucerne Festival erinnern.
Ein äusserst gelungener Start ins Mendelssohn Frühlings Fest Wochenende.
Die Festival Strings Lucerne snd startbereit Foto Fabrice Umiglia
Besetzung und Programm: Jan Lisiecki, Klavier Daniel Dodds, Leitung & Violine Festival Strings Lucerne ARTHUR HONEGGER Pastorale d’été H. 31 LUDWIG VAN BEETHOVEN Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4 G-Dur op. 58 FRANZ SCHUBERT Sinfonie Nr. 6 C-Dur D. 589
ARTHUR HONEGGER Pastorale d’été H. 31
Pastorale d’été wurde im August 1920 in Wengen in der Schweiz geschrieben . Es war Honeggers erstes Orchesterwerk von wirklicher Bedeutung, bevor er sein gewaltiges Werk Horace victorieux anging , das er im Winter 1920/21 schrieb.
Festival Strings Lucerne und Jan Lisiecki Foto Fabrice Umiglia
Die Partitur von Pastorale d’été wurde mit einer Inschrift von Arthur Rimbaud versehen : J’ai embrassé l’aube d’été (Ich habe die Sommerdämmerung umarmt). Die Besetzung ist für Streicher, einzelne Holzbläser und Horn. Das Werk ist atmosphärisch, ruhig und zurückhaltend und wurde beschrieben als „ein neuzeitliches Prélude à l’après-midi d’un faune “ ( Prelude to the Afternoon of a Faun von Claude Debussy ). Es scheint so zu sein ein musikalischer Eindruck eines friedlichen frühen Morgens in den Schweizer Alpen.]Es beginnt mit einem trägen, schwebenden Thema des Horns, das dann von den Streichern aufgenommen wird. Die Instrumentierung entspricht dem pastoralen Charakter des Themas und der Stimmung in den Eckteilen. Der Mittelteil ist lebendiger und farbig orchestriert. Das Hauptthema kehrt zurück, um das Stück in der gleichen friedlichen Weise wie zu Beginn zu schließen. Die Strings illustrieren akustisch den Morgentau über den Berner Alpwiesen und lassen uns tonal im morgendlichen Oberländer Sonnenschein blinzeln. Sanft erleben wir das Erwachen der unberührten Natur, lassen uns schwebend über Auen davontragen Das Werk wurde Alexis Roland-Manuel gewidmet einem französischen Komponisten und berüchtigten Kritiker gewidmet.
Es wurde am 17. Februar 1921 im Salle Gaveau in Paris unter der Leitung von Vladimir Golschmann uraufgeführt . Das Werk gewann einen Prix Verley , einen Preis, der vom Publikum entschieden wurde.
Die erste britische Konzertaufführung fand am 27. Oktober 1921 unter der Leitung von Eugene Goossens in der Queen’s Hall in London statt.
Das Werk ist in das allgemeine Orchesterrepertoire eingegangen und wurde oft im Konzert gespielt. Honegger dirigierte selbst eine Aufnahme des Werks, [ebenso wie Hermann Scherchen , Jean Martinon (1971), Michel Plasson (1991), Leonard Bernstein , David Zinman , Thierry Fischer , Charles Dutoit und viele andere.
Festival Strings Lucerne und Jan Lisiecki Foto Fabrice Umiglia
Als Teil der Erzählung des Romans „Expo 58“ von Jonathan Coe (veröffentlicht 2013) gibt es eine phantasievolle und detaillierte Beschreibung der Pastorale im Kapitel „Das Problem mit dem Glück“. Besonderes Augenmerk legt sie auf die Orchestrierung und die Gesamtform des Stücks, z. ein sanftes, endlos erneuerbares Gespräch zwischen den verschiedenen Sektionen des Orchesters; bis auch es ins Nichts verblasste, inmitten der sterbenden Schnörkel der hauchdünn gestrichenen Geigen, die letzten dämmernden Vogelstimmen von Flöte und Klarinette.
Eine ideale Komposition um das zahlreich erschienene Publikum im Konzertsaal auf die darauf folgenden «Pièces de Résistance» einzustimmen, was dieses auch mit reichlich Applaus bekundete.
LUDWIG V. BEETHOVEN Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4 G-Dur op. 58
Festival Strings Lucerne und Jan Lisiecki Foto Fabrice Umiglia
Der Konzertflügel wurde vor das Orchester geschoben, die Rollen fixiert und der Schemel hingestellt, worauf der Gastsolist des Abends der wuschelköpfige, hochgewachsene, schlaksige Kanadier mit polnischen Wurzeln, just an seinem 28. Geburtstag, auf der Szenerie erschien, sich hinsetzte und sich mittels Blickkontakt mit Dirigent Daniel Dodds kurzschaltete.
Solopart des Pianos als Intro
Jan Lisiecki Solist am Piano
Das Konzert beginnt in der Grundtonart G-Dur. Was hier aber so zart daherkommt und sogleich in ätherisches H-Dur hinüberträumt, das bedeutete bei der Uraufführung nichts desto weniger eine Revolution. “Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne”, dichtete einst Hermann Hesse in seinem Stufengedicht. Recht hatte er. Nie zuvor in seiner Geschichte hatte ein Klavierkonzert ohne Orchestervorspiel direkt mit einem Solo des Klaviers angefangen
Beethoven hielt nicht viel von Konventionen
Festival Strings Lucerne und Jan Lisiecki Foto Fabrice Umiglia
Nicht dass der Feuerkopf Beethoven jemals ein Problem damit gehabt hätte, gegen Regeln zu verstoßen, aber wenn er es tat, dann immer, um eine außergewöhnliche Idee zu verwirklichen. Dass diesem Konzert so eine solch außergewöhnliche Idee zugrunde lag, das ahnte bereits die Zeitgenossen. Schon Robert Schumann pries das Stück als “Beethovens vielleicht größtes Klavierkonzert”. Die Begeisterung hält bis heute an.
Zitat Jewgenij Kissin über Beethovens Opus 58: “Von allen Beethovenkonzerten finde ich das Vierte das Schönste. Wenn man sagt, der Kopfsatz des fünften Klavierkonzertes zeichne sich durch Erhabenheit und Größe aus, der des Dritten durch Dramatik, dann herrschen im ersten Satz des vierten Klavierkonzertes lyrischer Atem und Schönheit.”.
Geheime Botschaften des Komponisten?
Festival Strings Lucerne und Jan Lisiecki Foto Fabrice Umiglia
Immer wieder sind es Worte wie “Schönheit” und “lyrisch”, die im Zusammenhang mit dem Konzert auftauchen. Und immer wieder ist auch von der Rätselhaftigkeit des Stückes die Rede, vor allem im Zusammenhang mit dem zweiten Satz. Was hat es auf sich mit diesen bedrohlich gezackten Unisono-Figuren der Streicher, was mit der feierlich besänftigenden Antwort des Klaviers? Die Hörer des Jahres 1808 fühlten sich sogleich an die Musik in Christoph Willibald Glucks Oper “Orfeo e Euridice” erinnert. Mit dem Spiel seiner Leier besänftigt der tragische Sänger Orpheus die Furien der Unterwelt. Davon ausgehend hat der Musikwissenschaftler Owen Landers das gesamte Klavierkonzert als “Musik mit einem geheimen Programm” gedeutet.
Beethovens “Orpheus-Konzert”
Festival Strings Lucerne und Jan Lisiecki Foto Fabrice Umiglia
“So beruhigend schön sang und spielte der mythische Sänger, dass die Tiere des Waldes sich zu ihm gesellten und sogar Flüsse ihren Lauf änderten, um ihm zu lauschen. Die Musik verzaubert den gesamten Kosmos.” Eine Vorstellung die so recht zu dem Idealisten Beethoven passt. Doch die Orpheusgeschichte geht nicht gut aus. Nach der gescheiterten Rückholung Eurydices aus der Unterwelt habe der Sänger zukünftig den Frauen abgeschworen, berichtet der römische Dichter Ovid in seinen “Metamorphosen”. Wodurch sich besonders wilde Weiber, die Mänaden, so beleidigt gefühlt hätten, dass sie den Künstler in Stücke rissen.
Bleibendes Denkmal für die Macht der Musik
Festival Strings Lucerne und Jan Lisiecki Foto Fabrice Umiglia
Eine Aura des raserisch Gewaltsamen lässt sich dem Einsatz von Pauken und Trompeten im Rondo des G-Dur Konzertes nicht absprechen. Aber reicht die Vorstellung von der Ermordung des Orpheus tatsächlich, um die auch hier reichlich vorhanden lyrischen Passagen zu erklären? Immerhin habe sich Orpheus, so die Sage, im Schattenreich endlich wieder und nun für immer mit seiner Eurydice vereint. Seine Leier aber sei als Sternenbild an den Himmel versetzt worden. Als bleibendes Denkmal für die Macht der Musik, die alles in Schönheit versöhnt. Und gleichgültig, ob man sich nun auf das Orpheus-Programm einlassen mag oder nicht: Daran jedenfalls lässt Beethovens schönstes Klavierkonzert keinen Zweifel.
Dass dem so ist, demonstrierten der quirlige Solist und die einmal mehr gut aufgelegten, vollmotivierten «Strings» wirklich zweifellos.
Jan Lisiecki kann resolut, aber auch sanft
Jan Lisiecki Solist am Klavier
Lisiecki, ob energisch beim Hinknallen von Harmonien, fulminanten Läufen oder sanft bei filigranen Verzierungen, demonstrierte sein ganzes Können in sämtlichen geforderten Variationen, unterlegt von satten, aber nie sich vordrängenden Klangteppichen des Orchesters, auf denen sich der Solist ebenso stil- wie selbstsicher bewegte. Kraftvoll energisch wo gefordert, zurückhaltend selbstvergessen, wenn geboten.
Den langanhaltenden stürmischen Applaus verdankte der Pianist schlussendlich mit einer kurzen Zugabe, beginnend mit einer ähnlichen Tonabfolge wie bei Chopins «valse triste», die er dann aber in eigenem, ähnlichem Stil vervollständigte. Eine Hommage des polnisch stämmigen Pianisten an seinen grossen Fast Landsmann.
Einmal mehr bewiesen die Verantwortlichen der «Strings» mit dem Engagement dieses Solisten ein gutes Näschen und hatten auch mit der Werkauswahl ein glückliches Händchen.