Festival Strings Lucerne, Solist Rudolf Buchbinder Solist am Klavier, KKL Luzern, 13.11.2025, besucht von Léonard Wüst
Besetzung und Programm:
Rudolf Buchbinder Klavier
Festival Strings Lucerne
Daniel Dodds Violine & Leitung
Wojciech Kilar Orawa für Streichorchester
Ludwig van Beethoven Klavierkonzert Nr. 1 C-Dur op. 15
Wolfgang Amadeus Mozart Sinfonie Nr. 39 Es-Dur KV 543
Orchesterchef Daniel Dodds begrüsste das Publikum mit ein paar launigen Worten zum Programm und zur Eröffnung der Konzertsaison 2025/26 bevor auch die übrigen Orchestermitglieder die Bühne enterten.
Wojciech Kilar Orawa für Streichorchester
„Orawa“ – Ein rauschender Tanz der Berge
Kraftvolle Ursprünglichkeit
„Orawa“ für Streichorchester, eines der bekanntesten Werke des polnischen Komponisten Wojciech Kilar, ist eine Hommage an die wilde, naturverbundene Landschaft der Hohen Tatra. In der Interpretation der Festival Strings Lucerne unter Daniel Dodds entfaltet sich dieses Werk mit einer packenden, fast archaischen, irgendwie auch bedrohlichen Energie. Schon die ersten rhythmischen Figuren vibrieren vor Spannung – präzise, federnd und doch warm im Klang. Dodds versteht es, die stetig pulsierende Motorik organisch wachsen zu lassen, ohne in blosse Mechanik zu verfallen.
Rhythmus als Herzschlag
Die Musiker*innen gestalten die sich wiederholenden Motive mit feiner Differenzierung. Die rhythmische Unruhe, die Kilar so charakteristisch macht, wird nicht als starres Ostinato präsentiert, sondern als lebendiger Atem. Besonders beeindruckend ist, wie die Festival Strings Lucerne die Spannung über die gesamte Dauer halten – das Crescendo wirkt unaufhaltsam, als würde sich ein Naturphänomen entfalten. Hier klingt die Volksmusik der Karpaten durch, sublimiert zu reiner orchestraler Kraft.
Zwischen Meditation und Ekstase
Im Mittelteil öffnet sich der Klangraum – der dichte Puls weicht einem atmenden, fast sakralen Moment. Dodds lässt diese Passage mit kontemplativer Ruhe erblühen, bevor sich das Ensemble erneut in den ekstatischen Schluss steigert. Der letzte Ausruf – ein kollektiver Ruf der Musiker – wirkt wie eine rituelle Bekräftigung des Lebens selbst.
Ein packendes Klangbild
Diese Interpretation überzeugt durch ihre Balance von Präzision und Leidenschaft. Der transparente, doch körperliche Klang der Festival Strings Lucerne bringt Kilars minimalistischen Gestus in seiner ganzen Tiefe zur Geltung. Dodds formt aus „Orawa“ keine bloße Reihung rhythmischer Patterns, sondern eine mitreissende, organisch atmende Klangskulptur – ein Stück Natur in musikalischer Form.
Fazit: Eine intensive, erdverbundene und zugleich hoch artifizielle Darbietung – „Orawa“ in dieser Interpretation ist pure Energie.
Ludwig van Beethoven Klavierkonzert Nr. 1 C-Dur op. 15
Beethoven hat sich sein 1. Klavierkonzert auf den Leib geschrieben. Vieles von seiner pianistischen Vortrags- und Improvisationskunst hat er in dieses frühe Werk einfliessen lassen. Die Wirkung des Konzerts beruht aber nicht nur auf den virtuosen Techniken des Klavierparts. Das Intro des Orchesters dauert annähernd drei Minuten, bevor sich das Klavier vorsichtig dazu gesellt und sich, fast unauffällig, in das musikalische Gebilde einfügt. Buchbinder setzte die Harmonien, absolvierte die spannenden Läufe irgendwie losgelöst schwerelos, setzte den oft grimmigen, bärbeissigen Beethoven liebevoll, ja fast zärtlich in Szene.
Der Wiener Meister spielt mit Spott und Ironie
Der Solist akzentuierte Beethovens Spott und Ironie auf charmante, neckische Art und liess ihn dadurch auch menschlicher erscheinen, als er oft wahrgenommen wird aufgrund seiner pompösen, manchmal düsteren und mächtigen Sinfonien. Beethoven strebte in diesem Stück auch kompositionstechnische Neuerungen an. Bis dahin stellte man in Konzerten üblicherweise Individuum (den Solisten) und Gruppe (das Orchester) in einem Wechselspiel einander gegenüber. Beethoven fügte dem eine neue Ebene hinzu: Er integrierte das Klavier stellenweise sinfonisch in das Orchesterspiel und verzahnte den Solopart eng mit dem Tutti.
Aufgrund des nicht enden wollenden Applauses, der schlussendlich in eine stehende Ovation mündete, beglückten uns die Ausführenden noch mit dem „Andante» aus Mozarts 21. Klavierkonzert, Musik für die Abendseele, als Zugabe.
Zweiter Konzertteil W.A. Mozart Sinfonie Nr. 39 Es-Dur KV 543
Eleganz mit innerem Feuer Ein Auftakt voller Würde
Die Festival Strings Lucerne unter Daniel Dodds eröffnen Mozarts Sinfonie Nr. 39 mit einem Adagio, das nicht nur feierlich klingt, sondern von innen her leuchtet. Die Introduktion, majestätisch und transparent, wirkt wie eine feine Gravur aus Klang – jedes Detail sorgfältig ausbalanciert. Dodds lässt die Phrasen atmen, ohne an Spannung zu verlieren. Schon hier zeigt sich, wie dieses Ensemble Mozart versteht: nicht als museales Klangbild, sondern als lebendiges, atmendes Drama.
Lebendigkeit und Leichtigkeit
Im folgenden Allegro entfaltet sich die ganze Energie der Luzerner Streicher. Die rhythmische Prägnanz, gepaart mit tänzerischer Eleganz, verleiht der Musik Leuchtkraft und Schwung. Der Orchesterleiter führt das Ensemble mit federnder Klarheit, die Tempi sind zügig, doch nie gehetzt. Besonders hervorzuheben ist die Artikulation: pointiert, präzise und zugleich mit einer leichten, fast kammermusikalischen Geschmeidigkeit, die Mozarts Struktur durchsichtig macht.
Poetische Ruhe im Andante con moto
Der zweite Satz ist ein Muster an Balance zwischen Ruhe und Bewegung. Die Festival Strings Lucerne gestalten ihn mit edlem, warmem Ton und feiner dynamischer Abstufung. Dodds wahrt eine noble Zurückhaltung – nichts wirkt sentimental, sondern von einer stillen, fast sprechenden Ausdruckskraft getragen. Die lyrischen Linien fliessen wie ein innerer Monolog, von diskretem Pathos durchzogen.
Ein Menuett mit Charakter
Das Menuett überrascht mit tänzerischer Bodenständigkeit. Hier spürt man Mozarts Nähe zum Volkston, aber auch seine ironische Distanz dazu. Dodds formt die Akzente mit federnder Energie, der Kontrast zum Trio – zart, fast kammermusikalisch – ist wunderbar ausgehört. Die Streicher spielen mit geschmeidiger Bogenführung, die rhythmische Präzision bleibt stets von Eleganz durchzogen.
Brillanter Schluss – Leichtigkeit als Triumph
Das Finale sprüht vor Witz und Vitalität. In der präzisen, aber nie kalten Ausführung der Luzerner Musiker verschmelzen technisches Können und Spielfreude. Die Fugati-Passagen sind klar strukturiert, die Energie bündelt sich zu einem funkelnden Höhepunkt. Dodds hält die Spannung bis zum letzten Akkord – hell, federnd, doch mit Substanz.
Fazit:
Daniel Dodds und die Festival Strings Lucerne verbinden in ihrer Interpretation von Mozarts 39. Sinfonie formale Klarheit mit emotionaler Wärme. Hier erklingt Mozart nicht als glattes Ideal, sondern als Musik voller Leben, Geist und edler Menschlichkeit – transparent, präzise und von beglückender Musikalität.
Das Werk kam mit deutlich mehr Dynamik daher, und das Orchester erspielte sich eine spürbarere Prägnanz. Sehr schön zum Ausdruck kam die stimmgebende Flöte. Die verschiedenen Stimmungswechsel evozierten Bilder von blühenden Gärten und verwiesen bereits auf die kommende Romantik. Die angenehm abwechslungsreiche Sinfonie entwickelte sich – mit einem kleinen Durchhänger im dritten Satz – bis zum – darf man es so nennen? – abrupten und dennoch beglückenden Finale. Dieses steht dem Lebenszyklus des Komponisten entgegen, der in jenem Sommer von Depressionen und Geldsorgen geplagt wurde. Bemerkenswert auch: das Orchester, ausgenommen Celli und Kontrabässe spielte die ganze Sinfonie stehend.
Die Ausführenden durften, auch deshalb, einen langanhaltenden, stürmischen Applaus geniessen für diese sehr gut gelungene Saisoneröffnung
Text: www.leonardwuest.ch
Fotos:
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